Wieviele Trauma gehören zum Leben dazu?

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abendrot79
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Wieviele Trauma gehören zum Leben dazu?

Beitrag So., 11.12.2011, 20:53

Hallo,

ich bin gerade sehr nachdenklich, was mein bisheriges Leben betrifft. Ich hatte immer schon das Gefühl, dass in den letzten 32 Jahren eigentlich mehr (traumatische / belastendende) Dinge passiert sind, als in ein „normales Leben" reingehören. Es war auch immermal der Wunsch bzw. der Gedanke da, dass ich gerne darüber reden möchte (auf professioneller Bass), aber ansich habe ich mich nie krank genug für eine Therapie gefühlt. Die meiste Zeit meines Lebens war ich fest davon überzeugt, dass jedes normale Leben so abläuft. Bis auf wenige Ausnahmen hatte ich nie den Gedanken, dass mit meinem Leben etwas nicht stimmen könnte. Ja, es war verdammt viel los, ein Erlebnis wurde vom Nächsten abgelöst, zum verarbeiten war da kaum Zeit (und dank eines traumatischen Trennungserlebnisses in der frühen Kindheit und einer damit verbundenen Unfähigkeit Emotionen wahrzunehmen / zu zu lassen auch gar nicht möglich), aber ich wäre auch nie auf die Idee gekommen etwas verarbeiten zu müssen. Ich glaubte ja, das wäre das Leben, jeder erlebt es so. Dies alles würde dazu gehören.

Jetzt mache ich seit Sommer diesen Jahres eine Therapie, aber vordergründlich nicht aufgrund der letzten 32 Jahre meines Lebens, sondern „nur“ weil ich vor knapp sieben Jahren aufgrund eines neuen traumatischen Erlebnisses eine Angststörung entwickelt habe und diese mittlerweile mein Leben mehr oder weniger stark einschränkt. Natürlich kam es wie es kommen musste und die Angststörung ist zwar Thema in der Therapie, aber all´ die anderen Baustellen suchen sich einen Weg nach draussen und ich werde z.Zt. regelrecht erschlagen von dem ganzen alten Kram . Und so langsam dämmert es mir, dass meine Vergangenheit scheinbar doch nicht so 08/15 ist wie ich immer dachte. Ich habe meiner Thera damals im Erstgespräch nur wenige Erlebnisse erzählt und sie sagte schon „da wäre aber einiges zusammen gekommen“. Jetzt habe ich aktuell vier weitere Geschichten im Kopf die mich so belasten, dass ich sie gerne in der nächsten Stunde alle auf einmal loswerden will .

Ich frage mich in den letzten Wochen immer wieder, wie sieht eigentlich ein nicht-traumatisches Leben aus? Dank meiner Unfähigkeit Emotionen wahrzunehmen, neige ich zwischendurch weiterhin dazu, mein Leben als normal zu betrachten, gar keinen Grund für eine Aufarbeitung zu sehen (abgesehen von den körperlichen Symptomen und der Angststörung, sehr widersprüchlich, ich weiss ).

Wem geht es noch so? Ich will gar nicht sagen dass es bei all´ den Geschichten um ein Trauma handelt, aber ich denke, jede der Geschichten hat etwas „zurückgelassen“ .... zählt das schon als Trauma? Oder zählt die Masse des Erlebten als Trauma?

Eigentlich weiss ich gar nicht was ich mir von euch erwarte ... aber ich bin hin und hergerissen zwischen dem Gefühl, es ist doch alles in Ordnung, in deinem Leben war einfach nur viel los und dem Gefühl, wie viel muss noch kommen, damit ich mein „Soll“ endlich erfüllt habe und endlich in Ruhe weiterleben darf?

Liebe Grüsse,
abendrot79
Weil Kakao an Bäumen wächst, ist Schokolade irgendwie auch Obst! (gelesen auf einem Frühstücksbrettchen)

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*Miri*
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Beitrag So., 11.12.2011, 21:04

Liebe abendrot,
hm.. Thema mit dem ich mich auch schon öfter beschäftigt habe. Mein Thera weiß ziemlich wenig aus meinem Leben.. weil ich z.B. der Meinung bin, das zwar in meiner Vergangenheit nicht alles optimal war.. aber rein gar nichts was ich als erwähnenswert einstufen würde.
Ich meine mir ist klar, das meine heutigen Probleme irgendwo herkommen müssen. Trotzdem sehe ich mein Leben zu gerne als normal. Nichts was ich eben erwähnenswert werten kann.

