Angst, das Leben nicht genießen zu können

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TroyXP
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Angst, das Leben nicht genießen zu können

Beitrag So., 15.07.2012, 21:00

Hallo zusammen.
Ich bin 16 Jahre alt und habe dieses Jahr meinen Realschulabschluss erworben, seit den Pfingstferien ungefähr auch keinen Unterricht mehr, erst wieder im September. Dann gehe ich aufs Gymnasium. Vor allem seit diesem Monat kommt wieder die irrationale Angst in mir auf, die ich nur zu gut von vergangenen Sommerferien kenne. Ich habe mir nämlich eigentlich vor und nach jeden Sommerferien immer wieder Dinge vorgenommen, die ich machen will,
(bzw. hätte machen können, wenn ich wieder einmal Bilanz über die Ferien gezogen habe und diese bewertet habe, wie ich es eigentlich nicht tun sollte.)
Daher kommt wahrscheinlich auch die Angst:
Erst hatte ich vor allem Angst, dass ich die Ferien nicht ausreichend ausnutze, dass die anderen viel mehr aus den Ferien machen als ich, z.B. sich öfters treffen und das Leben und ihre freie Zeit einfach genießen und ich einfach das ganze Leben verpasse. Durch einige ungünstigen "Zufälle", in denen andere was richtig geiles erlebt haben, während ich nicht dabei war, wurde dieses Gefühl bestärkt. In einem Forum habe ich von derselben Angst gelesen, es wurde geraten, sich einfach abzulenken und nicht darüber nachzudenken, denn erst durch dieses Nachdenken verpasst man sein Leben.
Dies habe ich dann versucht, mich selber beruhigt und versucht einfach mein Leben zu leben und mich nicht dauernd mit anderen zu vergleichen. Ging dann auch etwa eine Woche ganz gut.
In folgender Zeit habe ich mich für meine Verhältnisse oft mit anderen getroffen, um einfach auf den bestandenen Abschluss anzustoßen oder um ins Strandbad zu gehen und das Leben richtig zu genießen.
Doch ich konnte die Treffen nicht wirklich genießen, weil nun wieder Druck und Angst in mir aufkam, und zwar, dass ich nun diesen Moment vielleicht nicht richtig leben und genießen könnte. Ich werde dann zunehmend nervöser und ängstlicher, bekam sogar in Situationen, in denen ich mich NICHT mit anderen unterhalten habe (lenkt mich nämlich gut von der Angst ab, weshalb ich in letzter Zeit gesprächiger geworden bin) Herzrasen und spürte das Angstadrenalin, aber für ziemlich lange (bis die Situation für mich nicht mehr so "besonders wichtig" für mich ist). Ich versuchte mich dann einfach auf mich selber, meine Umgebung und meine Atmung zu konzentrieren, damit ich wieder über den Dingen stehe und mein Leben wieder frei leben kann, sozusagen. Half allerdings nicht so viel, bzw. die Angst kehrte bald wieder zurück, aber nur, weil ich immer automatisch daran denke. Ist ja so, dass man, wenn man versucht, nicht an etwas zu denken, gerade daran denkt. Einfach weil man sich unter Druck setzt.
Und dann nach so einem "Anfall" wird es auf einmal wieder leichter, vor allem wenn eine Situation vorrüber ist, die man eigentlich voll erleben möchte. Dann fühle ich mich wie nach einer Prüfung, ich bin erleichtert, und verdränge den Gedanken an die Angst und die Situation vorher. Auf einmal bin ich oberflächlich richtig gut drauf, Glückshormone werden in mir frei, ich scheine auch in der Öffentlichkeit so glücklich rüberzukommen. Ich möchte diesen Moment richtig feiern. In manchen Situationen höre ich dann auch laute Musik, einfach um abzuschließen mit der vorherigen Situation und möchte nur noch feiern, am besten Saufen und Drogen nehmen, um die Situation aus meinem Hirn zu "ertränken". Dann kann ich auch für den Moment akzeptieren, dass ich wieder einen Situation durch die Angst weniger gut erlebt habe. Nun stehe ich wieder über den Dingen.
Es ist wie ein Zyklus, wir befinden uns nun ganz oben, jetzt gehts aber wieder runter, denn nach einiger Zeit denke ich automatisch wieder an die Angst, Glückshormome sozusagen aufgebraucht. Nun werde ich wieder ruhig, habe vielleicht für einen halben Tag die Angst im Hinterkopf, kann normal leben, muss aber immer wieder daran denken, aber dann halte ich es so nicht mehr aus und muss mir wieder klar machen, dass meine Ferien nur dann schlecht sind, wenn ich die ganze Zeit über so etwas nachdenke und ich die vergangene Zeit nicht rückgängig machen muss und akzeptieren.

