Bulimie loslassen

Bulimie, Anorexie, Adipositas, EDNOS (mehr zur Unterscheidung finden Sie in meinen themenbezogenen Artikeln im Archiv, darüber hinaus finden Sie auf der Website auch Selbsttests zum Thema)
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Phoebe_Buffay
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Bulimie loslassen

Beitrag So., 13.11.2022, 10:19

Ich habe seit 5 Jahren Bulimie (auch Phasen ohne Erbrechen, aber dafür dann eben Hungern). Seit Sommer ist es sehr akut, bis auf wenige Ausnahmen habe ich jeden Tag 2-3 Essanfälle.

Ich war in einer Klinik und bin in ambulanter Therapie (die ist im Frühjahr aber zu Ende).

Auch wenn ich weiß, dass eine reine Symptombekämpfung nichts bringt, ist da seit einigen Wochen ein Gefühl, was neu ist. Es is ein wirkliche tiefer Wunsch, da nachhaltig rauszufinden. Körperlich geht es mir damit auch zunehmend schlechter, aktuell habe ich eine Gastritis und kämpfe mit hormonellen Probleme und ständigem Schwindel.

Aber es sind nicht unbedingt die gesundheitlichen Gründe, sondern das Gefühl, dass Therapie gerade nichts mehr bringt und Entwicklung verhindert, wenn ich auf der Ebene nichts verändere. Ich möchte diese Form der Selbstzerstörung einfach nicht mehr.

Nun aber mein Problem: ich kenne natürlich Skills und weiß auch, was mir in diesen hohen Anspannungszuständen hilft. Aber ich kann die Bulimie bei mir gar nicht nur auf diese Situation begrenzen. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum meine Scham da so hoch ist. Es gibt so viele Gründe, die zu Essanfällen führen und manche sind erschreckend trivial (Langeweile, gute Gelegenheit), andere überhaupt nicht (Gefühl der Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit). Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass es (auch auf körperlicher Ebene) einfach Suchtverhalten ist.

Bisher bin ich immer gut damit gefahren, wenn ich innerlich die Bereitschaft hatte, solche Gefühle dann auch auszuhalten. Skills helfen wie gesagt bei hoher Anspannung, aber die ist nicht immer Auslöser. Es ist für mich tatsächlich wie ein Entzug, der sich aber nicht nur auf Essanfälle/Erbrechen bezieht. Auch das unregelmäßige Essen gehört da mit rein, das ist fast noch schwieriger zu verändern. Aber trotzdem suche ich Wege, mir diesen Weg etwas zu erleichtern.

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Sinarellas
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Beitrag So., 13.11.2022, 12:53

Konntet ihr in der Therapie rausfinden, was du alles "zum kotzen" findest? Was war damals einfach fürchterlich und will man nur schnell wieder loswerden, was ist heute noch so schrecklich, dass man es wieder raushaben will? Bindungstrauma ein Thema? Umfeld?
Es ist vorallem eine Kompensation, dein Nervensystem hat gelernt so mit etwas umzugehen und versucht mit dem "rausbringen" eine Abkürzung zu unaushaltbaren Zuständen zu nehmen, ihm das anders beizubringen kann man erst dann, wenn man weiß was warum genau dazu führt, um dann andere Werkzeuge an die Hand zu geben, anders mit umzugehen. Wie hast du vor 5 jahren das "zum kotzen" gefühl kompensiert? Warum wurde es dann anders? Wieso gab es keine anderen Lösungsmethoden die weniger destruktiv sind?

das wären so fragen die ich mir stellen würde, vielleicht ist ein Punkt zum weiterdenken dabei?
..:..

