Am Verzweifeln

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Phobien, Zwängen, Panikattacken und verwandten Beschwerden.
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Rob1988
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Am Verzweifeln

Beitrag Do., 26.03.2015, 21:11

Hey. In ein Forum zu posten ist sowohl neu als auch beängstigend für mich. Wie vieles anders auch ..
Mein ganzes Leben ist eine Baustelle. Ich bin nun 26 Jahre alt und ziehe es lieber vor zu hungern als auch nur einen schritt vor die Tür zu machen. Wenn ich mich dann doch dazu entschließe, dauert dies ca. 4 stunden bis ich mich dann doch überwinde. Ich habe ständig das Gefühl beobachtet, ausgelacht und verspottet zu werden. Schaffe es weder in einer Gruppe zu interagieren, noch mit einzelnen Personen ins Gespräch zu kommen. Selbst bei *Freunden* tue ich mir sehr schwer und meine Gedanken drehen sich hauptsächlich darum, was mein Gegenüber von mir denkt. Was es dann sehr schwer für mich macht, einem Gespräch zu folgen. Dass mich alle für dumm halten wurde mir die letzten Jahre immer bewusster und ich versuche mich halt irgendwie damit abzufinden. Vertrauen kann ich darum also niemandem. Ich denke nicht dass irgendjemand mit mir befreundet sein will, weil er mich als Menschen schätzt.
Ich war vor ca. einem Jahr für etwa 4 Monate in der Landesnerven Klinik. Anfangs konnte ich eine Besserung feststellen, was aber wohl eher die Hoffnung war. Denn nach 2 Wochen verfiel ich in alte Muster. Habe auch einige Tabletten bekommen. Nach dem Aufenthalt habe ich aufgehört die Tabletten zu nehmen. Habe es dann noch mit Antidepressiva (Gladem) versucht, was aber eher eine Negative als Positive Wirkung auf mich hatte, darum habe ich auch aufgehört diese zu nehmen. Tabletten sind für mich keine Lösung. Es muss doch auch anders gehen.
Immer wieder wird mir gesagt, dass es mir egal sein muss, was andere von mir denken. Wenn dies nur so einfach wäre...
Fühle mich nicht als ein Mensch wie andere. Fühle mich eher wie ein Alien, dass hier unter fremden gefangen ist und eigentlich nur noch weg will.. egal wo hin

Ein kurzer Ausschnitt aus meinem jetzigen Leben. Wie es weitergehen soll, ich weis e nicht

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Beitrag Fr., 27.03.2015, 09:28

Hallo Rob!

Kannst du gegebenenfalls einen Freund oder Bekannten bzw. Familie bitten, dass er/sie dir Essen/Lebensmittel vorbeibringt? Du kannst ja auch sagen, dass du krank bist (Fieber hast). Ohne Nahrung und Essen wird sich dein Zustand nämlich nicht bessern können. Essen und Schlaf sind das Um und Auf, dass es uns überhaupt gut bzw. besser gehen kann.

Was das Hinausgehen betrifft und das ausgelacht werden, so kann ich dich insofern beruhigen, als dass der durchschnittliche Mensch, wenn er 100 Leute trifft, in etwa so bewertet wird:

Von 100 Leuten ist er 90 Leuten komplett egal, weil die so mit sich selbst beschäftigt sind.
5 Leute finden ihn gut/nett/ok/sympathisch/lustig
5 Leute finden ihn doof/langweilig/eigenartig/ und lachen ihn/sie vielleicht aus.

Die große Mehrheit (ca. 90 %) denkt überhaupt nicht daran, dich zu bewerten, weil sie so mit sich selbst beschäftigt sind. Das Mädchen, das dir entgegen kommt, denkt sich, dass sie zu dick ist und von dir bewertet wird, aufgrund ihrer Hüften. Der junge Mann, der dir in der Straßenbahn gegenübersitzt, denkt sich, dass du ihn bewertest, weil seine Nase krumm ist oder er ganz schlacksig ist, oder schlechte Haut oder Schuppen hat.
Die Oma an der Straßenecke denkt, dass du sie bewertest, weil sie nicht mehr so schnell laufen kann und die Jugend die Alten nicht leiden kann.
Und so weiter...

Die meisten Leute achten also gar nicht so sehr auf andere Menschen, sondern lediglich auf ihre eigenen Unsicherheiten.

Das sieht man ihnen natürlich nicht an.

Genauso wie man es bei dir nicht merken wird, dass du Angst vor Bewertung hast.

