Leide ich am Helfersyndrom?

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Christine_Walter
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Leide ich am Helfersyndrom?

Beitrag Mo., 12.11.2012, 12:26

ich bin immer diejenige, die von der freundin angerufen wird: "wie gehts? ich bin auf der geschlossenen, habe tabletten genommen.". immer bin ich es, die sich von einer anderen freundin endlose tiraden über ihre kollegen und den job und die karriere anhören muss - ich muss sogar wissen, wer wo sitzt, wer am meisten krankfeiert etc. ich bins, die von der freundin angerufen und nach fünf minuten gespräch über mein befinden abgewürgt wird ("jetzt möchte ich auch was von mir erzählen" - die nächsten 20 minuten). ich bins, die von der schwester um rat gefragt wird, und frage ich sie, krieg ich die antwort "in deiner haut möchte ich nicht stecken". ich helfe meiner mutter beim umzug und putze bei ihr die abmontierten küchenschränke, obwohl es bei mir daheim auch was zu tun gibt. ich bin diejenige, die sich von den psychisch kranken freunden (bin selbst krank) anhören muss, wer sich wann, wo und womit wie schwer verletzt hat. ich bin es, die gefragt wird: "nimmste mich im auto mit", damit andere sprit sparen, und die dann erfährt: "da fährt noch jemand mit" - die zwei unterhalten sich dann, derweil ich selbst als "der fahrer" ignoriert werde. ich werde um kippen angeschnorrt und kriege auf 15 kippen vielleicht 2 selbst angeboten, spüle nach parties das dreckige geschirr, derweil die anderen fröhlich miteinander ratschen... ich fühle mich benutzt und hasse mein helfersyndrom. was tun?

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Ghost Rider
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 13:31

Liebe Christine,

hmm, ob Du wirklich Helfersyndrom hast oder nicht sollte schon ein Fachmann beurteilen. So weit ich weiß wird das Helfen dann zu einer Art Sucht, oder?
Bei Dir sehe ich das eher anders, ich denke man schätzt dich nicht wirklich. Ich hab das Gefühl man lagert nur seinen Mist bei Dir ab und gut ist's. Ich denke, dass Du Dich eher ausgenutzt fühlst...?
Christine_Walter hat geschrieben:]ich bins, die von der freundin angerufen und nach fünf minuten gespräch über mein befinden abgewürgt wird ("jetzt möchte ich auch was von mir erzählen" - die nächsten 20 minuten).
Ich muss ehrlich sagen, wie kann man nur so egoistisch sein? Es tut mir irgendwie in der Seele weh zu lesen wie sehr Dich die Menschen ausnützen, Dich kwasi als Selbstverständlich betrachten und wie mir auch scheint keinen Respekt vor Dir haben.

Ich denke in Deinem Fall solltest Du klare und deutliche Grenzen setzten. Lass Dich bitte nicht mehr ausnützen. Wie hältst Du das überhaupt so lange aus?
Hast Du auch Menschen in Deiner Umgebung die Dich etwas mehr schätzen? Wo Du Dich auch mal wohl fühlen kannst?

Ich finde das sowas von unfair. Es ist nicht selbstverständlich jemanden zu haben der für einem da ist...

lg Ghost Rider
"You don't kill yourself, stupid; you make revolution." hat Patch Adams zu sich selbst gesagt.
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Eremit
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 13:39

Wenn erstmal der Leidensdruck groß genug ist, stellt sich das meistens von selbst ein, sofern es sich nicht um ein definitives Helfersyndrom handelt. Also fachlich abklären lassen.

Man muß dann nur aufpassen, daß man, aufgrund der aufgestauten Frustration, nicht irgendwann ins andere Extrem fällt.


Vincent
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 13:45

Christine_Walter hat geschrieben:ich fühle mich benutzt und hasse mein helfersyndrom. was tun?
Ich denke nicht, dass du unter einem Helfersyndrom leidest. Aber du scheinst dich nicht so gut abgrenzen zu können; sagen zu können: Bis hierher und nicht weiter!