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chrysokoll
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Beitrag So., 13.11.2022, 13:49

Phoebe_Buffay hat geschrieben: So., 13.11.2022, 10:19 Skills helfen wie gesagt bei hoher Anspannung, aber die ist nicht immer Auslöser. Es ist für mich tatsächlich wie ein Entzug, der sich aber nicht nur auf Essanfälle/Erbrechen bezieht. Auch das unregelmäßige Essen gehört da mit rein, das ist fast noch schwieriger zu verändern. Aber trotzdem suche ich Wege, mir diesen Weg etwas zu erleichtern.
Skills sind EINE Möglichkeit, aber bei weitem nicht die einzige und oft nicht ausreichend.
Ich bin kein so großer Fan von Skills, vor allem wenn das Symptom sich gar nicht verändert und keine Alternativen angeboten werden.
Konntest du in deiner Therapie denn andere Möglichkeiten erarbeiten?

Dein Wille das jetzt wirklich abzulegen ist eine absolute und gute Grundvoraussetzung.
Ich konnte meine Bulimie erst besiegen und ablegen als dieser feste Wille da war und immer noch da ist. Ich habe seit vielen Jahren nicht mehr gekotzt, gebe aber offen zu dass es mir in manchen Krisensituationen immer noch verlockend erscheint als "Lösung". Es bleibt ein Kampf, aber einer den man gewinnen kann und es lohnt sich!

Es ist in der Tat wie ein Entzug.
Womöglich wäre eine Suchtbarung und/oder eine Gruppe oder Selbsthilfegruppe zusätzlich für dich hilfreich?

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Phoebe_Buffay
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Beitrag So., 13.11.2022, 18:45

Sinarellas hat geschrieben: So., 13.11.2022, 12:53 Konntet ihr in der Therapie rausfinden, was du alles "zum kotzen" findest? Was war damals einfach fürchterlich und will man nur schnell wieder loswerden, was ist heute noch so schrecklich, dass man es wieder raushaben will? Bindungstrauma ein Thema? Umfeld?
Ja, wir haben viel über die Hintergründe gesprochen. Wobei ich da jetzt nicht einen „Grund“ nennen kann. Das Thema begleitet mich seit der Kindheit und irgendwann hat sich daraus die Bulimie entwickelt. Ich dachte zu Beginn der Therapie, dass sich die Symptome irgendwann von alleine verbessert, je mehr ich an den Themen arbeite, es ist zwar mal besser, mal schlechter. Seit dem Klinikaufenthalt tendenziell eher schlechter. Das nahende Ende der Therapie beschäftige mich jetzt aber sehr und da merke ich doch auch, wie doll ich unter den Symptomen leide und ich das gerne noch einmal draufgucken möchte.
chrysokoll hat geschrieben: So., 13.11.2022, 13:49
Skills sind EINE Möglichkeit, aber bei weitem nicht die einzige und oft nicht ausreichend.
Ich bin kein so großer Fan von Skills, vor allem wenn das Symptom sich gar nicht verändert und keine Alternativen angeboten werden.
Ja, das sehe ich ähnlich, wobei ich Skills auch etwas weiter fasse, für mich zählt da auch bewusste Ablenkung, Sport, keine „gefährlichen“ Lebensmittel im Haus haben zu. Aber es ist für mich auch nur der allererste Schritt. Viel schwieriger finde ich es, die Leere auszuhalten, die entsteht, wenn ich dem Suchtdruck nicht nachgebe. Bulimie frisst ja nicht nur körperliche und emotionale Ressourcen, sondern auch zeitliche. An Tagen, wo ich nicht esse/kotze stehe ich dann oft vor der eigentlich banalen Herausforderung, wie ich die Abende gestalte und mit aufkommender Einsamkeit umgehe.
chrysokoll hat geschrieben: So., 13.11.2022, 13:49Konntest du in deiner Therapie denn andere Möglichkeiten erarbeiten?
Wir haben zwar viel über die Hintergründe gesprochen, aber konkret über die Essstörung selten. Ich wollte es dann oft auch nicht thematisieren. Mir war es unangenehm, dass ich damit nicht aufhören konnte und ich auch oft das Gefühl hatte, es gar nicht richtig zu wollen. Ich war in der Therapie auch oft nicht ehrlich und habe es runtergespielt. Wenn ich es dann aufhören wollte, war es zwar schwierig, aber ich dann irgendwie trotzdem „einfach“ aufgehört, bin dann aber eben immer wieder rückfällig geworden. Ich habe in den Phasen dann aber auch zu wenig gegessen und viel Sport gemacht, also eher eine Suchtverlagerung. Das hat sich trotzdem gesünder angefühlt, als diese heftigen Essanfälle.
chrysokoll hat geschrieben: So., 13.11.2022, 13:49Ich konnte meine Bulimie erst besiegen und ablegen als dieser feste Wille da war und immer noch da ist. Ich habe seit vielen Jahren nicht mehr gekotzt, gebe aber offen zu dass es mir in manchen Krisensituationen immer noch verlockend erscheint als "Lösung". Es bleibt ein Kampf, aber einer den man gewinnen kann und es lohnt sich!
Das freut mich, dass du den Weg daraus gefunden hast. Darf ich fragen, ob du rückblickend sagen kannst, was dir da am meisten geholfen hat? Hast du einfach irgendwann aufgehört oder war es ein Prozess?

