Ich bin gerade auf deinen Beitrag gestoßen und wollte mit dir meine persönlichen Erfahrungen teilen.
Vielleicht dazu einen Einblick in mein bisheriges Leben: Ich habe einen festen Tag in der Woche, an dem ich für die kommenden sieben Tage meine Kleidung richte. Davor schaue ich dreimal den Wetterbericht an und gleiche meine Termine für die kommende Woche ab, damit ich für jeden passenden Tag die richtige Kleidung zurecht legen kann. Einen Wocheneinkauf gestalte ich so, dass ich zuerst aufschreibe, was an welchem Tag gegessen wird. Danach schreibe ich die Lebensmittel heraus, die wir benötigen und danach schreibe ich einen Einkaufszettel in der Reihenfolge, wie die Produkte im Supermarkt in den Regalen stehen. In unserer Wohnung hat alles seinen festen Platz und ich bemerke sofort, wenn etwas nicht auf dem Platz steht, wo es stehen sollte. Ich werde dadurch schnell unruhig, denn alles hat seinen festen Platz. Deko Artikel messe ich mit dem Lineal aus, damit sie den selben Abstand zueinander haben. Bücher sind von der Größe nach im Regal sortiert. Und wehe wenn nicht. Das äußert sich dann z.B. auch so, wenn wir in der Stadt sind und ich sehe, dass in einer Bücherhandlung Bücher nicht Kante auf Kante liegen, ich das "richtig" machen muss.
Mein Tag ist bis auf die Minute geplant; wann ich aus der Dusche komme, wann ich meine Haare föhne, wann ich aus dem Haus gehe. Ich fahre auch immer dieselben Straßen z.B. zur Arbeit, weil ich weiß, dass ich morgens um 06h genau 10 Minuten brauche, wenn ich diese Strecke fahre - ich kann also gar keine andere Strecke fahren. Dazu kommen dann Rituale, wenn ich das Haus verlasse. Ich muss ein Foto von Elektrogeräten machen, selbst wenn ich sie gar nicht anhatte. Beim Herd ist es ganz heikel; da stehe ich mit dem Bleistift vor dem Herd um sicher zu gehen, dass der Knopf wirklich auf Null ist. Fünf Mal an der Haustür rütteln, einmal dagegen klopfen und danach noch dreimal rütteln.
Oft ist es auch so, dass ich mir nach dem Verlassen des Hauses gar nicht mehr sicher bin, ob wirklich alles aus war. Dann muss ich wieder nach Hause fahren und bin manchmal gar nicht mehr in der Lage wegzufahren.
Wenn ich etwas mache, sei es Nachrichten oder Aufgaben erledigen auf der Arbeit, private Hobbies usw. ist es eigentlich immer so, dass mir ein "Du hast das gut gemacht" nicht reicht, denn es geht immer besser. Ich bin also nie zufrieden mit meiner Arbeit, brauche manchmal für gewisse Dinge unglaublich lange, verhaspele mich dann an Kleinigkeiten, doch ein Gefühl der Zufriedenheit stellt sich eigentlich nie ein. Dieses Gefühl der Zufriedenheit gibt es da nicht. Das ist nur ein kleiner Auszug.
Ich habe ganz lange gedacht, dass mein Verhalten "normal" sei, bis die Geschichte über die Jahre immer mehr Ausmaß angenommen hat. Mittlerweile habe ich den Ursprung dafür gefunden und festgestellt, dass dieser krankhafte Perfektionismus nicht normal ist und ich arbeite täglich daran.
Mich hat das in meinem leben enorm beeinträchtigt, weil es unheimlich viel Zeit und Kraft gekostet hat. Natürlich kostet es mich auch Kraft daran zu arbeiten, aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben irgendwann ein Leben zu führen ohne den ständigen Zwang perfekt sein zu müssen. Ich denke es ist so, wie es andere User hier schon formuliert haben - wenn es für dich zur Belastung wird und du merkst, dass es dich in deiner Lebensqualität beeinträchtigt gibt es immer wieder Möglichkeiten sich der Thematik zu stellen und daran zu arbeiten.
Bin ich zu anankastisch/zwanghaft?
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