Angst vor Verantwortung

[eisprinzessin]

Hallo,

Ich war ja nun schon länger nicht mehr hier, weil ich nach Jahren endlich eine Therapie angefangen habe.
In letzter Zeit hatte ich sehr viel Zeit zum Nachdenken und irgendwann ist mir gedämmert, dass ich einfach Angst habe Verantwortung zu übernehmen bzw. extreme Angst habe Fehler zu machen und ich deshalb oft gar nichts mache.
Das reicht vom Lernen für die Uni, übers neue Freunde finden, bis zum Träume-nicht-umsetzen. Einfach aus Angst, dass ich der kommenden Verantwortung nicht gewachsen bin oder Angst habe, dass ich eine falsche Entscheidung getroffen habe.
Ich musste in meiner Familie nie groß irgendwas machen. Es hat immer geheißen, ich soll mich auf die Schule konzentrieren. Zuhause musste ich nicht mal den Müll rausbringen.
Ich würde so gerne endlich Verantwortung übernehmen und vor allem gerne endlich den Führerschein fertig machen, aber da hab ich Angst, dass ich einen Unfall baue (die Wahrscheinlichkeit ist eher gering, weil ich sehr vorsichtig fahre...) oder ganz einfach davor, dass ich dann praktisch mobil bin und wirklich im Straßenverkehr fahren darf.
Wie kann ich das denn bloß endlich schaffen? Für jede 20Jährige sollte das doch wohl normal sein. Andere sagen ich wäre verantwortungsbewusst, weil ich nicht kopflos irgendwas anfange. Naja sie wissen es nicht besser. Ich bin nicht verantwortungsbewusst. Ich habe nur Angst davor, dass ich oder jemand anders unter meinen Entscheidungen leiden muss.

Ich schreib das hier, weil meine Therapie leider erst Anfang Oktober weiter geht. Vielleicht kann mir hier ja jemand einen Tipp geben bis dorthin?

Liebe Grüße,
Eisprinzessin

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[Blaubaum]

Hallo Eisprinzessin,

ich finde es eigentlich sehr schön, dass es Menschen gibt, die ,wie Du, sich nicht rücksichtslos verhalten und die Konsequenzen ihres Handelns vor der Aktion bedenken. Daran ist eigentlich nichts falsch, und manche Zeitgenossen könnten sich davon eine Scheibe abschneiden. Einerseits meine ich also, Du könntest so bleiben, wie Du bist.
Wenn Du Dich von Deinen Skrupeln jedoch zu stark ausbremsen lässt, könnte es andererseits aber auch sein, dass Deine Stärken und das, was Du Dir selbst und Anderen zu geben hast, nicht zur angemessenen Geltung kommt. Das wäre schade.
Stell Dir z.B. vor, ein naher Angehöriger würde erkranken oder hätte einen Unfall, und es wäre Deine Aufgabe, den Betreffenden ins Hospital zu bringen. Mit Führerschein und Fahrpraxis kein Problem. Dabei mal die Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten, würde Dir auch niemand übelnehmen, am wenigsten der Mensch, den Du damit rettest, und noch nichtmal die Polizei. Ich denke, Du wirst gebraucht, früher oder später, so oder so.
Versuch doch mal, es von dieser Seite zu sehen...................................................

LG Blaubaum

[eisprinzessin]

Danke für deine Antwort, Blaubaum.

Ja, wenn das so einfach wäre. Ich habe es schon von vielen Seiten gesehen. Aber mal ehrlich, wenn man manche Dinge endlich umsetzen will und sich dauernd von seiner Angst ausbremsen lässt, weil man einfach nicht glaubt, dass man das kann bzw. damit zurecht kommt - es nervt und deprimiert einfach.
Ist das wieder so eine Selbstbewusstseins bzw. Selbstwertgefühlssache?
Ich habe noch immer nicht verstanden, wie man das aufbauen kann...Ich weiß ja, dass man dafür auch mal ein Risiko eingehen muss, aber was, wenn man dann versagt? Das schlägt einen noch viel weiter zurück, als man vorher war...
Ist das doof

Lg Eisprinzessin

[frozen rabbit]

Die Verantwortung muss mit einem mitwachsen. Ein Weg mehr Verantwortung übernehmen zu können/wollen wäre dich stückweise ranzutasten und dich nicht gleich zu überfordern. Überlege, wo du noch Schwächen hast und probiere diese zu reduzieren. Diejenigen, die schnell Verantwortung übernehmen können, haben sich den Mut dazu auch erst erarbeiten müssen, indem sie sich rangewagt haben und dabei auch Fehler begangen haben. Aus Fehlern lernt man. Ist man jünger, werden einem Fehler öfters verziehen.