Ein sogenanntes Helfersydrom impliziert ja Altruismus - eine vermeintlich selbstlose Form der Hilfe und Unterstützung anderer. Ein Sich-selbst-Zurückstellen. Psychologisch gesehen ist man als Helfender aber nicht zwangsläufig selbstlos. Helfen kompensiert nämlich auch. Wer sich selbst nicht helfen und guttun kann (z. B. weil er glaubt, es nicht verdient zu haben), macht eben alles für andere. Das verschafft vorerst Linderung, denn man hat ja 'Gutes' getan. Aber auf der anderen Seite ist das Gefühl, selbst immer zu kurz zu kommen.

Besser, du lernst 'nein' zu sagen, wenn sich bei dir das Gefühl einstellt, zu kurz zu kommen.
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

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Eremit
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 14:02

Vincent hat geschrieben:Ein sogenanntes Helfersydrom impliziert ja Altruismus - eine vermeintlich selbstlose Form der Hilfe und Unterstützung anderer. Ein Sich-selbst-Zurückstellen.
Halt! Helfersyndrom und Altruismus schließen sich gegenseitig aus, das darf man nicht vermischen!
Vincent hat geschrieben:Besser, du lernst 'nein' zu sagen, wenn sich bei dir das Gefühl einstellt, zu kurz zu kommen.
Besser: Nein sagen, BEVOR solche Gefühle noch aufkommen können, also eher rational handeln.


Vincent
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 14:07

Eremit hat geschrieben:Halt! Helfersyndrom und Altruismus schließen sich gegenseitig aus, das darf man nicht vermischen!
Ich denke schon, dass beides sehr eng zusammenhängt. Abgesehen davon gehe ich davon aus, dass es keinen reinen Altruismus gibt. Doch wie man es auch nennt: Mir scheint, Christine gleiche damit ihren Mangel an Selbsthilfefähigkeit aus.
Eremit hat geschrieben:Besser: Nein sagen, BEVOR solche Gefühle noch aufkommen können, also eher rational handeln.
Noch besser!
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Eremit
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 14:29

Vincent hat geschrieben:Ich denke schon, dass beides sehr eng zusammenhängt.
Nein, das Eine ist eine lebensphilosophische Einstellung, das Andere ein Symptomkomplex. Man kann ja auch nicht gleichzeitig introvertiert und Sozialphobiker sein, da aufgrund der Anwesenheit der Störung die vermeintliche Introvertiertheit gar nicht korrekt bewertet werden kann, genauso umgekehrt.
Vincent hat geschrieben:Abgesehen davon gehe ich davon aus, dass es keinen reinen Altruismus gibt.
Reinen Altruismus? Was meinst Du genau damit?


Vincent
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 15:51

Eremit hat geschrieben:Reinen Altruismus? Was meinst Du genau damit?
Reiner Altruismus oder auch nur Altruismus ist wohl mehr als nur eine lebensphilosophische Einstellung. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass Altruismus ein überlebenswichtiger, ganz natürlicher psychologischer Mechanismus ist. Man tut vermeintlich etwas für Andere - aber eigentlich tut man es für sich.

Altruismus an sich, also als eine Selbstbestätigung, sozial zu sein, mag "gesund" sein; das "Helfersyndrom" hingegen mag als pathologischer Symptomkomplex definiert sein. Beides schließt sich meiner Meinung nach aber nicht zwingend aus, sondern erfüllt den selben Zweck - nämlich sich das Gefühl zu verschaffen, von Anderen gebraucht zu werden.
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)


Eremit
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 16:02

Vincent hat geschrieben:Beides schließt sich meiner Meinung nach aber nicht zwingend aus, sondern erfüllt den selben Zweck - nämlich sich das Gefühl zu verschaffen, von Anderen gebraucht zu werden.
In diesem Sinne ist aber ALLES, was wir tun, reiner Selbstzweck. Daraus dann einen Zusammenhang abzuleiten, halte ich für sehr gewaht. Dann kann man gleich alle lebensphilosophischen Einstellungen, Charakterzüge und Störungen in einen gemeinsamen Topf werfen!

