Plastiksackerl hat geschrieben: ↑Sa., 08.12.2018, 13:25
Oberflächlich betrachtet mag dein Vorschlag irgendwie "selbstverständlich" wirken, also im Sinne dass es doch jedem auf diese Art einfallen könnte.
Aber ich muss sagen, dass ich einen derartigen, konstruktiven Vorschlag wirklich zu schätzen weiß.
Oft sind die einfachsten Dinge die, an die man am Wenigsten denkt, und die dann doch am effektivsten sind. Manche Sprüche, wie "mal darüber schlafen" und so weiter, kommen nicht von ungefähr. Ich finde immer spannend, wenn scheinbar so banale, dahingesagte Sachen dann wissenschaftlich unterstützt werden.
Plastiksackerl hat geschrieben: ↑Sa., 08.12.2018, 13:25
Meine aktuelle Theorie ist ja, dass meine ADS-Diagnose ein Bisschen ein Griff ins Klo ist.
Wäre nicht das erste Mal, dass so was passiert. Mit Diagnosen sind Ärzte oft recht schnell. Mich hat ja schon öfter verwundert, dass zweieinhalb Minuten bei einem Hausarzt oder zwanzig Minuten mit einem Psychiater ausreichen, um eine Diagnose zu stellen, körperlich wie psychisch. Der Mensch ist einfach mehr als ein Fragebogen, und es hängt so viel zusammen. Für mich immer wieder amüsant ist da, was Richard David Precht als Beispiel für Ärzte der Zukunft anbringt. Denn so, wie das aktuell läuft, läufts ja nicht mehr lange, jeder Patient kann sich mit ein wenig Recherche eine treffendere Diagnose und Behandlung zusammenstellen, mehr Experte werden in seinem persönlichen Problembereich, als ein Arzt, der ihn nur wenige Minuten alle paar Monate sieht. Jedenfalls meint er, dass Hausbesuche der (einzige) Grund für Ärzte sein wird. Und da kommt dann der Psychiater in die Wohnung und meint: Na, bei DEN Tapeten würde ich auch depressiv werden.
Ist natürlich jetzt ein blödes Beispiel, zeigt aber, dass bei Problemem soooo viele Parameter einbezogen werden müssen. Dann wird da jemand mit Tabletten gegen Depressionen behandelt, aber die Ursache ist, dass er beispielsweise nonstop so dermaßen mit Lärm bombardiert wird, dass sein ganzes System zu macht. Oder dass in seine Wohnung (oder seinem Lebensstil generell) so gut wie keine Sonne kommt, er also immer in der Dunkelheit, immer im Schatten verbringt. Oder dass er schlicht das Falsche isst, zur Falschen Zeit, kein richtiger Schlaf, Angewohnheiten entwickelt hat, die depressiv machen, und da sind ja dann noch gar nicht die möglichen RICHTIGEN Lebensprobleme dabei, die ja auch noch mitwirken, wie Todesfälle, Krankheiten, Arbeitslosigkeit, Streit, Familie, weltpolitische Lage, philosophische Krisen, mangelnder Lebenssinn und so weiter. Eine Diagnose und Tabletten sind da schlicht ein Griff ins Klo und zementieren so jemanden eher in seiner Situation, weil er sie dann ja nicht mehr ändern "muss". Mal abgesehen, dass er vielleicht gar nicht weiß, dass er da vielleicht ganz viel ändern kann. Manchmal weiß man gar nicht, was man alles falsch macht, weil es einem so normal erscheint, weil man es nie anders kennengelernt hat, oder weil es einfach ein Lebensstil ist, der (für das Alter, die Gesellschaft) gängig ist, auch wenn er krank macht.
Ich beispielsweise glaube, dass viele psychische Krankheiten durch das Informationsbombardement ausgelöst werden, die durch die Digitalisierung möglich ist. Ich meine, wie viele Reize hat der Mensch über Jahrtausende gehabt, so pro Tag. Heute strömt das auf die meisten schon in den ersten fünf Minuten ein, die sie wach sind. Oder der Informationsinput auf der Arbeit. Was auf meine Kollegen in den siebzigern und achtzigern einströmte, strömt auf üblichen Kollegen heute in zwei Stunden ein. Was früher fünf Leute in drei Wochen gemacht haben, plus zwei Sekretärinnen, macht heute einer alleine an einem Vormittag, wobei er ganz nebenbei auch die Sekretärinnenjobs miterledigt. So was geht nicht spurlos an einem vorbei. Dass man irgendwann nichts mehr aufnehmen kann, Konzentrationsprobleme hat, bis hin zur (unbewussten) Flucht vor weiterem Input, halte ich eher sogar schon für gesund als krankhaft. Zumindest ist es eine logische Entwicklung, als ein echtes Krankheitsbild.
Ansetzen kann man da leider nur selbst. Das eigene Leben mal beobachten, schauen, wo der Hund begraben liegt, und nach und nach Verbesserungen durchführen. Klingt beknackt, aber ich habe sogar begonnen, diverse Verhaltensweisen und Gepflogenheiten aufzuschreiben und lasse sie mir grafisch am Computer darstellen. Da bin ich schon hinter so einige Korrelationen gekommen. Dann kann ich Kausalitäten testen, und wenn ich auf eine Wenn-Dann-Verknüpfung stoße, kann ich das ändern. Da man dazu neigt, zu verdrängen, zu beschönigen oder zu dramatisieren, wird einem das aber so in der reinen geistigen Rekapitulation gar nicht bewusst. Schwarz auf weiß steht es dann: dass man vielleicht in Wahrheit nur sechs Stunden schläft. Und so weiter.