Genauso wie einige manche denken werden, "och, der ist ja sympathisch, kein so ein lauter schrecklicher Macho oder Macher-Typ, sondern ein ruhiger, netter, junger Mann - so einen wünsche ich mir für meine Tochter/für mich/für meine Enkelin", so werden manche denken: "och, der ist aber zu dick/zu dünn/zu flappsig/zu jung/zu alt/zu weiß/braun/lila/dumm/laut/leise etc."

Das passiert, weil jeder was Anderes gut findet. Wenn du in eine Gruppe Hooligans kommst, dann werden die dich wahrscheinlich eigenartig finden. Wenn du in eine Gruppe Schauspieler/Banker/Anwälte/Models/Baggerfahrer/Ballettänzer kommst, werden die dich eigenartig finden. So wie sie Viele Andere auch eigenartig finden würden, die anders sind als sie selbst.

Jeder von uns wird von manchen Anderen als eigenartig/fremd/komisch/hässlich etc. befunden.

Wenn man das nicht aushält, dann fühlt man sich verloren, so wie du jetzt.

Das Schlimme an deinem Zustand ist, dass du selbst denkst, dass du eigenartig und/oder dumm bist und egal was die Anderen denken, vermutest du, dass sie dasselbe wie du denken.

Wenn du nun denken würdest, dass du ok bist, dass du zwar Fehler hast und nicht perfekt bist, aber alle Anderen haben auch Fehler und sind nicht perfekt - dann sähe die Welt ganz anders aus. Dann könntest du die paar, die dich auslachen in Kauf nehmen, weil du weißt, dass auf 5 Leute, die dich auslachen - auch 5 Leute kommen, die dich ok finden oder sogar gut. Und dass die meisten gar nicht auf dich achten.


Ein anderer Gedanke, der noch sehr hilfreich ist, ist:

Auch wenn du eine Eigenschaft hättest, die dich auffällig machen würde, dann würde diese Eigenschaft nicht für dein ganzes Wesen stehen. Weder in guter noch in schlechter Hinsicht.

Wer eine schöne Nase hat, ist noch lange kein schöner Mensch.
Wer eine hässliche Nase hat, ist noch lange kein hässlicher Mensch.

Wer eine intelligente Aussage tätigt, ist noch lange kein intelligenter Mensch.
Wer eine doofe Aussage tätigt, ist noch lange kein doofer Mensch.

Kein Mensch ist 100% schön/hässlich/doof/gut/intelligent/schlecht/eigenartig.

Es sind alles bloß Teilaspekte und ein Mensch ist immer mehr als ein Teilaspekt.

Das bedeutet, auch wenn dich jemand schlecht bewertet - so ist das eine einzige Bewertung eines Teilaspektes in einer Sekunde eines einzigen Tages in deinem Leben.

Wenn du dich an diese Sekunde klammerst, dann blendest du 1000 andere Sekunden, Teilaspekte, Bewertungen aus und konzentrierst dich nur auf das eine, in deinen Augen schlechte.

Da muss es dir schlecht gehen. Denn deine Brille, die du aufhast, die lässt das Gute gar nicht zu. Wie soll da Gutes passieren, wenn das Gehirn es gar nicht wahrnimmt?

Stell dir vor, es kommen 100 Leute auf dich zu. 70 von ihnen sagen dir, "hey, du wirkst ganz normal und sympathisch", 20 sagen dir was ganz ganz Nettes, weil sie selbst gut drauf sind und die Sonne scheint und sie das Leben lieben, und 2 von denen finden dich sogar wirklich wirklich gut. Und 8 sagen: "ne, ich weiß nicht, du bist eigenartig". 5 von diesen 8 findest du selbst jedoch eigenartig/doof/idiotisch.

Willst du dich dann tatsächlich an den 8 idotischen/gemeinenen/doofen Meinungen über dich festhalten, und die anderen zig Meinungen ausblenden?

Warum?

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blade
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Beitrag Fr., 27.03.2015, 09:52

Hallo Rob,

alte Muster sind wie eine renovierungsbedürftige Wohnung.
man kann nicht gut sein in ihr, aber ohne Wohnung kann man auch nicht sein.

also:
manchmal gilt es nicht als Mittel der Wahl alte Muster um jeden Preis loswerden zu wollen (es sei denn man hat etwas besseres mit denen man diese vollwertig ersetzen könnte und das müsste schon etwas sehr Zuverlässiges sein, doch von welchem wirklich Neuem kann man das apriori schon wirklich sagen?)

manchmal brauchen die alten Muster Ergänzungen, dann funktioniert auf einmal alles wieder
und die Angst/Enge ist verschwunden

zB ist die subjektive Gewissheit, daß Sie von allen für dumm gehalten werden so sicher nicht richtig (was nicht heisst, daß es keine Menschen gibt, die sich Ihnen gegenüber in der Weise so benehmen, als wären Sie dumm)
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