Therapiestunde schwänzen?

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Beitrag Fr., 07.08.2020, 23:06

lisbeth hat geschrieben: Fr., 07.08.2020, 06:38 sonst boykottierst du dich selbst weil du den Therapeuten gar nicht mit ins Bild holst.
es heisst zwar ins Boot holen, aber ins Bild holen ist ein sehr sehr sprechende Phrase. Gefällt mir.
Darf ich das klauen? ;)

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lisbeth
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Beitrag Sa., 08.08.2020, 07:35

captcha hat geschrieben: Fr., 07.08.2020, 23:06 es heisst zwar ins Boot holen, aber ins Bild holen ist ein sehr sehr sprechende Phrase. Gefällt mir.
Darf ich das klauen?
Klar, darfst du. Ich glaub ich wollte auch ins Boot holen schreiben und dann hat sich da was beim Tippen irgendwie verselbständigt.... Ulkig. :anonym:
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Mondmann
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Beitrag Sa., 08.08.2020, 09:05

pianolullaby hat geschrieben:Für sie ist das kein Grund um abzusagen
Die Frage ist ja nicht, ob das für (d)eine Therapeutin ein Grund ist, sondern für einen Patienten.

Nun weiß ich nicht, ob der "Ton" deines Beitrags eher von dir kommt oder von deiner Therapeutin (ich nehme fast an, Ersteres ist der Fall), aber ein Patient ist kein zu dressierendes Tier. Wenn ich solch einen Satz à la "es warten 20 Andere" in meiner Therapie hörte (und nein, ich würde so was nie hören, und ich hab mir auch schon Dinger, wenn auch andere, erlaubt), wäre das meine letzte Therapiestunde, die ich wohl mit den Worten: "Und es wartet gewiss auch ein Therapeut auf mich" beenden würde.

Das mal zum Umgang miteinander.

Davon abgesehen, ist es natürlich fatal, Stunden abzusagen, wenn man sich gerade zu dick oder zu "sonstwie" fühlt. Es IST jedoch Therapie, genau solche Dinge zu bearbeiten; das Ziel ist dann primär nicht: "Du musst kommen oder zahlen", sondern das Ziel ist: "Es wäre super für dich, wenn du hier lernen könntest, dich unangenehmen Situationen zu stellen".

Das Wort "Schwänzen" ist in der Tat interessant, denn letztlich steckt wohl hinter den meisten Schwänzern jemand, der Angst vor Misserfolg hat und diese zu überspielen versucht, indem er das Ganze "hab keinen Bock" nennt.

"Schwänzen" beinhaltet aber immer auch "Schuld", im Unterschied zu einer Absage, die man anders nennt. Du (= bakerygirl) gibst dir damit selbst die Schuld dafür, nicht hingegangen zu sein; theoretisch könntest du das Ganze ebenso nennen: "Ich hab es einfach nicht hinbekommen" - das kann viele Gründe haben; ich hab auch schon mal kurzfristig abgesagt wegen eines Grundes, den Andere nicht hätten akzeptieren müssen (ich hatte mir Sorgen um mein Haustier gemacht).

In dem Moment, in dem du dir erst mal klar darüber wirst, ob du eher das Gefühl hattest, nicht zu können - oder eher das Gefühl, nicht zu wollen, hast du vielleicht schon viel geleistet, denn: Die Wahl zu haben (tu ich's oder lass ich's?), ist zwar einerseits schwierig, aber andererseits auch mit Freiheit verbunden.

Das Gefühl, diese Wahl nicht zu haben (ich kann einfach nicht - ganz subjektiv betrachtet (objektiv kann man womöglich wirklich mal nicht, wenn man gerade im OP liegt)), nimmt einem zwar die Verantwortung, aber es nimmt auch die Freiheit.

Ich selbst würde eher an dieser Stelle nachspüren und weniger an der Frage, wie viele Patienten darauf warten, dass ich weg bin.

