Tod des ehemaligen Therapeuten

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Maika
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Tod des ehemaligen Therapeuten

Beitrag Sa., 16.05.2020, 21:14

Ich war lange nicht mehr hier im Forum, doch heute zog es mich hierher. Wundersamerweise hat das Einloggen noch funktioniert.

Es gab einige Veränderungen in meinem Leben, ich habe auch etwas Rückblick gehalten, einige Menschen gegoogelt, die mir mal wichtig waren und zu denen ich mittlerweile keinen Kontakt mehr habe. Darunter auch mein ehemaliger Analytiker. Falls sich noch jemand erinnert, das war eine Analyse mit ziemlich ungutem Verlauf und Ende.
Ich dachte immer, der wird sicher 90, der wird noch im hohen Alter Patienten empfangen, der wird mich vielleicht noch überleben.

Und nun ist es aber anders gekommen. Nicht mal ein Praxisnachfolger (was ich eher erwartet hätte), sondern auf eine Todesanzeige bin ich gestoßen. Das hat mich doch sehr berührt. Wenn ich ehrlich bin, auch - irgendwo - ein bisschen erleichtert. Ich dachte immer, der hat alles, eine Familie, einen erfüllenden Beruf, Freunde - vieles von dem, was für mich schwer bis unerreichbar schien und zum Teil auch noch scheint. Der hat sein Leben "ganz", und wenn mal eine Analyse schiefläuft, ficht den das auch nicht weiter an oder löst irgendwelche Selbstzweifel aus.

Diese Analyse ist ja mit vielen unlösbaren Konflikten gelaufen und eben auch geendet und mein Leben hat sich in der Zeit in keine gute Richtung entwickelt. Ich dachte immer, der triumphiert mit seinem ganzen Leben über mich, so fühlte es sich an. Und nun fehlt ihm aber doch eine Lebensphase, das hohe Alter. Er ist schon alt geworden, vermutlich sogar Opa geworden, aber doch auch etwas "vor der Zeit" gestorben, also nicht gerade 80 geworden. Und irgendwie - ja. Das Schicksal geht doch manchmal anders, es ist nicht alles so festgemeißelt, wie es mir manchmal scheint.

Merkwürdigerweise starb er im selben Jahr wie mein Vater, nur wenige Wochen später. Und auch mit meinem Vater gab es nie eine Aussprache, nie Verständnis oder eine wirkliche Versöhnung. Schon noch ein letztes Gespräch, wir konnten Abschied nehmen. In all unserem gegenseitigen Unverständnis. Aber er (mein Vater) hat mir keine Last dabei aufgebürdet und mitgegeben, keine Schuld zugewiesen. Auf eine Art und Weise mich damit auch freigegeben. Und ich habe dieses Gespräch gesucht und geführt. So traurig, so ungeklärt und unausgesprochen alles zwischen uns geblieben ist, ein Stück weit hat es mich auf jeden Fall erleichtert und eben auch "freigegeben". Aber nur ein Stück weit.
Der Analytiker hat immer gesagt, ich solle meinem Vater verzeihen, gefragt, wann ich es tue. Ohne Aussprache, ohne gegenseitiges Verstehen. Ich habe das immer als Zumutung empfunden. Und es eben auch nie getan. Vielleicht nach seinem Tod ein Stück losgelassen. Verzeihen aber hätte für mich bedeutet, das zu Negieren was mir geschadet hat. Das habe ich lange getan und das wollte ich nicht mehr.

Komischerweise ging es genau in der Zeit, in der mein Vater starb, beruflich für mich etwas bergauf. Davor hat sehr lange nie etwas geklappt, ich habe mir immer wieder selbst ein Bein gestellt, und genau in der Zeit taten sich plötzlich Türen auf. Mich haben meine Probleme seit ich denken kann beruflich behindert und das war eigentlich das Thema, mit dem ich damals in die Analyse kam. In der Analyse ging es mir immer schlechter und danach auch noch jahrelang. Und genau in dem Jahr, in dem diese beiden Menschen sterben, tun sich für mich Türen auf.

Es fühlt sich ein bisschen an wie ein Triumph. So seltsam das klingen mag. Oder auch eine Befreiung. Dass ich mich nicht festbeißen "darf" in dem, was mir durch und mit anderen Schlechtes passiert ist, dass ich verzeihen soll - da hat sich mir immer alles gesträubt bei solchen Worten. Weil es eben nie eine wirkliche Klärung gab, weder mit meinem Analytiker noch mit meinem Vater.

Und nun hat es einfach das Leben selbst gelöst. Menschen werden geboren, Menschen leben, Menschen sterben, und am Ende kann nur ich selbst wissen, was der richtige Weg für mich ist. Ich habe lange geglaubt, andere könnten das für mich entscheiden oder wüssten es besser, könnten mir sagen was richtig für mich ist, und wenn ich das anders mache und empfinde, mache ich es falsch oder habe nur noch nicht den richtigen Weg gefunden.
Vermutlich ist es doch nicht so. Diese Todesnachricht fühlt sich auch an wie eine kleine Befreiung. So war es auch bei meinem Vater. Vor seinem Tod immer das Gefühl, etwas falsch zu machen, irgendwie doch noch das Gespräch suchen zu müssen (egal wie oft ich damit schon gegen die Wand gefahren war), und bei der Analyse ebenso, immer wieder neue Versuche, etwas zu klären, zu retten.... anstatt zu gehen (was in der Konstellation im Nachhinein betrachtet wohl besser gewesen wäre).

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Thread-EröffnerIn
Maika
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Beitrag Sa., 16.05.2020, 21:16

Nun ist es nicht mehr änderbar und auch die Hoffnung und den Druck, irgendwas klären zu müssen was sich nie klären ließ, davon haben mich diese zwei unabänderlichen Todesfälle befreit. Es wird nie mehr eine Chance geben, irgendetwas zu klären, sich auszusprechen, doch noch zusammenzukommen. Ich muss nie mehr gegen Wände rennen, um das Unmögliche doch noch zu versuchen. Es ist einfach vorbei. Vielleicht auch: Ich darf leben.

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diesoderdas
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Beitrag So., 17.05.2020, 10:02

Das berührt mich gerade... Kann (glaube ich) deine Worte nachvollziehen. Vieles könnte von mir stammen.

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Südländerin
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Beiträge: 198

Beitrag So., 17.05.2020, 13:42

Hallo Maika, dein Text berührt mich auch und es schwingt für mich eine Hoffnung mit bei aller Traurigkeit, ist mein erster Gedanke. Und danke fürs Teilen und wünsche dir, dass du das mit dem Leben wahrmachen kannst :rose:

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GuterGeist2019
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Beiträge: 332

Beitrag So., 17.05.2020, 13:54

Hallo Maika,

ch kann mich nur anschließen. Auch ich finde deinen Text sehr berührend.
Danke fürs Teilen und dir alles Liebe für ein gutes und befreites Leben :heart:

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Barida
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Beitrag So., 17.05.2020, 18:02

Maika hat geschrieben: Sa., 16.05.2020, 21:14 Menschen werden geboren, Menschen leben, Menschen sterben, und am Ende kann nur ich selbst wissen, was der richtige Weg für mich ist.
Das ist so so wahr.
Du kannst nur leben,
wenn du das machst, was du mit deinem Herzen vereinbaren kannst.
Es gibt Sachen, die kann man einfach nicht verzeihen.
Es kann einem auch keiner befehlen, das zu verzeihen. Das verstehe ich.
Und trotzdem kann man loslassen.Das hoffe ich.
Weil man sich lösen muß
von anderen.
Und nach SEINEM Herzen leben.
Man muß es in SEINEM Herzen rein machen. Dazu gehört nicht, das komplette Verzeihen.
Aber dazu gehört das Loslassen.
Ich wünschte, wir hätten alle die Kraft dazu....
:ermm: Wirrwarr oder Konträres in meinen Texten bitte ich zu entschuldigen. Es sind so viele unterschiedliche Meinungen und Ansichten in mir, ich bin noch auf der Suche nach dem GANZEN.

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alatan
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Beitrag Mo., 18.05.2020, 11:29

Maika hat geschrieben: Sa., 16.05.2020, 21:16 Nun ist es nicht mehr änderbar und auch die Hoffnung und den Druck, irgendwas klären zu müssen was sich nie klären ließ, davon haben mich diese zwei unabänderlichen Todesfälle befreit. Es wird nie mehr eine Chance geben, irgendetwas zu klären, sich auszusprechen, doch noch zusammenzukommen. Ich muss nie mehr gegen Wände rennen, um das Unmögliche doch noch zu versuchen. Es ist einfach vorbei. Vielleicht auch: Ich darf leben.
Nunja, nur weil sie tot sind, ändert sich ja dein inneres Problem nicht, das du andeutest, wenn da noch etwas zu klären ist, oder?

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chrysokoll
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Beitrag Mo., 18.05.2020, 11:36

alatan hat geschrieben: Mo., 18.05.2020, 11:29
Nunja, nur weil sie tot sind, ändert sich ja dein inneres Problem nicht, das du andeutest, wenn da noch etwas zu klären ist, oder?
doch, unter Umständen ändert sich da schon etwas.
Man weiss dann einfach: Jetzt ist es endgültig vorbei
Jetzt gibt es keine Möglickeit mehr etwas zu klären, aber eben auch keine innere Forderung mehr das zu tun
Es ist dann endgültig entschieden, und das kann auch erleichtern. Ich kenn das durchaus.

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diesoderdas
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Beitrag Mo., 18.05.2020, 22:52

Das finde ich auch. Es gibt durchaus (die unterschiedlichsten) Situationen , in denen etwas (aus welchen Gründen auch immer) nicht mehr möglich ist. In denen etwas nicht mehr nur sehr unwahrscheinlich, sondern wirklich unmöglich ist.

Habe ich auch schon so erfahren. Dass sich in so Momenten ein Problem (z.B bestimmte Gedanken zu haben oder etwas nicht ruhen lassen zu können) von ganz alleine auflöst.
Weil eben nicht mehr änderbar.

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