Angst vorm Verrückt werden

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.
Benutzeravatar

Selene
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 37
Beiträge: 396

Beitrag Mo., 09.09.2013, 17:41

Hallo none,

ich versuche mal, Dir zu antworten, wenn ich jetzt leider auch keine Patentlösung habe. Aber ich kann vieles von dem, was Du schreibst, gut nachvollziehen, in vielem erkenne ich mich wieder, wenn es bei mir vielleicht auch nicht so ausgeprägt war und ist.

Jedenfalls denke ich, dass quasi alles, was Du beschrieben hast, vom disziplinierten Doppelstudium bis zum selbstverletzenden Verhalten Erscheinungsform eines Grundproblems ist, wobei soziale Ängste nur eine Folge davon sind. Und dass Du in Deiner Schilderung eigentlich alles schon selbst analysiert hast, indem Du das alles im Zusammenhang erwähnst. Jedenfalls finde ich alle Informationen sehr relevant. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Grundproblem schlichtweg ist, besonders sensibel zu sein und darauf mit einer Strategie aus Selbstkontrolle reagiert zu haben. Für die man dann einen hohen Preis zahlen muss bis hin zu Ängsten und "Beziehungsunfähigkeit".

Ursachen dafür könnten, wie so oft, in der Kindheit liegen. Es gibt von Alice Miller ein Buch, "Das Drama des begabten Kindes", da geht es, wenn ich das mal in meinen Worten vereinfacht wiedergeben darf, darum, dass sensible Kinder besonders geschickt sind, die Erwartungen der Erwachsenen, auch die subtil geäußerten, wahrzunehmen und dann darauf mit "Wohlverhalten" reagieren, das sie aber nur zeigen, weil sie merken, dass das erwünscht ist, gewollt hätten sie eigentlich etwas Anderes. Aber tatsächlich, das von den Erwachsenen gewünschte Verhalten wird dann gelobt und je besser das Kind das beherrscht, desto mehr denkt es, dass es eigentlich so, wie es "wirklich" ist, nicht liebenswert ist, sondern nur, wenn es Erwartungen erfüllt, Leistung bringt, sich anpasst usw. und wird sozusagen Opfer seines eigenen Erfolges. Das "Erfolgsrezept" wird dann weiter angewandt, man bleibt auch erfolgreich, aber im Inneren ist immer eine Unsicherheit, man glaubt, sich immer selbst kontrollieren, beobachten zu müssen, damit alles passt.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass gute Freundschaften und Liebesbeziehungen dann späterhin eine sehr heilsame Wirkung haben können. Indem man einfach die Erfahrung macht, dass "unverständlicherweise" andere einen mögen und zu einem stehen, obwohl man so ist, wie man ist. Nur dafür muss man sich natürlich auch einlassen können und den Mut finden, sich so zeigen zu können. Natürlich kommt da vieles auf den anderen an, aber genaus eben auf einen selbst. Nach dem, was Du von Dir beschreibst, weiß ich nicht, ob dieses Mindestmaß bei Dir da ist, um diesbezüglich überhaupt gute, heilsame Erfahrungen machen zu können.

Ganz egal, ob man jetzt grundsätzlicher (Kindheit) oder konkreter (soziale Ängste) ansetzen will, ich denke, dass es auf alle Fälle helfen könnte, eine Therapie zu machen. Das ganze Leben liegt ja noch vor Dir und wenn Du dieses Problem mit therapeutischer Hilfe ganz verstehen würdest, was ja letztlich hieße, Dich selbst besser kennen zu lernen, und nebenbei vielleicht auch neue Verhaltensmuster kennen zu lernen, dann wäre das sicher ein großer Gewinn an Lebensqualität für Dich. Und ich glaube auch, dass das lohnenswert ist, das anzugehen, gar nicht im Sinne von: man funktioniert dann endlich so, wie man sein will, sondern wirklich, um sich selbst zu begegnen und zu akzeptieren. Und zu sich selber zu kommen ist ja eigentlich fast das wichtigste, was es im Leben überhaupt gibt. Es kann ja gut sein, dass Du Dich gar nicht ändern musst, sondern annehmen, damit es Dir besser geht. Außerdem glaube ich, dass es gut machbar und realistisch ist, dass das zum Erfolg ist, also dass es Dir subjektiv dann besser geht. Denn Du schreibst sehr reflektiert und ich wette auch, dass Du über viel Empathie verfügst, was sicherlich gute Voraussetzungen sind.

Nun, ich hoffe, ich lag jetzt nicht ganz daneben und wünsche Dir wirklich, den Schritt zu wagen, eine Therapie zu machen .

Viele Grüße
Selene
Es gibt kein Übermaß an Liebe,
kein Übermaß an Wissen,
und kein Übermaß an Schönheit
Ralph Waldo Emerson

Werbung

Benutzeravatar

Rosenfüchsin
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 40
Beiträge: 234

Beitrag Di., 10.09.2013, 09:47

Ich schließe mich (ganz faul ) komplett Selene an -
genau das hätte ich auch schreiben wollen.

Und ich wiederhole ihren Wunsch an dich: trau dich, eine Therapie zu machen (Gesprächstherapie wäre meine Empfehlung), auch wenn du "eigentlich doch ganz gut zurechtkommst", "es ja alles gar nicht so schlimm ist", "es so viele andere gibt, denen es viel schlechter geht" (das waren jedenfalls die Dinge, die ich mir selber u.a. in den Weg gestellt habe).

Alles Gute!
Rosenfüchsin
Wir alle brauchen die Liebe am meisten, wenn wir uns fühlen, als hätten wir sie gerade gar nicht verdient.
"the ones who are hardest to love, probably need it the most" -Dan Millman

Benutzeravatar

Ulrich
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 50
Beiträge: 285

Beitrag Di., 10.09.2013, 19:05

Ich hab mir Teile von nones Beitrag noch mal durchgelesen und bin nun sicher, dass sie eine Sozialphobie hat. Das Festhalten an Leuten, die man bereits kennt, und die Angst neue Leute kennen zu lernen ist glaube ich , typisch für Sozialphobie. Das selbstverletzende Verhalten ist ein weiterer Aspekt, der mit der Sozialphobie nicht viel zu tun. Sie hat also eigentlich mindestens zwei psychische Probleme. Gegen die Sozialphobie würde vielleicht erst mal eine Verhaltenstherapie helfen. Diese würde das Leiden unter der Schüchternheit, wie ich es mal nennen würde sicher lindern. Das selbstverletzende Verhalten wäre getrennt davon zu therapieren. Vielleicht könnte das ja ein und der gleiche Therapeut machen.

Benutzeravatar

Ulrich
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 50
Beiträge: 285

Beitrag Do., 12.09.2013, 12:10

Beinahe hätte hier eine falsche Deutung abgegeben. Ich hatte völlig überlesen oder "verdrängt", dass Nones Verhältnis zu ihrem Vater in letzter Zeit enger wurde. Da dieser wichtige Teil von Nones Beitrag in meinem Gedächtnis fehlte, konstruierte ich eine falsche Deutung (die habe ich dann für mich behalten) Nun baue ich mir eine Deutung auf, auf der Grundlage, dass das Verhältnis zu ihrem Vater in letzter Zeit immer enger wurde. Ich mache das nicht "bewusst" und gezielt. Es ist ja auch nicht meine berufliche Aufgabe. Es wäre vielleicht meine Aufgabe, wenn ich der "Freund" von None wäre. Ich bin aber nicht ihr Freund, oder doch?

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag