Gewöhnung an Windeln

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Phobien, Zwängen, Panikattacken und verwandten Beschwerden.
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Thor
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Gewöhnung an Windeln

Beitrag Fr., 27.11.2009, 17:42

Hallo an alle,

eine bessere Anrede ist mir leider nicht eingefallen. Ich sollte mich schon jetzt dafür entschuldigen, wenn ich zu weit aushole. Ich habe ein wenig Angst um mich, wenn man überhaupt Angst um sich selbst haben kann. So, wie man sich wohl nicht wirklich selbst beobachten kann.
Ein medizinisches Ereignis nötigte mich, wieder Windeln zu tragen. Am Anfang war es der übliche Frust, auf diese Dinger angewiesen zu sein, wieder in die Hose zu machen. Sie nehmen einen Teil der Selbstbestimmung. Um ihre Notwendigkeit kam ich nicht herum. Ich bin eher konservativ, habe überreagiert, hatte Angst vor jedem möglich Malheur, kreierte dicke Windelpakete. Das hat sich alles normalisiert.
Am Anfang waren es Windelhosen, in die man nur zu schlüpfen braucht. Recht teuer und so stieg ich um auf normale Windelhosen, die man anlegen muss. Den Rat, Plastikhosen als Schutz zu tragen, wenn ich unterwegs bin, habe ich befolgt. Ich fühlte den Erfolg, wenn ich mir die Windel perfekt angelegt und die Schutzhose übergestreift hatte. Es war ein Gefühl der Sicherheit. Nach zwei Wochen zog ich dann immer Schutzhosen über die Windel, auch nachts, wenn ich es nicht unbedingt gebraucht hätte. Ich blieb bei dickeren Windeln, weil sie die Hosen besser ausfüllen. Ich erwischte mich dabei, dass ich die Windel benutzte, obwohl ich es bis nach Hause geschafft hätte. Bequemlichkeit? Gewohnheit?
Noch steht für mich kein Arbeitsleben an. Mein Studium hat mich Rationalität gelehrt und doch sind diese Dinge, die da ablaufen irrational. Ist es eine Angst, nicht loslassen zu können?
Ich würde mich über eine Einschätzung von anderer Seite freuen. Man kocht sonst nur im eigenen Saft.

Herzliche Grüße
Thor

(Hinweis Admin: Betreffzeile präzisiert.)
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MrN
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Beitrag Sa., 28.11.2009, 16:10

Hallo Thor,
tut mir Leid, wie es Dir geht und erst einmal "Willkommen!"
Schön daß Du jetzt mit von der Partie bist. Wenn ich das zwischen den Zeilen richtig gedeutet habe, bist Du bestimmt ein energischer Zeitgenosse mit einigen Kompentenzen und viel Entscheidungsgewalt gewesen.
Thor hat geschrieben: Bequemlichkeit? Gewohnheit?
Wie wäre es dann mit Trotz?! Etwa nach dem Motto: "Wenn ich dieses lästige Ding jetzt schon ständig tragen muß, dann soll es zumindest nicht zwecklos gewesen sein!!!"

Um überhaupt realistisch sein zu können, muß man doch zuerst einmal die Realitäten auch anerkennen...

Also - ich wäre an Deiner Stelle wohl ähnlich gut drauf.

Ich bin auch nicht mehr ich selbst, schon längst nicht mehr. Ich habe meine Kompetenzen verspielt, bin gerade in den Ruhestand geschickt worden. Im Grunde konnte ich die letzten zehn Jahre schon keine verantwortlichen Entscheidungen mehr treffen und zweifle gerade, ob ich es vorher überhaupt einmal gekonnt habe. Andererseits muß es ja irgendwie doch funktioniert haben - immerhin habe ich ca. 20 Jahre einen Beruf ausgeübt, der täglich kompetente Entscheidungen erfordert hat.
Nun stecke ich in so einer Phase fest: "Ja, wenn dem so ist, dann sei dem so...!" und lasse alles schleifen.

Nicht gut. Aber ich glaube, ich kann Dich verstehen.
LG
MrN

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Thor
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Beitrag Sa., 28.11.2009, 16:59

Hallo MrN,

ein sehr kurzer Nickname oder doch nur die Anfangsbuchstaben des Namens?