chrysokoll hat geschrieben: So., 13.11.2022, 13:49Es ist in der Tat wie ein Entzug.
Womöglich wäre eine Suchtbarung und/oder eine Gruppe oder Selbsthilfegruppe zusätzlich für dich hilfreich?
Ja, als ich einmal für länger Zeit „abstinent“ war bin ich einige Tage weggefahren, um aus meiner gewohnten Umgebung (und den Supermärkten) raus zu sein. Das war für den Einstieg gut. Über eine Selbsthilfegruppe denke ich schon länger nach, habe auch schon nach welche in meiner Umgebung gesucht. Ich könnte mir vorstellen, dass es mir hilft, es kostet mich aber Überwindung.

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caduta
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Beitrag Mo., 14.11.2022, 19:28

Hallo Phoebe_Buffay,

Dein Thread hat mich ins Nachdenken gebracht, was mir damals auf dem Weg aus der Bulimie eigentlich geholfen hat. Bei mir ist es inzwischen schon viele Jahre her.

Erst einmal: es war ein langer Prozess über sieben Jahre bis ich aus dem Gröbsten raus war. Am Anfang stand (wie bei dir gerade) die Erkenntnis, dass ich wirklich raus will aus der Sucht. Insofern denke ich, dass du wirklich gute Chancen hast.

Geholfen haben mir auf dem Weg:

1) Insgesamt drei Klinikaufenthalte a drei Monate. Davon zweimal Tagesklinik spezialisiert auf Essstörungen mit Gruppentherapie (ziemlich Hardcore aber effektiv).

2) Persönliche Änderungen: ich bin in eine WG gezogen, hab mein Abi nachgeholt und danach angefangen zu studieren.

3) Reisen: Ich habe in dieser Zeit das (Alleine-) Reisen für mich entdeckt. Es hilft die eigenen Grenzen zu erkennen und Selbstwirksamkeit zu üben...

4) Vieles Ausprobieren: Ich habe versucht soziale Kontakte aufzubauen, abends wegzugehen, mich zu treffen, obwohl es mir oft sehr sehr schwer gefallen ist.

5) Rückfälle aushalten und versuchen daraus zu lernen.

Ich denke es ist weniger ein 'weg von der Essstörung' als vielmehr ein 'hin zu etwas Neuem'. Dann wird die Bulimie immer unwichtiger und es wird leichter die Fressanfälle zu vermeiden.

caduta

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chrysokoll
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Beitrag Mo., 14.11.2022, 19:54

Phoebe_Buffay hat geschrieben: So., 13.11.2022, 18:45 Das freut mich, dass du den Weg daraus gefunden hast. Darf ich fragen, ob du rückblickend sagen kannst, was dir da am meisten geholfen hat? Hast du einfach irgendwann aufgehört oder war es ein Prozess?
es war natürlich ein längerer Prozess, aber am Anfang und auf dem ganzen Weg stand der feste Wille das jetzt hinter mir zu lassen. Ohne Ausreden, ohne heimliche Auswege, ohne Suchtverlagerung.
Ich hatte auch Therapie, einen Klinikaufenthalt. Viel Sport in der Zeit, der mir einfach Spaß gemacht hat, viele Dinge die körperlich gut tun (schwimmen, Sauna...)
Also das muss für dich passen, mir haben diese Dinge gut getan.