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Mondmann
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Beitrag Sa., 08.08.2020, 09:13

Und grundsätzlich funktioniert eine Therapie nun mal nur dann, wenn man die Termine auch zuverlässig wahrnimmt: Vielleicht hilft es dir, dir vorzustellen, dass deine Therapeutin auf dich wartet, sich auf dich einstellt; auch dass sie mit dir einen Teil ihres Lebensunterhalts verdient. Und dass sie die Stunde, in der du kurzfristig absagst, nicht so gut nutzen kann, selbst wenn genügend zu tun wäre... Man schreibt ja nicht mal eben spontan einen Antrag usw.

Ich sehe das eher weniger vertraglich - formal (muss auch kein Ausfallhonorar zahlen), sondern "menschlich". Wenn du das Gefühl hättest, der Andere wartet gar nicht auf dich, du bist dem völlig egal, dann ist das ja auch noch mal ein Problem; ansonsten hilft es dir vielleicht, dir vorzustellen, dass du auch dann willkommen bist, wenn du dick bist oder es nicht geschafft hast, dir die Haare zu waschen.

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Pianolullaby
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Beitrag Sa., 08.08.2020, 16:06

Nein, das ist tatsächlich meine Meinung, denn ich habe selbst Dienstleistung betrieben, und wenn jemand einfach nicht kommt, weil er grad "keine Kleidung" findet die passt, dann ist das für mich einfach nich fair. Und ja für mich ist es so,
dass "genau dann" eben die Therapie zwingend notwendig, v.a. wenn man bedenkt, wie bakerygirl noch vor paar Wochen geschrieben hat, dass ja kein Thera jemand mit Essstörung haben möchte, dann tue ich doch .... nochmal alles um da hin zu gehen. Meine ganz persönliche Meinung. Und nein, es warten eben nicht an jeder Ecke Therapeuten !!!
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chrysokoll
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Beitrag Sa., 08.08.2020, 19:22

Da sehe ich schon einen Unterschied.

Wenn jemand bei einer anderen Dienstleistung einfach einen Termin nicht wahrnimmt weil er nix zum anziehen findet dann ist das schon ein deutlichens Zeichen. Und das würde ich als Dienstleister auch nicht lange mitmachen.

In einer Therapie ist das natürlich bei einer Frau mit Essstörung auch ein Ausdruck genau ihrer Probleme.
Und damit ist bakery schon sehr nahe an ihrem Problem.

Therapeuten sind es schon auch gewohnt dass Patienten flüchten, schwänzen, wegbleiben, mit und ohne Absage.
Und sie haben normalerweise auch ihre Strategien damit umzugehen. Ausfallhonorar ist eines davon z.B.

Trotzdem kann man das natürlich nicht öfter bringen und es kann dann auch nicht nur Flucht sein und Angst, sondern auch unbewusstest torpedieren genau der Therapie die man eigentlich will.

So und so geht es darum sich der Angst, dem Problem zu stellen. Und ja, sich auch zu zwingen dahin zu gehen, sich eben kein "schwänzen" zu erlauben.

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Mondmann
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Beitrag Sa., 08.08.2020, 21:11

Und nein, es warten eben nicht an jeder Ecke Therapeuten !!!
An jeder Ecke nicht - aber das wäre für mich kein Grund, zu jemandem zu gehen, der mich dressieren will. Ich sagte ja: "irgendwo wartet einer".
dann ist das für mich einfach nich fair.
Weiß nicht, ob "fair" hier die passende Kategorie ist? Es ist nicht schön und grundsätzlich therapiegefährdend, aber "unfair" hieße ja auch, den Anderen unverhältnismäßig zu benachteiligen, ohne dass der sich wehren könnte - und das sehe ich hier nicht. Das wäre ja auch schlimm, wenn ein Therapeut darunter "leiden" würde, dass jemand absagt.