Zunächst danke für deine Einschätzung. Du liegst richtig, wenn du denkst, dass ich vorher Kompetenzen und Entscheidungsgewalt hatte. Im Grunde habe ich sie immer noch und werde da wieder einsteigen. Man macht im Berufsleben Dinge durch, die einen selbst wohl eher unbemerkt verändern. Manchmal ist das nur Anpassung. Wie glaubst du deine Kompetenzen verloren zu haben? Es würde mich interessieren. Jeder kommt mal an eine Stelle, an der er den ganzen Kram gern hinwerfen würde. Ich habe es jedesmal überwunden in dem ich mir gesagt habe, daß danach das Maß an beruflicher Selbstbestimmung weiter sinken würde.

Meine aktuelle Realität sind nun mal die Windeln und Gummihosen (klingt niedlicher als PVC-Schutzhose). Zumindest glaube ich das. Aus Hass ist wohl so eine Art Hassliebe zu den Dingen geworden, die mich beschützen und das empfinde ich als mein Problem.

LG
Thor
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MrN
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Beitrag Mi., 02.12.2009, 17:54

Hallo Thor,
was meinen Nick angeht, da habe ich mich zur Vorstellung kurz darüber ausgelassen.

Inzwischen muß und kann ich aber ergänzen: "Ich bin wieder wer!" Und daran trägt dieses Forum ein gerüttelt Maß an "Mitschuld".
Thor hat geschrieben: ... eine Art Hassliebe zu den Dingen geworden, die mich beschützen und das empfinde ich als mein Problem.
Wie war! Ich wünsche Dir jedenfalls, daß Du Dich da in den Griff bekommst. Es geht halt um Kontrollverlust, und das geht psychisch tiefer, als man sich selbst zuerst eingestehen möchte. Also Kopf hoch, Po zusammenkneifen und durch... Vielleicht klappt es so ja am leichtesten.

Oh Mann, in Deiner Haut möchte ich echt nicht stecken.

Thor hat geschrieben:Man macht im Berufsleben Dinge durch, die einen selbst wohl eher unbemerkt verändern. Manchmal ist das nur Anpassung. Wie glaubst du deine Kompetenzen verloren zu haben? Es würde mich interessieren.
Danke der Nachfrage. Ich bin noch am überlegen, wie ich diese Fage am Besten beantworten kann.

Immerhin unterliege ich dem Geschäftsgeheimnis und nicht alles und jedes läßt sich soweit verallgemeinern, daß es am Ende für die Öffentlichkeit unkenntlich und anonym bleibt.
Und wenn ich schon eine eindeutige Antwort auf dieses "Wie?" hätte, dann bräuchte ich vermutlich auch keine Therapie mehr.

Also, um mal einen Anfang zu machen, vor etwa 10 Jahren (mit Beginn der Schröder-Ära) änderte sich die Politik und dann allmählich das Betriebsklima in meiner Firma.
Ich selbst hatte immer das Bedürfnis, mich besonders zu profilieren, und habe da einen Verdacht, daß ich ein Bauernopfer für den Richtungswechsel geworden bin. Eigentlich hatte ich gedacht, ich könnte mich da schnell anpassen, aber es gab bei mir enorme Hemmnisse teils der gesundheitlichen, teils der gewissenhaften Art - ich hatte also Skrupel, und die haben mich langsam, aber sicher, ausgehöhlt haben. Der Witz ist, daß ich bis zum letzten aktiven Tag geglaubt habe, ich könnte es wieder in ruhigeres Fahrwasser schaffen. Aber immer, wenn ich dachte: "So jetzt habe ich wieder Grund unter den Füßen, jetzt kann ich mir wieder etwas aufbauen, änderten sich urplötzlich die Rahmenbedingungen und mit mir ging's erneut ab in den Dreck." Im Nachhinein frage ich mich wirklich, warum ich dieses Spielchen so lange mitgespielt habe...

