Bin ich zu dumm, um das Leben zu meistern?

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Iveta
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Bin ich zu dumm, um das Leben zu meistern?

Beitrag Fr., 07.08.2015, 14:19

Liebe Community,

ich habe mich heute hier angemeldet, weil ich euren Rat brauche.

Ich bin weiblich und fast 42 Jahre alt.
Je älter ich werde, desto mehr verzweifle ich an mir und meinem Leben.
Seit Jahren leide ich unter Depressionen, die ich versuche, mit Antidepressiva zu bekämpfen.
Leider nur mit mäßigem Erfolg. Ich denke auch oft, wie soll sich meine psychische Verfassung verbessern, wenn egal was ich anpacke, alles zum Scheitern verurteilt ist.
Meine Eltern und meine wenigen Bekannten schieben mein Scheitern auf meine Ängste und das mangelnde Selbstvertrauen.
Doch ich hatte ganz oft bei mir den Eindruck, dass ich will, aber nicht so richtig KANN.

Die Misserfolge ziehen sich wie ein roter Faden durch mein Leben.
Bereits in der Kindheit zeigte sich, dass ich mehr Schwierigkeiten hatte als die meisten anderen Kinder.
Meine motorische Entwicklung war sehr verzögert. Ich lernte spät laufen, Radfahren und schwimmen. Aufgrund von Gleichgewichtsstörungen fiel ich oft hin oder stürzte mit dem Rad. Daher fuhr ich noch mit 8 Jahren mit meinem Kettcar durch die Gegend.

Kontaktschwierigkeiten waren seit der frühen Kindheit gegeben.
In fremder Umgebung fiel ich durch Wutanfälle auf, und oft wechselte mein Verhalten von völliger Schüchternheit zu völliger Albernheit.
Ich war immer Außenseiterin. Gleichaltrige konnten mit mir aufgrund meiner Schüchternheit und emotionaler Entwicklungsverzögerung nichts anfangen.
Als 16-jährige war ich emotional auf dem Stand einer 12-jährigen und fand auch eine Freundin in diesem Alter, die ich total bewunderte.

Meine Leistungen waren in der Grundschule noch mittelmäßig, teilweise gut, aber meine Lehrerin riet meinen Eltern zur Hauptschule. Doch die schickten mich aufs Gymnasium, wo ich sehr schnell übefordert war.
Ich hatte eine Rechenschwäche, logisches Denken fiel mir schwer, ich konnte keine komplexen Zusammenhänge erfassen, keine Texte interpretieren.
Sport war wegen meiner motorischen Defizite eine Katastrophe.
Gute Leistungen zeigte ich nur in Latein, wo man nur Vokabeln und die grammatischen Regeln auswendig lernen musste.
Ich machte die mittlere Reife mit einem Notendurchschnitt von 3,6.

Das Berufsleben wurde zur Katastrophe, weil ich ein zu langsames Arbeitstempo und eine zu langsame Auffassungsgabe habe, mich immer nur auf eine Sache konzentrieren kann, schnell abgelenkt bin, Probleme habe, Anweisungen umzusetzen.

Ich machte eine Ausbildung zur Arzthelferin, doch ich war dem Stress nicht gewachsen. Brach auch oft in Tränen aus, wenn einer der Ärzte unfreundlich war oder die Geduld mit mir verlor.
Danach machte ich eine Umschulung zur Bürokauffrau. In dem Betrieb, wo ich die Praxis absolvieren musste, wurde ich gemobbt und sexuell belästigt. Ich fand anschließend Jobs im Büro, doch einmal wurde ich noch in der Probezeit rausgeworfen und ein anderes Mal nach zwei Jahren, als der nette und väterliche Chef in den Ruhestand ging. Seine Nachfolgerin hatte vorher keine Gelegenheit ausgelassen, mich zu schikanieren.
Danach hatte ich noch Nebenjobs an einer Tankstelle und einem Billigladen und arbeitete ein Jahr vom Jobcenter aus bei einem Wohlfahrtsverband.
Ich hatte auch ein paar Putzstellen, aber nur einmal war man wirklich zufrieden mit mir. Dabei putzte ich genauso gründlich, wie ich es in meiner Wohnung tue.
Ich hatte im vorletzten Jahr auch noch mal einen Job im Büro, wo der cholerische Chef mich fast jeden Tag anbrüllte, weil ich ihm zu vergesslich war. Dabei habe ich mir wirklich große Mühe dort gegeben.
Bisher wurde mir überall vermittelt, dass ich für den ersten Arbeitsmarkt nicht geschaffen bin.

Privat sieht es genauso schlecht aus.
Kontakte scheitern regelmäßig nach kurzer Zeit, weil andere sich abgestoßen fühlen von meinem mangelnden Selbstbewusstsein, meiner Unreife, Weltfremdheit und meiner langsamen Art.

Für die ganze Problematik habe ich oft meinen Eltern die Schuld zugeschoben (in meinen Gedanken, gesagt habe ich es ihnen nie), weil sie mich immer abgewertet und sich kaum um mich gekümmert haben.