Aber egal ob nun Trauma oder nicht Trauma, oder was auch immer... wenn es einem beschäftigt und belastet dann hat es seinen Platz in der Therapie. Und letztendlich sind wir Menschen auch alle unterschiedlich.. und gehen mit verschiedenen Situationen unterschiedlich um. Was, das dem einen gar nicht auffällt, belastet den nächsten langfristig.

Aber ich verstehe deine Gedanken gut.

Liebe Grüße

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abendrot79
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Beitrag So., 11.12.2011, 21:28

*Miri* hat geschrieben:Was, das dem einen gar nicht auffällt, belastet den nächsten langfristig.
Ich befürchte, dass mindestens die Hälfte meiner Geschichten in die Schublade "das muss langfristig belasten" fallen, der Rest wahrscheinlich "nur" weil die Grundstabilität eh schon reichlich angeschlagen war / ist. Aber wie kann ich lernen, mein Leben eben nicht als normal zu betrachten? Mein Verstand ist so ehrlich und klug zu erkennen, dass bereits die erste Kindheitserinnerung die ich habe, Grund genug für eine Therapie wäre und letztendlich der Grundstein für vieles Weitere ist. Aber wie kann ich das fühlen und annehmen? Ich geht nicht darum schlafende Geister zu wecken, aber mein Verstand weiss mittlerweile, dass alles was nach dieser ersten Kindheitserinnerung kam, Stoff genug für einen Besteller wäre. Mein Verstand ist dazu bereit diesen Dingen Raum in der Therapie zu geben, aber "der Rest" zweifelt noch. Der Rest versucht mir vorzumachen, dass ich doch ein ganz normales Leben führe, dessen Inhalt doch nur Therapie-Zeit verplempern würde ....

Mein Verstand und "der Rest" sind zwei alte Böcke, die sich weigern miteinander zu kommunizieren ....
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Innere_Freiheit
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Beitrag So., 11.12.2011, 22:30

Hallo abendrot79,
abendrot79 hat geschrieben:Ich befürchte, dass mindestens die Hälfte meiner Geschichten in die Schublade "das muss langfristig belasten" fallen,
die eine Person wurde vielleicht durch ein Kindheits-Ereignis belastend, die andere Person wird durch genau dasselbe Ereignis überhaupt nicht belastet.
Dafür belastet den zweiten Person vielleicht ein ganz anderes Kindheitsereignis, welches der ersten Person überhaupt nichts ausmachen würde.

Meiner Ansicht nach sollte man nicht von der Vergangenheit her auf sein Leben schauen - denn da kann man sich auch viele Probleme einreden, die überhaupt nicht vorhanden sind. (Und das wäre doch schade - oder?)

Ich gehe daher stets nur umgekehrt vor:
Ich schaue auf die Gegenwart.
In welchen Lebenslagen bin ich in der Gegenwart eingeschränkt?
Was belastet mich JETZT?
Ist meine Kraft, meine Lebenskraft, meine Lebendigkeit, meine Fähigkeit, mich zu öffnen, meine Fähigkeit zu lieben im alltäglichen Leben eingeschränkt?

Wenn ich solche Probleme finde, dann ist es hilfreich und heilsam, eben genau diese Punkte zu bearbeiten und zu heilen.
Dann, und nur dann, kann es auch sinnvoll sein, in die Vergangenheit zu schauen..... zu schauen wo und wie diese gegenwärtigen Einschränkungen entstanden sind....

Alles Andere ist in meinen Augen Zeitverschwendung.....
oder noch viel schlimmer: Ein Herbei-Denken von Problemen, wo eigentlich gar keine vorhanden wären.

Einen lieben Gruß

Innere Freiheit
Das was ich ablehne, bleibt an mir kleben!