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TroyXP
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Beitrag So., 15.07.2012, 21:02

Zwischendurch habe ich mir immer wieder Strategien überlegt, wie ich diese Angst lindern könnte. Habe mich immer mal wieder Nachmittags kurz aufs Sofa gelegt, an nichts gedacht und mich so abgelenkt und nahm mir eben vor, einfach nicht mehr an die Angst zu denken, als hätte ich sie nicht, denn sie erscheint mir auch ziemlich lächerlich, ich schäme mich fast schon dafür, andere Menschen haben sorgen ob sie morgen noch leben werden und ich...
Doch das half auf Dauer nichts, nach spätestens einem halben Tag muss ich mich wieder mit oben genannten Gedanken beruhigen. Denn davor habe ich Angst, dass ich durch dieses Ausblenden der Angst es nur noch schlimmer mache und mir wieder etwas Wichtiges entgeht.

Wenn mir klar wird, wie lange ich mich jetzt schon wieder mit dieser scheiss Angst auseinandersetzen muss, erscheint mir immer wieder die Vision, vor der ich so sehr Angst habe: Dass nach den Ferien alle wieder erholt in der (neuen) Schule sind, ich aber aufgrund meiner Angst kurz vor dem Ausgebranntsein stehe und darum immer schlechter werde. Diese Angst hatte ich auch schon während des letzten Schuljahres, dass ich nicht mehr kann, denn irgendwann konnte ich aufgrund der Anspannung nicht mehr so effektiv arbeiten, wodurch auch zwei von drei Prüfungen schlechter liefen, als sie hätten sein können.

Es ist für mich auch nicht gerade hilfreich, wenn Mitmenschen, die von meinem Abschluss erfahren und als sie von meiner monatelangen Freizeit (wie gesagt, seit mitte Mai) erfuhren raten und rieten: "Genisse die Zeit" oder "Man, würde ich die Zeit genießen". Daher fühle ich mich übel von mir selbst dann unter Druck gesetzt, weil ich so denke, dass ich die Ferien doch ausnutzen muss !

Aber es kommt noch etwas dazu: Ich glaube ich habe diese Angst deshalb nur in den Ferien, weil mein Hirn kein anderes relevantes Thema hat, womit es sich beschäftigen könnte.

Ich möchte doch einfach nur, wie jeder andere Mensch sein Leben genießen und keine Angst haben müssen.

Nächste Woche gehe ich für 2 Wochen in den Urlaub, ich hoffe inständig, dass ich dort abschalten kann und die Sorgen quasi zuhause lassen kann, oder falls mich auch dort mal diese Angst aufsucht, ich dies akzeptieren kann und nicht wegen diesen wenigen Minuten den gesamten Urlaub schon wieder als gelaufen ansehen werde.

Könnt ihr mir Ratschläge für die nächsten Wochen mitgeben ?
Ich glaube, dass ich einfach nur an einen glauben muss und davon überzeugt sein muss und dann könnte ich die Angst schon lindern.

Es ist wie ein Teufelskreis !


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 16.07.2012, 06:02

Hallo TroyXP
Erst hatte ich vor allem Angst, dass ich die Ferien nicht ausreichend ausnutze, dass die anderen viel mehr aus den Ferien machen als ich, z.B. sich öfters treffen und das Leben und ihre freie Zeit einfach genießen und ich einfach das ganze Leben verpasse. (...) Doch ich konnte die Treffen nicht wirklich genießen, weil nun wieder Druck und Angst in mir aufkam, und zwar, dass ich nun diesen Moment vielleicht nicht richtig leben und genießen könnte.
Das Leben genießen zu wollen ist etwas anderes als nichts verpassen zu wollen.
Das Leben kann man auch genießen, wenn man alleine in einem Botanischen Garten sitzt, während die Freund durch die Disco ziehen. Dann hat man zwar das verpasst, was andere erlebt haben, aber man hat dafür etwas anderes erlebt.

Sieh es mal aus einer anderen Perspektive: Alles was du tust steht im Gegensatz zu dem, was du nicht tust. Egal, was du tust, du verpasst immer etwas. Wenn du mit deinen Freunden X um die Häuser ziehst, dann verpasst du eine Abend mit Freunden Y oder wie es ist, wenn du dir einfach einen ruhigen Abend zu Hause zu machst. Wenn du in Deutschland lebst, dann verpasst du, wie es wäre, den Abend in Afrika zu verbringen, ...