Der wichtigste Unterschied zwischen Helfersyndrom und Altruismus ist der ZWANG. Mit Helfersyndrom MUSS man immer weitermachen, selbst, wenn das bedeutet, daß man sich und seinem "Opfer" sogar Schaden zufügt. Ein altruistischer Mensch hat dagegen die Wahl, die Freiwilligkeit ist der Kern des Altruismus!

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hawi
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 17:10

Hallo Christine,

ganz genau kann dir diese Frage wohl nur ein Experte beantworten.
Für mich klingt das, was du schreibst, aber eher nicht danach, dass du dies Syndrom hast.
Du lässt dich zwar ausnutzen, sagst zu spät oder gar nicht Stopp. Aber dich selber drängt es ja anscheinend nicht so sehr, du wirst eher dazu gebracht zu helfen, während jemand mit Helfersydrom „freiwillig“ hilft, ja manchmal sogar andern seine Hilfe aufdrängt, ohne dass unbedingt Anlass besteht, ohne dass er vor allem drum gebeten wird. Helfen als „Zwangshandlung“, das sehe ich bei dir nicht, meine aber (wie auch Eremit ja schon schreibt), es würde zum Helfersydrom dazu gehören.

Ghost Rider schrieb ja schon die Empfehlung, früher Abgrenzung zu versuchen.
Und vielleicht hilft - vor allem gegen den Frust über die Einseitigkeit ja auch, wenn du dann mal umgekehrt andere einspannst, andere bittest dir zu helfen. Wie gut oder schlecht du das kannst, dazu steht hier grad nichts, ein wenig davon könnte aber ganz nützlich sein, denke ich.

LG hawi
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Christine_Walter
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 20:29

naja, ich bin halt so erzogen. immer für andere da sein, egal was ICH will. schon als kind mit den kindern des besuchs spielen, auf die ich keinen bock hatte. meine süßigkeiten mit denen teilen, die mich selbst immer zugucken lassen. zb. meine eltenr waren auch zu anderen kindern immer netter als zu uns. habe so schnell gerafft, dass andere eben mehr wert sind als ich. wir mussten rücksicht nehmen - nahm auf uns keiner welche, war es pech. wir mussten uns gefälligst vertragen - auch wenn ein besuchskind uns gerade beklaut hatte. das mittagessen x-mal unterbrechen und in den keller rennen, weil papas sechsjähriger tischgast erst was trinken will, dann lieber limo als wasser, dann nach ketchup fragt und zuletzt nach einer serviette. als teenager das gleiche. da hieß es immer anpassen - aber wie passt man sich an, wenn man die einzige mit (auch noch defekter) noname-kleidung ist, die einzige mit pickeln (weil man kein geld hat für pickelzeug), sich nie nach der schule im schwimmbad treffen darf oder hingehen wo die anderen auch hingehen? nicht über die angesagte musik oder die filme mitreden kann, weil man mit 15 noch nie im kino war und sich die angesagte musik schlicht nicht leisten konnte?
als erwachsene frau dasselbe in grün - glaubte mir keiner, dass ich schlicht nicht zu hause war, wenn ich die tür nicht öffnete und mein auto vor der tür stand (auch wenn ich zu fuß weg war). mal ein familientreffen absagen wegen migräne? glaubte mir auch keiner.
ach...
meine mutter das gleiche: kam eine freundin auf übernachtungsbesuch, gabs abendbrot (das wir sonst nie kriegten, weil wir uns selbst was machen konnten), dann wurde den kindern gute nacht gesagt, dann war mama nüchtern, zumindest solange bis die freundin wieder weg war...

