Rückfall. Ein Jahr Angstfrei - jetzt schlimmer als je zuvor.

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Phobien, Zwängen, Panikattacken und verwandten Beschwerden.
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sinn
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Rückfall. Ein Jahr Angstfrei - jetzt schlimmer als je zuvor.

Beitrag Mo., 15.06.2015, 15:49

Liebe Leser, Gleichgesinnte, Angehörige von Angstpatienten und Krankheitsbild-Interessierte:

Sie ist wieder da.
Ich bin ganz neu hier und weiß momentan nicht mit wem ich sprechen soll.

2011 wurde bei mir eine Generalisierte Angststörung mit einer vermutlich davon auftretenden bipolaren Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Summa sumarum hab ich damals über ein Jahr lang, nach zahlreichen schweren Schnittwunden und unzähligen selbst zugefügten Verbrennungen an den Beinen kurz vor meinem geplanten Suizid Hilfe gesucht - und diese in der dritten Ärztin, bei der ich über ein halbes Jahr auf einen Termin warten musste auch gefunden.

Die Therapie war begleitet von Medikamenten. So standen täglich Seroquel, Cymbalta und Lamictal auf meinem Plan, zudem ein Entzug vom Valium (Psychopax) und der Verzicht auf Alkohol (Wein, Whisky).

Etwa genau vor einem Jahr, im Juni 2014, dachte ich, ich hätte die schlimmste Hürde geschafft. Erstmals nach so vielen Monaten der Angst konnte ich mich wieder langsam Menschen nähern. Ich konnte wieder erste Freundschaften knüpfen, ein bisschen Vertrauen aufbauen - und vor allem ehrlich lachen. Mit Freude. Mit einem Gefühl voller Glückseeligkeit.

Von damals bis jetzt war mein Leben geprägt von positiven Einflüssen. Ich hab Schlussstriche unter Freundschaften gezogen die mir nicht gut getan haben - ich hab in meiner Arbeit einen Raum für Selbstverwirklichung geschaffen, damit ich mich wohler fühle. Ich hab mich weitergebildet und viel Ehrenamtliche Arbeit geleistet um etwas meines neu gewonnenen Glücks weitergeben zu können. Alles lief so perfekt, Anfang diesen Jahres traf ich dann auch noch auf einen Mann in den ich mich wahnsinnig verliebt hab und mit dem ich auch in einer Beziehung bin. Meine Lebenseinstellung war fortan völlige Zufriedenheit. Zufriedenheit und die Tatsache Glücklich zu sein waren das kostbarste Gut in meinem Leben.


Und nun blicken wir auf den heutigen Tag.
Vor mir liegt ein karierter A4-Block, etwa die Hälfte des Blocks ist in einer sehr hässlichen Schrift vollgekritzelt. Meine Finger sind eiskalt, meine Nervenbahnen spielen verrückt - ich bekomme ununterbrochen Schübe von Gänsehaut. Auf dem Block hab ich in den vergangenen 2 Stunden all meine Gedanken zu Wort gebracht um nicht völlig durchzudrehen und wieder ins SVV - oder gar zu schlimmeren Gedanken zu kommen. Gerade eben fühl ich mich zwar emotional völlig ausgebrannt, dafür aber einigermaßen klar im Kopf.

Es ist eine Anleitung für den Überlebenskampf in 2015. Von der Nummer meiner ehemaligen Psychiaterin, über die Nummer meines Hausarztes, zu Dingen die ich heute noch erledigen will, bis hin zu Gedanken über meine Beziehung, über meine Arbeit, meine Familie, meine Vergangenheit - es ist alles da drin. Regeln für mich selbst. Anordnungen wie ich mich zu verhalten habe. Schuldzuweisungen an mich gerichtet. Und auf jeder Seite mehrmals dieser wert-Begriff. Wertlos. Wertlos. Völlig wertlos.

Ich hab wieder unkontrolliert Angst. Angst vor den Blicken der Leute. Angst vorm Verlassen werden. Angst dass eines meiner Tiere sterben könnte (gäbe keinen Grund daran zu denken). Angst dass meiner Familie etwas passiert. Angst vor Mahnungen (weshalb??). Ich hab sogar den Briefkasten seit einer Woche nicht mehr geleert weil ich panische Angst vor schlechten Briefen hab. Ich hab Angst vor Nachrichten am Handy. Angst vor einem Reifenplatzer beim Fahren. Ich hab wieder so eine Angst, dass ich weder richtig Essen - noch schlafen kann. Und mir ist übel.