Das Entscheidende ist, dass man etwas um seiner selbst Willen tut, weil man Lust drauf hat und nicht aus der Angst heraus, etwas verpassen zu können. Wo Angst ist, da ist kein Genuß. Wo der Gedanke ist, nichts verpassen zu wollen, da ist keine Freiheit.
Auch mal nichts tun kann einem ein inneres Gefühl der Freude und des Genußes verleihen.

Das andere ist, dass es zum Leben dazugehört zu akzeptieren, dass man tatsächlich etwas verpasst, z.B., weil man zu Hause hocken und pauken muss. Leben ist nicht nur Genuß. Leben bedeutet auch Verpflichtung, die aber auch positiv sein kann, wenn man z.B. heute zu Hause rumhängt und lernt um in der Zukunft Genuß zu erlangen (z.B. einen guten Job, Geld, was einem Reisen ermöglicht usw.).

Setz dich nicht so unter Druck. Wenn du mal einen abend nichts tust, dann hast du deshalb nicht das ganze Leben verpasst. Du hast dann halt nur etwas anderes erlebt als andere.
Wenn du dich mit deinen Freunde triffst, dann tue es, weil du Lust hast und dich auf einen Abend mit ihnen freust. Versprürst du diese Lust nicht, dann überleg dir, was dir alternativ gut tuen würde.

Viele Grüße
Jenny
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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TroyXP
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Beitrag Mo., 16.07.2012, 10:33

Danke für deine schnelle und ausführliche Antwort Jenny. So kann ich das jetzt auch seit einiger Zeit besser sehen. Das ist echt schwierig mit den Treffen. Ich war bis vor kurzem eigentlich nicht so der Typ, der sich jeden Tag trifft um um den Blovk zu ziehen. Aufgrund dieser Angst bin ich dann einfach mal zu anderen dazugestoßen, was dann auch Spaß gemacht hat. Bei mir ist es immer so, dass ich vor solchen Treffen Angst habe, aber es dort dann doch ganz gut ist. Ist schwer für mich zu entsvheiden, ob ich etwas wirklich will oder nicht, denn rauskommen und Leute treffen habe ich in letzter Zeit vermehrt Lust. Und was ist mit der Angst, dass ich den besonderen Momebt nicht richtig genießen könnte ? Ich merke, dass ich irgendwie wie rinr Machine funktioniere. Man genießt ja einfych, weil es einem gut geht und nicht, weil man unbedingt will.
Und was ist

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Jenny Doe
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Beitrag Di., 17.07.2012, 06:35

Hallo TroyXP
Und was ist mit der Angst, dass ich den besonderen Momebt nicht richtig genießen könnte ? Ich merke, dass ich irgendwie wie rinr Machine funktioniere. Man genießt ja einfych, weil es einem gut geht und nicht, weil man unbedingt will.
Du hast dir die Antwort schon selber gegeben.
Wenn man mit der Erwartung es zu genießen an etwas rangeht, dann kann diese leicht enttäuscht werden. Denn vielleicht tritt der besondere Moment gar nicht ein. Der besondere Moment hängt ja nicht nur von einem selbst ab, sondern auch von der Situation und den anderen, mit denen man unterwegs ist. Manchmal ist etwas, was man gemacht hat, auch einfach nur nett gewesen, aber nichts Besonderes. Ein anderes Mal ist es vielleicht einfach nur öde gewesen. Und wieder ein anderes mal, da geht man vielleicht einfach nur mal raus, weil einem die Decke auf den Kopf fällt (also ohne Erwartungen) und dann wird der Abend richtig geil.

Warte nicht auf den besonderen Moment. Lass ihn einfach kommen, ohne Zwang, ohne Druck und ohne Erwartungen.
Du bist noch jung und du wirst noch viele Situationen in deinem Leben erleben, die besonders sind.

So ein Gefühl des Funktionierens entsteht leicht, wenn man Dinge macht, die man gar nicht fühlt, z.B. lacht, obwohl man gar keine Freude entfindet, sondern einfach nur lacht, weil es alle tuen.
Ist schwer für mich zu entsvheiden, ob ich etwas wirklich will oder nicht, denn rauskommen und Leute treffen habe ich in letzter Zeit vermehrt Lust.
Wenn du Lust hast rauszugehen, dann tu es. Aber bleib realistisch und erwarte nicht bei jedem Treffen etwas Besonderes oder besondere Gefühle. Sie können eintreffen oder auch nicht.
Setz dich nicht unter Druck, denn wenn du dich unter Druck setzt, dann funktionierst du nur, lebst aber nicht wirklich. Lass die Momente selbst entstehen und akzeptiere, dass es Tage gibt, die richtig klasse sind, andere Tage einfach nur nett sind und wieder andere Tage öde sind.

Gruß
Jenny
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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