Wie anstrengend ist Therapie?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Montana
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 11:56

hey_jude hat geschrieben: Mi., 02.09.2020, 11:39 Es funktioniert nur kurz und dann steiger ich mich doch wieder rein.
Mit reinsteigern hat das nichts zu tun. Es ist das genaue Gegenteil, es geht etwas verloren. Bei mir sind das Teile meiner Wahrnehmung, die Fähigkeit mich zu bewegen und Gedanken. Das Verlieren von Gedanken finde ich besonders schlimm, auch wenn es das ist, was man von außen nicht sieht.

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hey_jude
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 12:05

Montana hat geschrieben: Mi., 02.09.2020, 11:56
hey_jude hat geschrieben: Mi., 02.09.2020, 11:39 Es funktioniert nur kurz und dann steiger ich mich doch wieder rein.
Mit reinsteigern hat das nichts zu tun. Es ist das genaue Gegenteil, es geht etwas verloren. Bei mir sind das Teile meiner Wahrnehmung, die Fähigkeit mich zu bewegen und Gedanken.
Dann ist dieses Überdrehte vielleicht noch etwas anderes? Das Reinsteigern passiert nicht bewusst, mir ist kein besseres Wort eingefallen. Ich kenne die Begriffe Über- und Unterspannung. Unterspannung kann im Extremfall zur Ohnmacht führen und Überspannung zu unkontrollierbaren Gefühlsaubrüchen. In beiden Fällen entzieht sich das der bewussten Kontrolle. Daher habe ich die Vermutung, dass bei mir diese übertriebenen emotionalen Zustände in Richtung Überspannung gehen könnten

Ich kenne das "verloren gehen" allerdings auch, das ist wie ein Freeze, ein Verharren mit gleichzeitigem Ausblenden der Umgebung. Aber, wie geschrieben, bei mir ist das nur ganz abgeschwächt und momentweise, allerdings sehr plötzlich. Ich kann mir ansatzweise vorstellen, wie schlimm es sein muss, wenn das in verstärkter Form auftritt.
Zuletzt geändert von hey_jude am Mi., 02.09.2020, 12:15, insgesamt 1-mal geändert.

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Vivy
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 12:11

Montana hat geschrieben: Mi., 02.09.2020, 11:56
Das Verlieren von Gedanken finde ich besonders schlimm, auch wenn es das ist, was man von außen nicht sieht.
Ja, das kenne ich auch gut, wenn die Gedanken im Loch verschwinden.

Fast genauso schlimm finde ich, wenn mir verloren geht, was jemand anderer sagt. Zumindest das dringt inzwischen manchmal in mein Bewusstsein. Wenn die gesprochenen Sätze schon während dem Reden im nichts verschwinden.
In der Therapie kann ich das inzwischen, es ab und zu in genau diesem Moment wahrnehmen und ihn dann bitten, es nochmal zu wiederholen, weil ich vergessen habe, was er gesagt hat.

Weil er inzwischen weiß, dass das passieren kann, fragt er mich ab und zu, wenn’s was wichtiges ist, ob ich das dann später noch weiß, oder ob ich es lieber gleich aufschreiben will. Oder er fragt nicht mal und meint, ich soll das und das doch bitte aufschreiben.

Früher hab ich mir einfach gar nichts dabei gedacht, weil es für mich so normal war. Ich hab mich nur ab und zu gefragt, warum die anderen irgendwie besser klar kommen , weil die viel weniger verpeilt gewirkt haben und scheinbar auch weniger vergessen.
»Man versteht nur die Dinge, die man zähmt«, sagte der Fuchs.
aus: Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry

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Sadako
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 13:13

Montana hat geschrieben: Mi., 02.09.2020, 08:28 Es gibt natürlich durchaus eine wirksame Methode, Dissoziation in der Therapie zu vermeiden. Sehr genau überlegen, welches Thema geeignet ist, weil ungefährlich. [...] Sowohl der Therapeut als auch meine Psychiaterin haben festgestellt, dass ich sehr von der Therapie profitiert hätte, denn ich dissoziierte weniger in deren Anwesenheit.
Wow. Natürlich werden die Abwehrmechanismen stärker (mehr Dissoziation zum Beispiel) wenn du dich in der Therapie schwierigen Themen näherst. Aber es dann als Therapieerfolg zu verkaufen, wenn du in der Therapie weniger dissoziierst, weil du „gefährliche“ Themen möglichst aussparst, ist eine merkwürdige Sichtweise.