Ich werde gleich zu meinem Hausarzt fahren und zumindest für normale Schlafzeiten wieder die schrecklichen Notfalltropfen holen. Die Psychopax. Die, die ich so stolz weggeworfen hab damals. Aber so kann es nicht weiter gehen. Morgen Vormittag werde ich bei der Psychiaterin anrufen und einen Termin vereinbaren. Ich kann so nicht mehr. Ich hab sogar Angst dass ich zuhause zum Alkohol greife. Angst dass ich mich verletze. Angst dass ich wieder am Boden sitze und weine und nicht einmal weiß warum.


Wer von euch hat Erfahrung mit solchen Rückfällen? Ich bin völlig überfordert und die größte Angst ist wie immer die Existenzangst... ich hab so eine Angst davor wieder alles zu verlieren wofür ich jetzt ein Jahr lang als "gesunder Mensch" gekämpft habe.


Bitte bitte gebt mir Rat.

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Chancen
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Beitrag Mo., 15.06.2015, 16:07

sinn hat geschrieben: Wer von euch hat Erfahrung mit solchen Rückfällen? Ich bin völlig überfordert und die größte Angst ist wie immer die Existenzangst... ich hab so eine Angst davor wieder alles zu verlieren wofür ich jetzt ein Jahr lang als "gesunder Mensch" gekämpft habe.
Ich habe Erfahrungen mit Rückfällen und ich weiß, dass der Weg zur "Gesundheit" (wasimmer das heißt) ein langer ist und in der Regel nicht innerhalb eines Jahres erfolgen wird, auch wenn man da einen ersten Aufschwung erlebt. Ein Leben mit einer Angststörung ist immer ein Auf und Ab, mit langsamen Schritten in alle Richtungen.

Es geht auch nicht darum, von heute auf morgen vollkommen gesund zu sein und niemals einen Rückfall in die Angst zu erleiden, sondern darum, sich trotz der Rückfälle wieder vorwärts zu bewegen.

Rückfälle passieren jedem von uns.

Hast du denn auch eine begleitende Psychotherapie, die dich in deinem Alltagsstress unterstützt und die dir hilft, deine Geschichte aufzuarbeiten?

Wie ist denn dein Leben in den letzten Wochen (vor dem Rückfall) verlaufen? Hattest du irgendeine Form von Stress und/oder Auseinandersetzungen, Grübeln, Gedanken, Ängste - bevor es so hart auf hart kam?

Kannst du dir vorstellen, dass dieser Rückfall eine Art Signal sein könnte, dass du dich (wieder) übernimmst? Eine Art Warnung, dass du in irgendeiner Hinsicht in die falsche Richtung gehst?

Stehen dir Entspannungstechniken wie Muskelrelaxation nach Jacobson, Autogenes Training oder MBSR zur Verfügung?

Solche Tage wie diese kann und wird es vermutlich immer wieder mal geben. Aber sie gehen auch wieder vorbei und dann wirst du wieder Freude und Erleichterung spüren.

Versuch dir klarzumachen, dass dieses Gefühl wieder vorbei geht, auch wenn es sich derzeit nicht so anfühlt.

Und besprich die Lage sobald wie möglich mit deinen Ärzten und ggf. deiner Therapeutin.

Alles Liebe

Chancen

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Tristezza
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Beitrag Mo., 15.06.2015, 16:23

Hallo und herzlich willkommen im Forum! Bei der Schilderung deiner Diagnosen ist mir etwas nicht klar: Du schreibst von einer bipolaren Persönlichkeitsstörung. Meines Wissens existiert so etwas aber nicht. Also entweder hat man eine bipolare Störung, die vor allem auf körperliche Ursachen zurückzuführen sein soll, oder eine (z.B. ängstlich-vermeidende, narzisstische, schizoide) Persönlichkeitsstörung. Außerdem frage ich mich, wie eine bipolare Störung durch Ängste ausgelöst werden kann. Hm ... alles etwas unklar für mich.

Eine weitere Frage: Hat sich in deinem Leben vor kurzem etwas verändert? Z.B. in der Beziehung? Bei mir (neige nicht zu Ängsten, sondern zu Depressionen) lässt sich eigentlich immer ein Auslöser für eine Veränderung für größere oder auch kleine Rückfälle finden. So was geschieht eigentlich nicht aus dem Nichts, auch wenn es manchmal auf den ersten Blick so aussieht. Und: Nimmst du gar keine Medikamente mehr oder hast du sie deutlich reduziert und seit wann? Soweit ich weiß, sollte man bei bipolaren Störungen dauerhaft prophylaktisch Medikamente einnehmen, weil die Rückfallgefahr sehr hoch ist.

So weit erstmal ... Auf jeden Fall ist es gut, dass du dir sofort Hilfe holst!

P.S. Sehe gerade, dass Chancen z.T. die gleichen Fragen gestellt hat, schicke das aber trotzdem mal ab.

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