So weit ersmal. Aber wirklich DANKE, denn da hast Du mich genau am richtigen Punkt erwischt. Plötzlich trat mir die Schamesröte ins Gesicht (schau mal: ) und ich hatte eine Menge zu tun, wozu ich mich schon wochen- bzw. sogar monatelang nicht habe aufraffen können. Deshalb auch der kleine Aussetzer hier im Forum. Jetzt habe ich wirklich Laune bekommen und lege wieder los. Und ich hoffe wie wahnsinnig, daß mich die Mutlosigkeit nicht gleich wieder einholt.
Wird schon werden, sage ich mir, und mache jetzt einfach ein Weilchen so weiter.
Na, bis bald mal...
MrN

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Thor
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Beitrag Fr., 04.12.2009, 19:26

Hallo MrN,

danke für deine lange und ausführliche Antwort. Ich muss garantiert durch mein Dilemma durch. Übrigens sitze ich mit Windel und Gummihose vor dem Rechner und fühle mich ganz wohl dabei. Es geht nicht mehr soviel daneben und zuhause bräuchte ich es wahrscheinlich gar nicht. Ich mache es trotzdem. Vielleicht ein wenig aus Trotz und in der Stadt habe ich mein kleines Geheimnis. Die Menschen sind sehr unaufmerksam, da merkt niemand was. Ich war am Samstag Einkaufen und war dankbar, keine Toilette aufsuchen zu müssen. Schließlich hatte ich meine Windel dabei. Sag mir, ist das verrückt? Ich will auch nicht als Fetischist gelten. Für so normal halte ich mich noch. In der nächsten Woche folge ich wieder dem Lockruf der Arbeitswelt, wenn auch nicht in Vollzeit.

Ich werde normal, soweit das überhaupt geht, in den Job einsteigen. In den letzen Jahren haben sich für mich mehrfach die Rahmenbedingungen geändert. Der Chef gewechselt, neue Leute im eigenen Bereich, wichtige Ansprechpartner weg und ersetzt. Das ging manchmal schon an die Substanz. Natürlich passt man sich irgendwie an. Man sollte sich aber treu bleiben. Eine eigene Meinung zu habe, ist häufig Luxus und den gönne ich mir hin und wieder. Beides hilft.

Es freut mich, dass du dich wieder obenauf fühlst und ich wünsche dir, es möge lange anhalten.

Bis bald mal und einen schönen 2. Advent
Thor
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MrN
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Beitrag Fr., 11.12.2009, 23:56

Hallo Thor,
mein Oben-auf-sein war natürlich wieder mal nur eine manische Episode gewesen. Danach bin ich voll wieder in so ein Stimmungstief gerutscht. Jetzt komme ich langsam wieder daraus hoch. Bin halt noch längst nicht wieder stabil.

Wie geht's Dir. Du schreibst ja ziemlich bestimmt von Deinem Wiedereinstieg ins Berufsleben. Hast Du schon eine Vorstellung, wann es wieder soweit ist bzw.sein soll?

Dir auch eine schöne Advents- und Weihnachtszeit
MrN

P.S. Ich denke, daß Dein "kleines Geheimnis" im Grunde recht praktisch ist. Also, wenn es einen Nutzen hat, dann würde ich das noch nicht für einen Fetisch halten.

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Thor
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Beitrag Di., 15.12.2009, 08:10