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bittermint
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 22:21

hallo christine_walter,
mir kommt es so vor, als würdest du an dem syndrom: "ich bin viel zu gut für alle und alle sind so gemein zu mir im gegenzug" leiden - vielleicht fühlst du dich in deinem selbstmitleid, dass du dich so sehr benutzen fühlst irgendwie besser, weil du dann die anderen als die fiesen nutznießer bezeichnen kannst und dich als die arme immer leidende. wenn du den kreislauf durchbrichst, muss du eben auch damit rechnen, dass du mehr anecken wirst.

es tut mir leid, wenn die worte hart sind, aber irgendwie ist es mir deine schilderung arg einseitig und dadurch auch wieder sehr einleuchtend (hinsichtlich meiner vielleicht einseitigen interpretation).
du hast die wahl, wie du dich verhälst. die menschen verhalten sich gegenüber dir so, wie du es zulässt, dass sie sich verhalten. klar, die familie kann man sich nicht aussuschen. aber wenn du sonst anscheinend nur mit idioten zusammenbist - warum? brauchst dir ja nicht anzutun. freundschaften kann man beenden.

lg bittermint

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(V)
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Beitrag Mo., 12.11.2012, 23:16

Christine_Walter hat geschrieben:naja, ich bin halt so erzogen. immer für andere da sein, egal was ICH will.
Meiner Laienmeinung nach ein recht eindeutiges Indiz dafür, dass es sich NICHT um das Helfersyndrom handelt, denn diese Menschen WOLLEN es auch, sogar ganz unbedingt, sie WOLLEN helfen, koste es was es wolle, sind nicht zu bremsen, suchen sich EXTRA ein entsprechendes Umfeld, sogar wenn Betroffene unter der manchmal sogar aufgenötigten Hilfe mehr Schaden als Nutzen davon tragen.

Wenn man sich hingegen GEGEN seinen Willen ausnutzen lässt, fällt das mE in eine andere Kategorie.

Und ja, man kann sich das ÜBER-angepassten Verhalten abtrainiere, aber nur, wenn an sich wirklich die Vor- und Nachteile eingesteht, v.a. den verstecken Krankheitsheitsgewinn. Beispielsweise, es wurde hier schon erwähnt, dass Menschen, die auch mal Grenzen setzn, den Preis zahlen, dass sie manchmal bis öfters anecken.

Ich glaube allerdings nicht, es "nur" an der Erziehung läge. Erziehung lässt sich relativ leicht durchbrechen, insbesondere in der Puberät wird natrgemäß dagegen rebelliert und eigene Werte gesucht. Viel eher ist es die Suche nach Anerkennung reps. die Angst vor Ablehnung durch die Eltern, derer man wie eine Phantom im Erwachsenenalter noch hinterherrennt. Kurzum: Ich glaube, du hast schlichtweg Angst vor Ablehnung, und deswegen hast du das Programm deiner Kindheit nie durchbrechen können.

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Christine_Walter
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Beitrag Di., 13.11.2012, 14:31

nein, das ist kein selbstmitleid. ganz ehrlich. es ist mitleid mit den anderen und später die wut. erst bedauere ich den hartz-IV-empfänger, der keine kippen kaufen kann und geb ihm eine - nimmt er sich gleich zwei, werde ich innerlich stocksauer. ich habe verständnis für den, der kein auto besitzt - lässt er sich von mir durch die gegend kutschieren und fordert dies sogar, werde ich später voll aggressiv auf ihn (und auf mich). meine thera sagt ich sei eine "mutter theresa"...

ich glaube, es kann sehr wohl auch eine angst vor ablehnung sein. diese angst habe ich eigentlich immer.

ich meine nicht, dass ich versuche, mir zuneigung zu "erkaufen" (zuhören, fahrdienste, kreditinstitut, kippenautomat etc.), aber ich möchte einfach, dass es allen gut geht. dass manche anderen aber dann statt den kleinen finger gleich die ganze hand an sich reissen, regt mich tierisch auf.


Eremit
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Beitrag Di., 13.11.2012, 15:28

Gothika hat geschrieben:Erziehung lässt sich relativ leicht durchbrechen (...)
Ähm, RÄUSPER, wie war das noch schnell mit der anerzogenen Harmoniesucht bei Frauen?

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