Doch irgendwann glaubte ich nicht mehr an mangelnde emotionale Zuwendung als einzige Ursache.
Vor ein paar Jahren stieß ich im Internet auf Autismus, genauer gesagt auf das Asperger-Syndrom. Ich erkannte mich in vielen Dingen wieder, nachdem ich mir eine Liste mit meinen Problemen und Defiziten erstellt hatte. Daher ließ ich meinen Verdacht in einer Autismusambulanz einer Uniklinik abklären.
Das Asperger-Syndrom wurde bei mir ausgeschlossen, auch wenn ich viele Symptome zeige. Im Rahmen der Diagnostik wurde auch ein IQ Test gemacht mit dem niederschmetternden Ergebnis, dass ich einen IQ von 86 habe!

Zur Zeit bewerbe ich mich mal hier und mal dort, d.h. auf Inbound-Stellen im Call-Center, einfache Bürojobs oder als Haushaltshilfe bei mobilen Hilfsdiensten.
Doch mein Lebenslauf weist inzwischen so viele Lücken auf, dass ich kaum noch Hoffnung habe, irgendwo wirklich anzukommen.

Könnt ihr mir einen Rat geben, wie es bei mir weitergehen kann?

LG
Iveta

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pandas
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Beitrag Fr., 07.08.2015, 14:33

Liebe Iveta,

wie wäre es, wenn Du Dich mal in einem gemeindepsychiatrischen Zentrum beraten lässt?
Die sind für ambulante Versorgung zuständig und haben für Beratung und weitere Angebote eine Regelförderung, so dass Du dort einfach so hingehen kannst.
Zum einen können die Sozialarbeiter (ev. auch Psychologen) dort einen ganz anderen Blick auf die berufliche Situation werfen (inwiefern es auch Alternativen gebe zum Dauerbewerben in den Niedriglohnbereich wie Zuverdienstsarbeit), zum anderen gibt es dort auch Freizeitgruppen, in denen man womöglich einen anderen Umgang pflegt als Du es bisher in Deinen Sozialkontakten erfahren hast.

Welche Hilfen hast Du denn bisher bekommen, therapeutischer und sonstiger Art (ausser dem Autismus-Test)?
In der Kindheit scheint dies ja versäumt worden zu sein?
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard


ballpoint
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Beitrag Fr., 07.08.2015, 14:44

Mir scheint, mit IQ 86 würde man nicht über einen solchen Wortschatz verfügen, so fehlerfrei formulieren und einen so langen Text bis zum Ende dermaßen lesbar verfassen können.
caute

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Iveta
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Beitrag Fr., 07.08.2015, 14:47

Hallo pandas,

danke für deinen Rat.

In meiner Kindheit hat es einen Ansatz von therapeutischer Hilfe gegeben.
Meiner Klassenlehrerin war aufgefallen, dass ich keinen Zugang zur Klassengemeinschaft fand und sehr introvertiert war. Sie empfahl meinen Eltern den Gang zum Psychologen.
Doch diese Erfahrung war absolut schrecklich für mich. Es fand dort eine Gruppentherapie statt und die anderen Kinder bzw. Teenager lachten über mich, als ich unbeholfen versuchte, über meine Schwierigkeiten zu reden. Ich konnte mich dann nicht mehr öffnen.

Im Erwachsenenalter habe ich es mit einer Verhaltenstherapie versucht, kam aber mit der Therapeutin nicht zurecht und brach das ganze nach einigen Monaten ab.
Außerdem machte ich vor fünf Jahren eine Therapie in einer Tagesklinik, wo ich mich sehr unwohl fühlte, weil mich die anderen Patienten teilweise nicht für voll nahmen.

Ich habe wohl leider ein gewaltiges Problem mit meiner Außenwirkung. Ich werde oft als verpeilt, naiv und hilfsbedürftig wahrgenommen.

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Iveta
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Beitrag Fr., 07.08.2015, 14:50

@ ballpoint

Ich bin sicherlich sprachbegabt, aber was nutzt es mir?
Ich war in meiner Schulzeit nicht einmal in Deutsch besonders gut. Außerdem hätte ich nicht gewusst, was ich beruflich mit dieser Begabung hätte anfangen können.


pandas
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Beitrag Fr., 07.08.2015, 14:58

Dann wünsche ich Dir Mut, es erneut anzugehen, spezifische Hilfen zu erhalten. Therapeutischer Art dann v.a. in Einzeltherapie.

Ich würde Dir weiter raten, Dich an ein gemeindepsychiatrisches Zentrum zu wenden und Dich dort beraten zu lassen.