Und es war genau so wie caduta das grade formuliert hat: Es war mehr das "hin zu etwas Neuem", die Neugierde, die Lust auf Leben. Hört sich theoretisch an, aber das war der Anfang vom Weg raus.
Ich wünsche dir dass dir das gelingt !

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Phoebe_Buffay
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Beitrag Sa., 26.11.2022, 21:00

@chrysokoll und @caduta

Danke für eure Antworten! Ja, ich muss meinen eigenen Weg finden. Es hilft mir trotzdem zu lesen, was anderen Betroffenen geholfen hat und dass es möglich ist, aus dieser Sucht nachhaltig rauszufinden. Der Gedanke einer Veränderung „zum Leben hin“ gefällt mir gut!

Ich bin seit 2 Wochen auf Entzug und hatte seitdem keine Bulimieanfälle. An manchen Tagen war es einfach, an anderen Tagen musste ich sehr kämpfen. Das größte Problem ist immer noch, dass ich dann in „abstinenten“ Phasen tagsüber das Essen vermeide und erst nachmittags oder abends essen. Das hilft zwar kurzfristig, ist aber natürlich langfristig keine Lösung. Manchmal habe ich das Gefühl, das Essen tagsüber hinauszuzögern ist genau so eine Sucht wie das Essen/Erbrechen. Es fällt mir fast noch schwerer, darauf zu verzichten und wirklich regelmäßig zu essen. Ich weiß noch nicht so genau, wie ich damit umgehe.

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Sinarellas
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Beitrag So., 27.11.2022, 10:06

ich glaube du kümmerst dich zu sehr um deine destruktive Coping-Strategie als um deine Kernthemen. Die Bulimie ist "nur" ein Versuch deines Kopfes etwas zu kompensieren / zu überbrücken. Kann nur mit Ursachen-Auflösung & parallel (!) gesündere Alternativstrategien gehen.
..:..

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Phoebe_Buffay
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Beitrag So., 27.11.2022, 10:23

Sinarellas hat geschrieben: So., 27.11.2022, 10:06 ich glaube du kümmerst dich zu sehr um deine destruktive Coping-Strategie als um deine Kernthemen.
Wie kommst du darauf? Ich hatte ja bereits geschrieben, dass mir bewusst, dass eine reine Symptombekämpfung nicht die Lösung ist. Aber darauf zu warten, dass sich das Probleme von alleine löst, wenn ich nur weiter die Ursachen reflektiere, bringt mich auch nicht weiter.
Sinarellas hat geschrieben: So., 27.11.2022, 10:06 Die Bulimie ist "nur" ein Versuch deines Kopfes etwas zu kompensieren / zu überbrücken. Kann nur mit Ursachen-Auflösung & parallel (!) gesündere Alternativstrategien gehen.
Ja, deswegen habe ich ja auch die Therapie begonnen. Ich weiß, welche Themen da bei mir dranhängen und auch, warum ich noch weiter so dran festhalte. Aber diese Ursachen lassen sich nicht auflösen, ich bin dabei, einen Umgang damit zu finden. Für mich ist es trotzdem wichtig, auf die destruktiven Verhaltensweisen zu verzichten und mich bewusst dafür zu entscheiden. Auch um bestimmten Gefühlen überhaupt Raum zu geben und nicht wegzukotzen- oder hungern.

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chrysokoll
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Beitrag Mo., 28.11.2022, 12:24

du hast zwei Wochen geschafft und das ist sehr sehr gut! Gratulation!
Es ist nicht leicht am Anfang, aber es lohnt sich wirklich dranzubleiben und vor allem ist der feste Wille die absolut Grundvoraussetzung. Auch wenn es Rückfälle gibt, dann gibt nicht auf!

Es ist normal dass da am Anfang kein gutes, geregeltes, normales Essverhalten vorhanden ist.
Pass aber dennoch auf dass du nicht die eine Essstörung gegen eine andere auswechselst

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