Hallo MrN,

natürlich wollte ich noch die Wiedereinstieg in das Berufsleben schildern. Ich habe übrigens bei Yahoo einen Blog angefangen, in dem ich meine "Erlebnisse" ein wenig verarbeite. Ich habe gemerkt, dass das Aufschreiben hier im Forum recht hilfreich war. Man findet irgendwie zu sich selbst, was auch eine neue Erfahrung für mich war. Aber nun zum Berufseinstieg.
Den habe ich schon vollzogen. Irgendwann kommt der und ich wollte ihn nicht künstlich hinausschieben und ihn in das neue Jahr legen. Der Wiedereinstieg war inhaltlich nicht ganz so schwierig, weil ich schon vorher telefonisch oder per Mail den einen oder anderen Rat gegeben habe. Nun war der Chef wieder da. Mancher war durchaus froh, weil wieder jemand anders die Entscheidungen fällen konnte. Die Reaktionen waren überwiegend positiv. Ein paar Wogen galt es zu glätten, weil zwei Kollegen aneinander geraten waren und sich hierbei Parteigänger gesucht haben. Das war die eine Seite. Die andere Seite war mein kleines Geheimnis. Ich hatte ein wenig Angst davor, dass mir der Stress einen Rückschlag verpassen könnte. So bin ich halt mir dünneren Windeln und Gummihosen zur Arbeit. Das war in der Anfangszeit ganz gut so. Es ging noch was daneben und ich fühlte mich sicher. Die Windeln sind kleineren Einlagen gewichen, die Gummihosen habe ich beibehalten. Finde ich immer noch sicherer.
Das kleine "Geheimnis" hat übrigens noch keiner bemerkt. Den Grund meiner Abwesenheit war halt ein Nierenproblem.
Mal manisch, mal depressiv. Da möchte ich nicht tauschen. Dann lieber Windel und Gummihosen, die man abstreifen kann (obwohl ich im Moment wieder welche trage, auch nacher beim Einkaufen). Was löst den deine Phasen aus?

Dir auch schöne Advents- und Feiertage
Thor
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MrN
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Beitrag Di., 15.12.2009, 13:06

Ooch, das ist eigentlich ziemlich einfach.

Wenn ich das Gefühl habe, einem inneren Impuls, also einer Inspiration folgen zu können und zu dürfen, dann geht es mit mir schnell bergauf. Dabei verliere ich mich ziemlich schnell und ziemlich ganz im Tun. Dabei verliere ich den Bezug zur Realität und werde tatsächlich ein wenig manisch. Und dann kommt mit ziemlicher Gewißheit ein Punkt, wo mich die Realität einholt und all meine Bemühungen relativiert. Tja und dann geht es noch viel schneller, immer weiter in den Keller...


Der Zustand ist inzwischen lebensbedrohlich geworden, weil ich die Realität in vielen Punkten nicht mehr akzeptieren kann. Und deshalb ist es halt doch nicht so einfach. Vor ein paar Jahren habe ich immer noch ein wenig einen Ausgleich geschafft, indem ich mir Dinge bewußt gemacht habe und dann Wertungen vornehmen konnte. Diese kamen aber zunehmend zu spät, und irgendwann habe ich dann mein Zeitgefühl fast komplett verloren. Tja, und ohne Zeit und Wertesystem bist Du halt nur noch ein gefundenes Fressen für die lieben Kollegen-Mitbewerber.

Na ja, wenigstens kann ich darüber inzwischen wenigstens wieder lachen...
Ich weiß nicht, ob ich den Weg zurück finde. Es gibt lichte Tage, da fühle ich mich wieder ganz, wie der Alte. Da habe ich plötzlich alles klar in meiner Runkelrübe. Das sind die Tage mit der Inspiration...

Oh, ich wundere mich gerade, wieviel ich auf Deine Frage schon wieder geschrieben habe.
Das Forum ist sein Geld wirklich wert. Da wird sich meine Therapeutin aber freuen!
Viele Grüße
MrN

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Peter P.
neu an Bo(a)rd!
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Beitrag Do., 21.01.2010, 00:01

Hallo Thor,

zufällig habe ich deine Beiträge gelesen. Ich kenne deine Probleme und habe seit Jahren ähnliche Schwierigkeiten.

Wenn du magst können wir uns weiter austauschen. Vielleicht hast du es ja auch schon überwunden?

Viele Grüße Peter

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Thor
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Beitrag Mi., 27.01.2010, 18:25

Hallo Peter,

es ist immer gut zu hören, nicht so allein mit einem Problem zu sein. Ich würde mich gern mal austauschen, man wird ja nicht dümmer dabei. Wir können es auch außerhalb des Forums tun.
Windeln und Gummihosen begleiten mich noch. Sie sind immer noch ein Sicherheitsaspekt, den ich nicht missen möchte. Es ist einfacher, über längere Zeit mit Windeln unterwegs zu sein als ohne. So hätte ich vor Monaten garantiert nicht gedacht.
Bis bald mal und beste Grüße von
Thor
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