Ich soll mich gesund machen, aber gleichzeitig hasse ich mich

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Ich soll mich gesund machen, aber gleichzeitig hasse ich mich

Beitrag So., 08.12.2019, 12:30

Hallo zusammen,
ich hab ein Problem, das mich sehr beschäftigt und wobei ich auf keinen grünen Zweig komme. Kurz und knackig: ich soll/muss was für meine Gesundheit tun und bin aber nebenbei meines Lebens überdrüssig. Dieser Widerspruch bremst mich natürlich aus, denn es würde bedeuten, dass ich Verantwortung für mich übernehme und Selbstfürsorge betreibe - also liebevoll mit mir umgehe.
Wie soll das aber klappen, wenn man sich selbst komplett ablehnt, sich für wertlos hält und sich wünscht, das Leben wäre doch endlich vorbei?
Zum besseren Verständnis: ich trage einiges mit mir rum: Missbrauch ab Kleinkindalter bis etwa 11, dadurch PTBS, Ablehnung, Erniedrigung und seelische Kälte durch die Mutter, Vertrauensbruch durch sie was meinen Erzeuger betraf, Null Selbstbewusstein, Angst- und Panikattacken, Bulimie, Übergewicht, SVV, Depression, einige körperliche Beschwerden und eben jetzt akute Schmerzen und sehr schlechte Blutwerte.
Also einige Baustellen. Trotz zahlreicher Therapien und Medikamenten kein Vorankommen, kein Abhaken eines Problems. Nun sind es bereits Jahrzehnte, in denen ich nur rumwurschtle, aber nichts zum Abschluss bringe. Manchmal geht die Kurve kurz nach oben, nur um dann umso tiefer wieder abzufallen. Ich bin in diesem Leben nur Trittbrettfahrer, nicht ich lebe das Leben, sondern das Leben lebt mich. Ich passe mich an, versuche mitzukommen, aber ich bin außerstande, aktiv und nach meinen Vorstellungen etwas zu schaffen. Die Umstände sind mir immer 10 Schritte voraus und ich hechte hinterher.
Außenstehende bewundern mich, dass ich trotz fehlender Hilfe seitens Verwandtschaft/Freunde so selbstständig bin und nun sogar über den zweiten Bildungsweg einen Beruf nachlerne. Aber es ist kein bewusster Plan, sondern nur ein erzwungenes Anpassen an Umstände um nicht ganz unterzugehen. Andere strampeln um das Ufer zu erreichen, ich strample, um nicht zu ertrinken.
Mit dieser Aussichtlosigkeit und einem Kurz-vorm-Aufgeben-Stehen soll ich jetzt also durchstarten, um meine Gesundheit ins Lot bringen. Ernährungsumstellung, Bewegung. Bei einer Essstörung und Schmerzen. Ich hab immer die Zähne zusammengebissen um die Lage nicht eskalieren zu lassen, aber ich hab keine Kraft mehr. Und niemand ist da, der mich unterstützt oder wenigstens Verständnis hat, ich muss alles mit mir allein ausmachen. Das belastet mich seit einiger Zeit immer mehr, vlt. weil ich älter werde - früher war das eigentlich kein Problem. Nun ist es wiedermal wie immer: ich soll was tun und gleichzeitig bin ich mir das selbst nicht wert. So gehts es weder vor noch zurück und wiedermal trete ich auf der Stelle. Es ist einfach nur mühsam und frustrierend. Ich möchte gerne ein schönes Leben, aber ich selbst denke, das nicht verdient zu haben, was wohl die größte Blockade ist. Positives Denken ist mir fremd, ich bin gebeutelt von meinen negativen Gedanken. Aber etwas funktioniert hervorragend: meine Fassade nach außen. Im Aufrichten von anderen bin ich wirklich gut, nur für mich selbst kann ich nichts tun.
Die Aufgabe meiner Ärztin ist mit einem "positiven Ruck geben" nicht zu erledigen. Sie kennt zwar meine Geschichte, aber ich weiß nicht, ob ihr klar ist, dass ein Mensch, der genug von diesem Dasein hat, die Androhung von Spätfolgen zwar Unbehagen bereitet, aber andererseits nur "Naja, eh schon alles egal" denken lässt.
Meine Frage nun: wie kann ich es schaffen, doch noch die Kurve zu kriegen...und ja, verdammt: genau in dem Augenblick, wo ich das schreibe, denke ich "Wofür?"