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Ratlosigkeit
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Beitrag Mo., 12.12.2011, 07:48

abendrot79 hat geschrieben: Aber wie kann ich lernen, mein Leben eben nicht als normal zu betrachten?
Warum willst Du das?
Was ist denn bitte ein "normales Leben"?
Traumata sind solche, wenn sie belasten, Leidensdruck erzeugen. Dann ist ein Therapie sicher nicht verkehrt. Wenn kein Leidensdruck da ist - und das scheint bei Dir der Fall zu sein - dann gratulier Dir doch - Du hast Deine Erlebnisse gut verarbeitet, Therapie darum überflüssig.
Alles ist gut, wenn es aus Schokolade ist.

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abendrot79
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Beitrag Mo., 12.12.2011, 20:31

Innere_Freiheit hat geschrieben:Ich schaue auf die Gegenwart. In welchen Lebenslagen bin ich in der Gegenwart eingeschränkt? Was belastet mich JETZT? Ist meine Kraft, meine Lebenskraft, meine Lebendigkeit, meine Fähigkeit, mich zu öffnen, meine Fähigkeit zu lieben im alltäglichen Leben eingeschränkt?
Hm, mir fällt es unheimlich schwer zu beschreiben mit welchem Problem ich ich gerade rumquäle. Also generell will ich überhaupt keine schlafenden Hunde wecken oder alte Geschichten aufwühlen die längst vergessen sind, aber genau diese Fragen die du oben stellst, beantworte ich seit einiger Zeit ohne mit der Wimper zu zucken mit JA. Ich weiss genau in welchen Lebenslagen ich nicht mehr zurecht komme, dass es kräftemässig echt übel aussieht und mein Akku ähnlich wie ein kaputter Akku sich einfach nicht mehr auflädt etc. Und ich sehe den Grund dafür, in all´ den nicht verarbeiteten Geschichten, die ich immer konsequent verdrängt habe, weil ich sie als normal angesehen habe. Und jetzt läuft das Fass über und diese ganzen alten Geschichten drängen sich in den Vordergrund. Deswegen befürchte ich eben, dass ich nicht verarbeitet sind, sondern bisher nur erfolgreich verdrängt. Aber es ist für mich eine vollkommen neue Sichtweise, dass dieses scheinbar normale Leben in dem es nur etwas holprig zuging, gar nicht so normal war. Dass eben nicht jedes Leben so aussieht und es da gewissen Klärungsbedarf gibt. Die körperlichen Symptome sprechen für sich ...
Innere_Freiheit hat geschrieben:Dann, und nur dann, kann es auch sinnvoll sein, in die Vergangenheit zu schauen..... zu schauen wo und wie diese gegenwärtigen Einschränkungen entstanden sind....
Genau dass machen wir gerade Schritt für Schritt in der Therapie und mir surrt der Kopf, weil eben plötzlich so viele alte, vergessene Sachen "hochkommen" und ich Gefühle spüre, die ich vor etlichen Jahren hätte spüren müssen ... anstatt sie zu verdrängen. Ich fühle mich z.Zt. von meiner eigenen Vergangenheit überrumpelt, da ich eben imemr dachte, es wäre vollkommen normal dass eine Katastrophe die Nächste jagdt.
Ratlosigkeit hat geschrieben:Traumata sind solche, wenn sie belasten, Leidensdruck erzeugen. Dann ist ein Therapie sicher nicht verkehrt. Wenn kein Leidensdruck da ist - und das scheint bei Dir der Fall zu sein - dann gratulier Dir doch - Du hast Deine Erlebnisse gut verarbeitet, Therapie darum überflüssig.
Ich glaube da habe ich mich falsch ausgedrückt, denn ich habe eine Therapie begonnen, weil sich die verdrängten bzw. nicht wahrgenommen Emotionen der nicht verabeiteten Geschenisse nun über körperliche Symptome ein Ventil nach draussen suchen. Und genau von dem ganzen alten Mist der nun hochkommt, fühle ich mich erschlagen. Mir spuken parallel mehrere alte Geschichten im Kopf rum, es fühlt sich plötzlich an, als wäre alles erst gestern gewesen. Ich glaube nicht dass ich je irgendetwas verarbeitet habe, eher verdrängt .... mir fällt es halt nur so schwer zu akzeptieren, dass es scheinbar jetzt an der Zeit ist "etwas aufzuräumen". Zwischendurch denke ich immer wieder, es ist doch nichts unnormales passiert ... bis mich meine körperlichen Symptome wieder daran erinnern, dass es da etliche unbeachtete Baustellen gibt.
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mitsuko
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Beitrag Mo., 12.12.2011, 21:52