Ausserdem, wie wäre es, wenn Du Dich weniger auf Kontakt konzentrierst, sondern Dir auch andere Felder suchst, in denen Du Deine positiven Seiten zeigen kannst und Dein Selbstbewusstsein stärken?
Z.b. ehrenamtliche Mitarbeit in einer Stadtteilzeitung ...
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Ambiente
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Beitrag Fr., 07.08.2015, 22:12

ballpoint hat geschrieben:Mir scheint, mit IQ 86 würde man nicht über einen solchen Wortschatz verfügen, so fehlerfrei formulieren und einen so langen Text bis zum Ende dermaßen lesbar verfassen können.
Ein Underachiever...?


pandas
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Beitrag Fr., 07.08.2015, 23:21

Ambiente hat geschrieben:
ballpoint hat geschrieben:Mir scheint, mit IQ 86 würde man nicht über einen solchen Wortschatz verfügen, so fehlerfrei formulieren und einen so langen Text bis zum Ende dermaßen lesbar verfassen können.
Ein Underachiever...?
Nunja, dieser Beitrag überzeugt hingegen nicht durch Wortschatz und Formulierung, Ambiente.
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Alienia
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Beitrag Fr., 07.08.2015, 23:22

Naja, wenn man sich überwiegend darauf konzentriert was man alles nicht kann, was alles schief läuft und schieflaufen kann ... dann geht man eben daran zu Grunde. Irgendwann.

Keiner kommt immer richtig mit seinem Leben klar. Die meisten tun sowieso nur so.

Also ich würde mir mal wirklich realistisch meine Fähigkeiten anschauen ohne diese Abwertungsbrille. Also Dinge, die du kannst und die dir Spaß machen.

Man muss niemandem was beweisen, man muss auch nicht gut in irgendwas sein, man muss gar nichts.

IQ von 86 ... und wer bitte hat dann diesen Text da von dir geschrieben? Naja, davon mal ganz abgesehen ... Meinst du dieser IQ-Test bringt dich jetzt in irgendeiner Form dahin, dass du ein zufriedener Mensch wirst? Mit solchen Sachen sollte man sich nicht aufhalten.

[quote="Iveta"]Ich habe wohl leider ein gewaltiges Problem mit meiner Außenwirkung. Ich werde oft als verpeilt, naiv und hilfsbedürftig wahrgenommen.[/quote

Naja, meistens wird man so wahrgenommen wie man sich selbst sieht...
Es riecht nach Heldentaten und Kerosin
Bären erwürgen, Metall verbiegen
Mehr Kerben im Colt, genug Risse im Riemen
Flanke, Dropkick, aufgestiegen.


ballpoint
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Beitrag Sa., 08.08.2015, 06:51

Iveta hat geschrieben:Gute Leistungen zeigte ich nur in Latein
"Herr Schmidt, Ihre Tochter zeigt so gute Noten in Latein, die gehört nicht aufs Gymnasium..."
caute

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Iveta
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Beitrag Sa., 08.08.2015, 09:13

ballpoint hat geschrieben:
Iveta hat geschrieben:Gute Leistungen zeigte ich nur in Latein
"Herr Schmidt, Ihre Tochter zeigt so gute Noten in Latein, die gehört nicht aufs Gymnasium..."

Hm... das verstehe ich jetzt nicht.
Muss sich ein Schüler zwangsläufig fürs Gymnasium eignen, nur weil er in einem Fach gute Noten hat?

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Iveta
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Beitrag Sa., 08.08.2015, 09:18

@ Alienia

Nein, ich stimme dir nicht in dem Punkt zu, dass man so wahrgenommen wird, wie man sich selbst sieht.
Dass ich etwas naiv wirken könnte im Sinne von sehr gutmütig und vertrauensselig, war mir bewusst.
Doch dass ich verpeilt und vor allem hilfsbedürftig rüberkomme, hätte ich niemals gedacht!


ballpoint
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Beitrag Sa., 08.08.2015, 09:42

Iveta hat geschrieben:Muss sich ein Schüler zwangsläufig fürs Gymnasium eignen, nur weil er in einem Fach gute Noten hat?
Latein ist nicht irgendein Fach, Iveta. Und dumme Lateiner hätten schon seltenheitswert
caute

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Candykills
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Beitrag Sa., 08.08.2015, 09:53

Du klingst nicht nach einem IQ von 86! Und selbst wenn, das Leben ist für viele auch mit solch einem IQ lebenswert zu meistern
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Thread-EröffnerIn
Iveta
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Beitrag Sa., 08.08.2015, 10:10

Ich kann mich leider nur noch als dumm empfinden, denn so manche ehemalige Kollegen haben mir ganz deutlich gesagt, dass sie mich für dumm halten.
Als ich bei dem Wohlfahrtsverband gearbeitet habe und nach meinem Urlaub zurück zur Arbeit kam, sagte ein alter Herr, als er mich sah:"Ach, Klein-Doofi ist auch wieder da!"
Ich musste mich beherrschen, ihn nicht anzuschreien. Denn er hatte überhaupt keinen Grund, mich so abzuwerten.

Solche Erfahrungen prägen einen natürlich. Sie würden jeden Menschen, selbst solche, die über ein gutes Selbstbewusstsein verfügen, runterziehen. Vielleicht nur nicht so anhaltend wie bei mir.

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