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Candykills
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Beitrag So., 08.12.2019, 12:57

Machst du Therapie? und wenn nicht, wieso machst du keine Therapie?
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Joa
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Beitrag So., 08.12.2019, 15:37

Da hänge ich mich mal dran, da ich vor einer ähnlichen Problematik stehe. Gleiches Thema eigentlich. Mal sehen, was noch so für Antworten kommen.

@Crash - tut mir leid, dass du so ein schweres Päckchen zu tragen hast... :-(

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Malia
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Beitrag So., 08.12.2019, 18:24

Ich hab die Erfahrung gemacht (und mach sie immer wieder):
Selbstwert entsteht erst dadurch, dass ich für mich sorge.
Das müssen am Anfang keine großartigen Dinge sein.
Einfach mal etwas anders machen als sonst, z.B. einen kurzen Spaziergang - auch ohne Motivation.
Oder eine kleine Änderung beim Essen und Schlafen, bei der Kontaktaufnahme zu anderen.
(z.B. hier zu schreiben war doch auch ein Akt der Selbstfürsorge?)

Du schreibst davon, dass du etwas tun "sollst".
Wenn du es dir selbst nicht erlauben kannst, gut zu dir zu sein, dann kann eine Anpassung an dieses "Du sollst" eine Art Krücke sein.

Ich habe z.B. ganz am Anfang meiner Therapien lange Zeit nur für die Therapeuten gehandelt und mich so erst einmal in die Lage bringen können, einen eigenen Willen zu entwickeln und Bedürfnisse zu entdecken.
Bei einem gewissen Stande der Selbsterkenntnis und bei sonstigen für die Beobachtung günstigen Begleitumständen wird es regelmäßig geschehen müssen, dass man sich abscheulich findet.
Franz Kafka

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Tupsy71
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Beitrag So., 08.12.2019, 23:13

Hallo Chrash-Kurs, menno, ich finde mich in deinen Zeilen voll wieder. Ich glaub in erster Linie braucht man Kraft und Energie um überhaupt den Kampf mit sich selber aufnehmen zu können.
Ich finde toll, dass du beruflich was auf die Reihe kriegst. Hut ab, ich hab sowas bisher noch nicht hingekriegt. Wenn man voll im Tief ist, nützen alle gut und lieb gemeinten Worte nix. Leider muss man sich selber raus kriegen bzw. mit Hilfe von Thera oder so. Hast du noch Kontakþ zur Ursprungsfamilie? Konntest du den Kontakt abbrechen? Hast du Freunde? Wenn ja, unternimm was mit denen, egal auch wenn du kein Bock drauf hast und das Wichtigste- hilf Anderen Menschen. Tu deinen Mitmenschen was Gutes. Dies kann auch helfen vom Loch sich etwas raus zu ziehen

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Kreativus50
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Beitrag Mo., 09.12.2019, 17:16

Hallo !
Ich kann Deine Verzweiflung sehr gut nachvollziehen. Denke mir, es wäre gut, wenn Du eine kompetente therapeutische
Unterstützung hättest. Und zwar jemanden, der es erstmal mit Dir anschaut und aushält ( containert ) wie schlimm es jetzt ist und wie schlimm das ist, was Dir früher an Gewalt zugefügt wurde. Der erstmal Halt und Trost und stellvertretend für Dich Hoffnung spendet. Und erst dann in ganz kleinen Schritten mit Dir versucht zu entdecken, was speziell Du brauchst um in Dir selbst das zu lernen. Und der ganz viel Input gibt und Vorbild lebt, bis Du etwas entdeckst, was für Dich umsetzbar ist. Ein Thera, der da aushalten, erstmal ganz viel geben kann und will und die nötige Geduld hat für diesen langen und schwierigen Prozess.
Mir scheint, Du sollst jetzt etwas umsetzen, was Dir (noch) nicht zur Verfügung steht, weil Du dies nie lernen durftest.
Ein Thera müsste Dich an dem Punkt abholen.