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bakerygirl
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Beitrag So., 09.08.2020, 22:17

Danke für die ganzen Antworten und Entschuldigung für die späte Antwort, ich bin leider das ganze Wochenende flach gelegen.
Candykills hat geschrieben: Fr., 07.08.2020, 10:51 Ich schließe mich aber den Vorrednern an: du solltest das wirklich ansprechen in der Therapie, weil das ja ein Thema scheint, was öfter auftaucht und du es nicht lösen wirst, in dem du dann immer in die Vermeidung gehst, sondern ihr das mal anschaut und bearbeitet.
Ich habe das ja auch schon mal in der Stunde thematisiert. Dass das für mich die größte Hürde ist. Die Stunde an sich, macht mir nicht so viele Gedanken.
Pianolullaby hat geschrieben: Fr., 07.08.2020, 17:54 Meine würde das so niemals akzeptieren! Das passiert genau 1x, und dann heisst es, wo liegt das Problem, ich habe mögliche 20 Pat. die auf mich warten, passiert das nochmal sprechen wir darüber ob sie eine Therapie wirklich brauchen, insbesondere wegen "so einem Grund". Für sie ist das kein Grund um abzusagen
Nichts für ungut, aber da wäre ich schneller weg von der Therapeutin als man Tschüss sagen könnte.
montagne hat geschrieben: Fr., 07.08.2020, 20:13 Das Problem ist, Vermeidungsverhalten verstärkt sich selbst, wenn man nicht gegensteuern.
Ich verstehe schon, wenn etwas mal "nicht geht". Wenn es jedoch regelmäßig absolut basale Lebensvollzüge, wie vor die Tür gehen betrifft, wirds kritisch.
Das stimmt natürlich und ich versuche es auch immer wieder. Es ist nicht so, dass ich immer nur zuHause war. Ich hatte schon Zeiten, da ging es auch mal abends und sogar mal am Tag wohin zu gehen, mit Freunden was zu trinken. Aber das waren eben meistens Episoden in denen ich gerade am Abnehmen war.
Mondmann hat geschrieben: Sa., 08.08.2020, 09:05 Das Wort "Schwänzen" ist in der Tat interessant, denn letztlich steckt wohl hinter den meisten Schwänzern jemand, der Angst vor Misserfolg hat und diese zu überspielen versucht, indem er das Ganze "hab keinen Bock" nennt.
Hatte überlegt zwischen schwänzen und ausfallen lassen. Aber schlussendlich ist es ja eine Entscheidung die ich getroffen habe, bewusst (zwar in einer heftigen Gefühlslage aber dennoch), deshalb ja, habe ich auch Schuld und habe geschwänzt.
Pianolullaby hat geschrieben: Sa., 08.08.2020, 16:06 Nein, das ist tatsächlich meine Meinung, denn ich habe selbst Dienstleistung betrieben, und wenn jemand einfach nicht kommt, weil er grad "keine Kleidung" findet die passt, dann ist das für mich einfach nich fair.
Also dieser Satz stößt mir schon ganz schön sauer auf. Ich weiß nicht ob das nicht verständlich war aber es geht nicht darum "einfach keine Kleidung gefunden zu haben" weil es nicht elegant genug oder lässig genug ist. Das ist nicht einfach so ein kurzes Drama und gut ist. Ich weiß nicht ob du das kennst, wenn man stundenlang vorm Spiegel steht, einmal den ganzen Kasten durchprobiert und sich in allem so schrecklich fühlt, dass man sich fast übergeben muss und dann heulend am Boden sitzt. Und nein, dass ist keine Übertreibung. Ja ich weiß für manche hört sich das lächerlich an, als ich es nach Jahren endlich mal jemandem aus meinem Umfeld erzählt habe, kam genauso eine Reaktion. Für mich ist das kein banaler Grund, es ist die Hölle.
Natürlich weiß ich, dass ich die Therapie unbedingt brauche und hingehen muss damit ich daran überhaupt arbeiten muss. Es ging letzte Woche einfach nicht und ich habe eben Angst, dass das öfters passiert.