Hallo abendrot,

ich kann dich sehr gut verstehen. Auch den Wunsch zu sagen, es war alles nicht so schlimm, um nicht fühlen zu müssen wie schlimm es eben doch war. wenn es dir zu viel ist, dann versuch doch eine Pause einzulegen. Oder zum Beispiel zu sagen, ja da sind diese vielen Erinnerungen, aber ein paar stell ich jetzt hinten an und betrachte eine Zeitlang nur eine einzige bis ich bereit bin für noch eine. Meinst du das geht?
Du musst nicht alles als ganz normal oder nicht so tragisch einschätzen, wo du ja ganz genau spürst, dass es nicht ganz normal und sehr wohl tragisch war. Im Grunde tust du dir so viel Gewalt an, wenn du immer wieder darauf beharrst, dass alles ja ganz normal war.

Lg
mitsuko

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abendrot79
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Beitrag Di., 13.12.2011, 22:05

mitsuko hat geschrieben:Auch den Wunsch zu sagen, es war alles nicht so schlimm, um nicht fühlen zu müssen wie schlimm es eben doch war.
Danke für deine Worte, ich glaube genau das ist es. Also das Leugnen um nicht fühlen zu müssen. Ich denke ich leugne gar nicht die Ereignisse, sondern eher die Gefühle
mitsuko hat geschrieben:Oder zum Beispiel zu sagen, ja da sind diese vielen Erinnerungen, aber ein paar stell ich jetzt hinten an und betrachte eine Zeitlang nur eine einzige bis ich bereit bin für noch eine. Meinst du das geht?
Ich versuche es, aber so richtig will es nicht klappen. Mich überschwemmt seit einiger Zeit eine regelrechte Welle der ganzen Ereignisse ... alle auf einmal kommen hoch, schiessen kreuz und quer durch meinen Kopf und wollen "raus". Ich werde das die Tage mit meiner Thera besprechen, denn ich brauche einen Weg um damit umzugehen bzw. eine starke Stütze, dass ich diese Bilder und Erinnerungen haben darf, dass die Gefühle die mich überschwemmen eine Daseins-Berechtigung haben.
mitsuko hat geschrieben:Im Grunde tust du dir so viel Gewalt an, wenn du immer wieder darauf beharrst, dass alles ja ganz normal war.
Das sitzt .... es ist hart aber wahr
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Innere_Freiheit
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Beitrag Mi., 14.12.2011, 00:25

Hallo abendrot79,

meine Meinung hierzu ist:
Es ist "normal", dass in der Kindheit schlimme und traumaauslösende Ereignisse stattfanden. Das geht / ging (fast) jedem so.
Also von daher gesehen hast du recht, dass es "normal" ist.
abendrot79 hat geschrieben:Ich denke ich leugne gar nicht die Ereignisse, sondern eher die Gefühle
Andererseits ist es für die Lebensqualität sehr wichtig
die Gefühle die jetzt in der Gegenwart da sind
zu bearbeitet und "zu Ende zu fühlen".... und somit mehr und mehr in Richtung Heilung zu gehen!


Innere Freiheit
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mitsuko
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Beitrag Mi., 14.12.2011, 15:38

abendrot79 hat geschrieben: Das sitzt .... es ist hart aber wahr

Sorry, ich wollte damit gar nicht irgendwas reinsetzen oder so.