Möglichst unauffällig sein und mich Situationen entziehen, in denen es offensichtlich wird, dass etwas nicht stimmt mit mir, habe ich gut gelernt. In der Therapie möchte ich das nicht anwenden müssen, weil es das Überleben sicher und das Leben sehr einschränkt. Ich brauche einen Ort an dem ich sein kann, so wie ich bin, weil ich nur etwas verstehen und verändern kann, was sein darf und für mich (und die Therapeutin) sichtbar wird. Wenn ich ausgerechnet da Versteck spielen muss, ist es vergeudete Zeit und Energie.

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Montana
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 13:43

Richtig, aber ich hatte zu der Zeit keine Alternative. Und wenn ich ehrlich bin, dann achte ich immer noch drauf, dass ich "mich" dosiert einbringe. Ich möchte nicht, dass der Therapeut quasi schreiend wegläuft. Wobei der aktuelle Therapeut da anders ist. Das ist so eine Begegnung der Dritten Art, irgendwie. Den kann ich nicht einschätzen. Womit ich meine, dass ich an dessen Grenzen noch nicht gestoßen bin. Obwohl er schon weit, weit mehr von mir gesehen hat als irgendeiner davor.

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Sadako
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 14:01

@Montana..ich hoffe, du hast das nicht als Vorwurf an dich interpretiert. Wenn jemand da etwas falsch gemacht hat, dann der damalige Therapeut, der dir signalisiert hat, dass du dich falsch verhältst und dir damit den Raum genommen hat, den du gebraucht hättest um therapeutisch weiterzukommen.
Ich kenne das auch mit dem dosiertem Zumuten. Es hat vielleicht damit zu tun, wenn man immer wieder die Erfahrung macht, dass andere negativ reagieren, wenn man sie hinter die Fassade gucken läßt.
Ich habe mich auch in Therapien versteckt, weil ich gehofft habe, dass das was ich von mir zeigen kann, zumindest etwas an therapeutischer Arbeit und damit Verbesserung ermöglicht. In gewisser Hinsicht stimmt das auch... nicht alles war schlecht. Aber so viel zu verstecken, weg zu erklären und Haken zu schlagen, hat auch bewirkt, dass ich mein Bild von mir aufrecht erhalten. Ich habe mich für schlecht, unakzeptabel, lebensunfähig, ein Monster, einen Freak gehalten und hatte Angst dass ich ganz allein und ohne jede Hilfe da stehe, wenn jemand mehr von mir sieht. Das tut immer noch weh, wenn ich das jetzt so schreibe.

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Montana
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 14:18

Keine Sorge, ich habe das nicht als Vorwurf aufgefasst.
Aber ich stelle fest, dass du dieselben Gedanken hast wie ich. Ich denke auch immer, dass wenn jemand mich wirklich SIEHT, so richtig, derjenige mein wahres, schlechtes Ich erkennt. Und dann fliegt alles auf. Alle wissen, dass ich schlecht bin und nur lüge. Es gibt Menschen, die mich für nett halten, weil ich denen etwas vorgespielt habe. In Wirklichkeit bin ich aber gar nicht nett. Und dann könnte ich nichtmal mehr meinen Außenseiterstatus behalten; ich hätte GAR keinen mehr.
Darum geht Therapie so, dass ich versuche, ein bisschen was an Informationen zu bekommen, was zu mir passen könnte. Und wenn jemand sowieso nicht bereit ist, mich in Gänze zu betrachten, dann besteht in der Hinsicht zumindest weniger Gefahr. Trotzdem ist es ein absoluter Seiltanz.
Und komischerweise wünsche ich mir in Wirklichkeit am Allermeisten, es würde mich doch mal jemand richtig sehen und mir sagen, dass ich eigentlich gut bin. Aber das ist wie der Glaube an den Weihnachtsmann. Absolut unmöglich.

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