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Beitrag So., 09.08.2020, 22:59

bakerygirl hat geschrieben: So., 09.08.2020, 22:17 Ich weiß nicht ob du das kennst, wenn man stundenlang vorm Spiegel steht, einmal den ganzen Kasten durchprobiert und sich in allem so schrecklich fühlt, dass man sich fast übergeben muss und dann heulend am Boden sitzt. Und nein, dass ist keine Übertreibung.
Für dich ist es schlimm. Punkt. Jeder Mensch hat irgendein Problem, das für irgendjemanden anderen nicht schlimm erscheint. Deshalb ist es aber für diesen trotzdem schlimm.
bakerygirl hat geschrieben: So., 09.08.2020, 22:17 Natürlich weiß ich, dass ich die Therapie unbedingt brauche und hingehen muss damit ich daran überhaupt arbeiten muss. Es ging letzte Woche einfach nicht und ich habe eben Angst, dass das öfters passiert.
Dann solltest du einfach dein Kleiderkasten-Problem zum Therapeuten bringen - sofern du es nochmal zu ihm hinschaffst.
Dass für jemanden mit Essstörung Körpergefühl, Aussehen, Anziehen schwierige Themen sind, sollte einem qualifizierten Therapeuten nicht fremd sein und er sollte daran mit dir arbeiten können.

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stern
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Beitrag Mo., 10.08.2020, 00:06

Therapeuten dürfte die Kleiderauswahl so ziemlich egal ist. Die Frage ist, ob das ein Thema ist, dass sich selbst einschränkt - auch außerhalb der Therapie. Es ist recht offensichtlich, dass die diese Gefühle nichts mit dem Therapeuten zu tun haben. Ich denke, es hat (bei mir) noch manches gefehlt, es tatsächlich zu tun und ist für mich ungewöhnlich, aber mich zog mal eine Äußerlichkeit ziemlich runter, dass ich den Gedanken hatte. Ich erwähnte das beiläufig, worauf sich (unerwartet) ein gutes Gespräch ergab. Unerwartet, weil ich eigentlich gar nicht beabsichtigte, das aufzugreifen... aber ich fühlte mich noch immer sch***.

Kurzum: Therapie macht man ja für sich und was man bespricht. Und ja, ich würde es im Absagefall als bewusste Entscheidung ansehen... Ausnahme medizinische Notfälle o.ä. Man kann sich also auch für Absagen und Nichtbesprechung entscheiden... aber was hat man davon. Und wieso sollte auch ein Therapeut das lächerlich finden.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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(alte Weisheit)

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Sadako
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Beitrag Mo., 10.08.2020, 05:43

Ich habe zu Beginn der Therapie zwei oder dreimal eine Sitzung versäumt, weil ich so heftig mit Dissoziation zu kämpfen hatte, dass ich stunden oder tagelang nicht mehr aufgetaucht bin und zumindest in einem Fall, weil ein Anteil die Therapiezeiten in meinem Kalender geändert hatte und ich dann zur falschen Zeit vor der Praxis stand.
Meine Therapeutin hat mir kein Ausfallhonorar berechnet, aber wir haben geguckt welche Hintergründe dazu führen, dass das passiert und damit gearbeitet und auch konkrete Strategien entwickelt, wie ich so was verhindern kann. Es hat mir gut getan, dass die Therapeutin das so gewertet hat, dass ich für den Moment keine Chance hatte mich anders zu verhalten und das eigentlich fällige Ausfallhonorar nicht in Rechnung gestellt hat.
Da habe ich es zum ersten Mal geschafft, dem Selbsthass und dem Gefühl, dass ich ein Freak bin, etwas entgegen setzen zu können. Es ist danach nie wieder vorgekommen.

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Pianolullaby
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Beitrag Mo., 10.08.2020, 19:13

und was ist das dann für ein Verhalten wenn du die Therapie abbrechen würdest?
Geanu, vermeiden und davon laufen, also nichts was dir irgend etwas bringt.
Das einzige was Dir irgendwann hilft, ist durch dieses Scheiss Gefühl durch, und dahin!!!
und zwar ohne Rücksicht auf Dein Fühlen

Und ja, ich weiss was es heisst
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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