Ist beim Autofahren genauso. Die meisten trauen sich anfangs nicht in einer verkehrsstarken Innenstadt oder auf der Autobahn zu fahren. Indem sie langsam zu verkehrsarmen Zeiten und nur über kurze Strecken Erfahrung sammeln, bekommen sie mehr Gefühl dafür und die Angst schwindet. Bist du im Verkehr mit dem Fahrrad gut unterwegs?

Versuche selbstgestellte Aufgaben mit wenig Risiko zu schaffen und arbeite dich vor.

Bei der Uni ist es ähnlich. Hat man Probleme mit der Lernmotivation kann man es mit "Buchführung" versuchen. Schreibe auf, was du bereits gelernt hast, und sobald du Lernangst bekommst, schaue dir das erledigte an und gib dir wieder Mut. Notier dir die gelesenen Seiten, verwende bei dicken Büchern Lesezeichen, markiere dir bereits gelesene Stellen farbig, teile die Aufgabenstapel in "erledigt" und "nicht erledigt" und siehe zu, wie der "erledigt"-Stapel größer und der "nicht erledigt"-Stapel kleiner wird. Du könntest auch einer Gruppe beitreten (Lerngruppe, Fachschaft, ...).

Hast du wieder Versagensängste gehe an die frische Luft, jogge eine Runde, zwick dir ein Museumsticket oder bastle etwas.

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[Blaubaum]

Moin, Eisprinzessin!

Ich weiss, was Du meinst. Die Angst, zu versagen, kenne ich so gut wie Du.
Ich denke aber, man muss unterscheiden, ob bei einem Versagen etwas schlimmes passieren kann oder nicht. Wenn Du auf den Berg kletterst und das Gleichgewicht verlierst, oder Du hälst jemanden am Seil, dessen Leben von Dir abhängt, dann sind die Konsequenzen des Versagens wirklich schlimm. Wenn Du ein Gedicht aufsagst und den Faden verlierst, ist es nicht so schlimm.
Ich sag Dir zwei Beispiele aus meinem Leben:
Ich spiele nur noch selten Konzerte mit einer Band. Ich habe immer Lampenfieber. Eine Stunde vor dem Auftritt "dope" ich mich mit einem halben Fläschchen Rotwein. Das ist das Doping meiner Wahl. Es macht mich locker, und diese Lockerheit sorgt für meine Zuverlässigkeit. Verkrampfung würde zum "Desaster" führen. Die anderen Bandmitglieder sind von mir abhängig. Wenn ich mich verspiele, passiert nichts wirklich schlimmes, aber es ist oberpeinlich und bringt die anderen aus dem Konzept.

Früher habe ich geboxt. Auch gegen Gegner, von denen ich genau wusste, dass sie viel besser sind als ich. Das heisst für mich "auf die Augen" und tut weh. Wieder Lampenfieber und Angst. Aber die vorgegebene Struktur des Vereins bestimmte nun mal, dass ich mich dem stellen musste. "Zwang". Sonst hätte ich nach hause gehen können. Und hätte mich dem Spott ausgesetzt und mich selbst verachtet. Also habe ich mit Anstand verloren und habe viel dabei gelernt und meine Selbstachtung behalten.

Um diese Selbstüberwindung zu trainieren, könntest Du Dir ein Übungsfeld suchen, wo ein Versagen keine drastischen Konsequenzen für Dich oder für Andere hat. Eine Gemeinschaft, wo die vorgegebene Struktur Dich "zwingt", Dich der Aufgabe zu stellen.
Ich musste gegen Stärkere boxen, ich kann die Band nicht hängen lassen und reissaus nehmen. Wer fragt nach meinem Lampenfieber ???

Vielleicht gibt es einen Bereich, wo Du diese Selbstüberwindung trainieren kannst, beim Sport oder Schauspiel oder Musik wären Beispiele...............

Ich wünsch Dir viel Erfolg !!! Blaubaum

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