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Beitrag So., 15.12.2019, 13:05

Danke erstmal für eure verständnisvollen Antworten. Ich trete nach wie vor auf der Stelle. Momentan konzentriere ich mich auf die Prüfungen, dann (so hoffe ich) ist erstmal dieser Berg geschafft. Kann sein, dass ich im ersten Moment sowas wie Stolz empfinden werde, aber ich werde es wie immer in kürzester Zeit schaffen, mir diesen Erfolg mies zu reden. Denn was ist schon ein Lehrabschluss...nix nämlich.
Ja, Therapie wäre dringend nötig. Leider bin ich unter der Woche nicht daheim, bzw ab Jänner nur mehr jedes 2. Wochenende, da die Ausbildung in einem anderen Bundesland noch ein halbes Jahr weitergeht.
Mir fehlt momentan einfach jemand zum reden, der mich versteht und mich unterstützt. In meiner Familie gibt es nur eine einzige Bezugsperson, die leider für meine Lage null Verständnis hat - die aber von meinen Problemen so gut wie nichts weiß, in unserer Familie wurde über Emotionen usw weiter nicht gesprochen, Probleme wurden totgeschwiegen. Mit einem Thera geht das sehr wohl, aber nach etlichen Stunden und auch je 2 Kuren und Klinikaufenthalten bin ich der Meinung, dass es mir außer Ballast abladen nichts bringt. Ich müsste meine ganze Persönlichkeit, meine ganze Sicht aufs Leben ändern und das kann ich nicht. Man kann aus einem Pessimisten keinen Optimisten machen, der alles leicht oder zumindest als willkommene Herausforderung sieht. Meine Ängste haben mich fest im Griff, ich werde nie locker und beschwingt durchs Leben gehen. Immer wieder versucht, nur um dann wieder umso tiefer zu stürzen.
Eigentlich ist es so, dass ich einfach nur mehr müde bin. Ich hätte nichts dagegen, wenn morgen mein Leben vorbei wäre. Ich habe keine Energie mehr, weder psychisch noch physisch.

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Beitrag So., 15.12.2019, 13:08