Ich denke, es gibt diesen Zwiespalt eben, dass man ja eigentlich doch auch sich wünscht, dass diese schlimmen Dinge, die passiert sind, endlich wahrgenommen werden, anerkannt werden, denn früher wurde dir ja wahrscheinlich auch in irgendeiner Weise signalisiert, alles sei doch in Ordnung, halb so wild. Also so war das in gewisser Form zumindest bei mir und ich habe den Eidnruck, dass es häufig so läuft. Das ist eine Ungerechtigkeit, die irgendwie für einen Betroffenen unerträglich ist und ja wirklich sehr oft dazu führt, dass man diese verharmlosende Sicht selbst auch übernimmt. Wie arm und schrecklich verlassen und hilflos wäre man denn dran, wenn einem ganz schlimme Dinge passieren und das ist einfach so ok und keiner nimmt sich einem an oder schützt einen in der Zukunft, als wäre man das nicht wert? Ich glaube, dass das oft nochmal so schlimm ist wie ein traumatisches Ereignis alleine, dass nicht alle aufschreien und nicht alle nach einem schauen, sondern eher noch viele gerade wegschauen. Da mag man es lieber selbst auch so sehen, dass alles schon nicht so schlimm war, denn dann ist man wenigstens nicht so alleine. Man teilt die allgemeine Sicht. In der Situation geht teilweise vielleicht eine andere Sicht gar nicht.

Später kann man schauen, wann es geht und wie. Ich bin selbst der Überzeugung, dass letztendlich das Wegsehen das Schlimme für mich ist, nicht das Hinsehen. Ich stimme da auch Innere_Freiheit nicht zu, immer im Hier und Jetzt zu bleiben, denn für mich war es so, dass manche Dinge, die ewig verschwiegen wurden, von anderen, aber vor allem von einem selbst, irgendwann unbedingt gesehen und genannt werden mussten. Ich merke, dass es mich befreit hat manches zu sehen, bei anderem kann ich das immer noch nicht. Und ich merke, dass genau das mich bis zur Unbeweglichkeit lähmen kann - nicht in die Vergangenheit blicken, sondern schön immer nach vorne gucken. Aber manchmal geht es auch nicht anders, dann bin ich lieber reglos, als mich den Erinnerungen zu stellen. Ich denke, man muss halt einen Weg finden, es abzuwägen, was man verkraften kann und wann besser nicht. Leider sehr schwierig.

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abendrot79
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Beitrag Mi., 14.12.2011, 22:22

Innere_Freiheit hat geschrieben:Andererseits ist es für die Lebensqualität sehr wichtig die Gefühle die jetzt in der Gegenwart da sind zu bearbeitet und "zu Ende zu fühlen".... und somit mehr und mehr in Richtung Heilung zu gehen!
Das finde ich einen sehr guten Gedanken, dass die Gefühle zu Ende gefühlt werden müssen und ich denke dass ich heute den Anfang dazu gemacht habe. Eines der alten Themen die mich gerade sehr belasten, habe ich in der Therapie angesprochen und plötzlich nahmen die Gedanken einen ganz anderen Weg als wenn ich alleine zu Hause immer und immer wieder darüber nachdenke (und überlege, ob es das Thema überhaupt wert ist darüber nach zu denken ). Alleine zu Hause lande ich immer in einer "gedanklichen Sackgasse" und komme da nicht wieder raus . Ich stecke dann fest und komme nicht weiter ... in der Therapie half mir meine Thera dabei, an der Sackgasse "vorbei zu denken" und stattdessen einen anderen Weg einzuschlagen.

Ich muss sagen dass mir die Stunde sehr gut getan hat, die Empathie zu spüren und das hin und wieder sehr erschrockene Gesicht der Thera tat mir gut. Es gab mir das Gefühl, dass mein Bauchgefühl stimmt. Dass da eben was ist, was nicht "normal" ist und eben für mich noch nicht "zu Ende gefühlt ist". Ich fühlte mich sehr gut aufgehoben und wir haben viel darüber gesprochen, dass es sich bei dem Erlebnis nicht für immer um ein tramatisches Erlebnis handeln muss. Dass es auch irgendwann "nur noch" eine Erinnerung sein wird - sofern ich jetzt etwas dafür tue. Ich glaube diese Stunde hat sehr viel dazu beigetragen, dass ich auch bereit bin, die anderen neu hochgekommenen Erinnerungen nochmal zu bearbeiten (natürlich nach und nach und je nach Kraft, ich glaube ich werde viel Zeit brauchen, aber es wird sich auszahlen!).

DANKE für eure Gedanken! Sie haben sich mit der heutigen ganz tollen Stunde überschnitten und zeigen mir, dass viel Wahres dabei war / ist.
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