@tupsy71: du fragst nach der Ursprungsfamilie. Ich habe vor ca. 6 Jahren zumindest einen Halbbruder kennengelernt, durch den Tod unseres gemeinsamen Vaters erfuhr er von meiner Existenz. Rest der Familie wollte keinen Kontakt. Er hat seinen Vater vergöttert und war schockiert, als er von mir als unehelichem Kind erfuhr. Noch dazu, weil der Vater bei meiner Zeugung angeblich etwas "ruppig" war, um es nett ausdrücken. Natürlich kann ich verstehen, dass meine Mutter nicht darüber sprechen wollte, aber ich als Kind habe ein Recht auf meine Geschichte. Aber sie verstand es wunderbar, in mir diffuse Schuldgefühle zu erzeugen, ich hatte immer schon das Gefühl, an irgendetwas Schuld zu sein. Ich war ca 12, als mir meine Geburtsurkunde bei unserer Unordnung daheim in die Hände fiel. Dann war es nicht etwa so, dass mir das alles erklärt wurde, nein, nun war ich schuld, dass ein Familiengeheimnis ans Licht kam. Ich war nicht nur schockiert über die Lüge, ich war auch noch schuldig an...ja, was eigentlich? Diesen Vertrauensbruch konnte ich meiner Mutter nie verzeihen und dementsprechend schlecht war unser Verhältnis bis zu ihrem Tod. Bei jedem Besuch stand dieser stumme Vorwurf im Raum, ich sei etwas Schlechtes, etwas Ungewolltes und schuld an ihrer Misere. Ich habe durch meine ältere Schwester erfahren, dass sie abtreiben wollte, sie erwischte aber nur meinen Zwillingsbruder (sowas geht, ich habs erst auch nicht geglaubt). Dieses Nicht-gewollt-sein, dieses Mich-dürfte-es-gar-nicht-geben schwebt wie eine dunkle Wolke über mir und wie soll ich mich selbst lieben, wenn ich schon vor meiner Geburt falsch war?
In einer Tagesklinik hatte ich eine sehr gute Psychologin, wo ich das alles das erste Mal überhaupt artikulieren konnte. Auch den Missbrauch durch den "lieben Onkel". Leider war es nicht befreiend, sondern es kam alles mit einer Heftigkeit hoch, dass ich glaube, dass man vlt gewisse Dinge doch einfach ruhen lassen sollte. Sie sind passiert und lassen sich ja doch nicht ungeschehen machen. Ich weiß heute, warum ich so verkorkst bin. Aber ich werde bis an mein Lebensende diesen Stein mit mir rumschleppen. Ein Problem an sich wäre vlt mal zu lösen, aber es sind einfach zu viele Baustellen. Ich müsste permanent und jeden Tag in Therapie sein, 50min die Woche sind zu wenig.
Freundschaften habe ich in den letzten Jahren bewusst einschlafen lassen, es waren eigentlich keine Freunde, die ich da hatte. Ich habe mich ausnutzen lassen, da ich für die Probleme anderer immer ein offenes Ohr hatte, ich war nur Mistkübel (zumindest das habe ich abstellen können - heute zieh ich mir nicht mehr jeden Schuh an und kann Stopp sagen). Das was ich jetzt habe, sind lockere Bekanntschaften, aber ich will auch nicht mehr. Freundschaften wollen gepflegt werden und dazu fehlt mir die Energie. Aber ich kann eigentlich ganz gut alleine sein. Dadurch dass ich sehr ruhebedürftig bin, sind mir zu viele Leute schnell zu anstrengend, da geh ich lieber mit einem Hund spazieren. Früher ging ich noch sehr viel in die Berge. Dadurch, dass ich so fett geworden bin und Schmerzen habe, hab ich diesen Ausgleich nicht mehr. Meine Hobbies machen mir keine Freude mehr. Ich hake eigentlich nur mehr Tage ab und frage mich, wann das alles denn vorbei ist.
Dabei soll ich nicht nur gesundheitlich durchstarten, sondern in einem halben Jahr auch noch auf Jobsuche gehen. Gut gelaunt bei Vorstellungsgesprächen erscheinen und vor Motivation grad so übersprühen. Ich muss lachen bei dem Gedanken und bin schon gespannt, wie gut ich mich verstellen kann.
Der Gedanke an Arbeitslosigkeit macht mir ganz nebenbei auch noch große Angst. Ich kann auch bei diesem Thema nicht mehr positiv denken, denn ich sehe die knallharten Fakten: fast 50, keine Büroerfahrung, gesundheitlich angeschlagen. Es war schon so schwierig, nur ein Praktikum zu bekommen. Ich sehe schwarz, aber vermeide es, intensiver drüber nachzudenken.
Ich bedanke mich nochmals für eure Antworten, es tat gut mal ein bisschen was los zu werden. Mal sehen, was die nächsten Monate so bringen.
LG an alle

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Joa
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Beitrag So., 15.12.2019, 19:12

Damn Crash-Kurs, finde mich in so Vielem wieder, fast schon unheimlich. Du sollst jedenfalls wissen, dass du nicht alleine bist mit Gefühlen dieser Art. Auch, wenn dir dieses Wissen vermutlich nur sehr bedingt hilft, will ich es gesagt haben. LG Joa

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Beitrag Do., 26.12.2019, 08:37

Danke dir, Joa! Wie gehst du mit deinen Problemen um, wenn ich fragen darf?

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