Zwänge, Ängste und das 'Beruhigungsgefühl'

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Phobien, Zwängen, Panikattacken und verwandten Beschwerden.
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Greeny
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Zwänge, Ängste und das 'Beruhigungsgefühl'

Beitrag Sa., 20.02.2010, 19:31

Hallo, ich hatte Anfang Januar hier schonmal ein Thema eröffnet, aber da ich mich nicht kurzfassen konnte, wurde es in die "langen Beiträge" verschoben.
Naja, jetzt dachte ich mir, ich fasse mich etwas kürzer, damit es auch gelesen wird:

Also, ich leide unter Kontrollzwängen. Und man könnte sagen, ich bin nach einem "Beruhigungsgefühl" süchtig. Wenn ich etwas kontrolliere, dann soll sich das "richtig" anfühlen. Und ohne dieses "Richtig anfühlen" fühle ich mich nicht beruhigt. Manchmal ist es auch so, dass ich etwas kontrolliere, es sich "richtig anfühlt", ich mich dann davon abwende, weil ich denke, ist ja klaro, und direkt danach bin ich wieder nicht sicher, ob das Kontrollierte okay ist.
Genauso kann ich manchmal Sachen kontrollieren (z.B. ob was aus oder zu ist) und ich gucke hin und gucke hin und sehe es eigentlich ganz genau und diese doofe "Beruhigung" stellt sich nicht ein oder es dauert sehr lange. Und dann zweifel ich echt manchmal an mir, dass ich einerseits was ganz Offentsichtliches sehe (die Tür ist zu) aber es sich nicht richtig anfühlt.
Manchmal habe ich schon vor einer Handlung (oder vor einer Kontrollhandlung) Angst, dass es sich hinterher nicht richtig anfühlen könnte und tue mich so schon von Anfang an schwer mit der Handlung.
Ich fühle mich in solchen Situationen so bescheuert und hilflos, weil ich denke, ich sehe doch genau, wie etwas ist. Meine Augen funktionieren doch!!! Und dann kontrolliere ich das und ich fühle mich dabei einfach nicht beruhigt und je länger ich dann hinsehe, desto weniger glaube ich meinen Augen. Dann muss ich wegsehen, die Augen etwas ablenken und es dann nochmal probieren.
Das kann auch in Gedanken sein - oft kontrolliere ich die Dinge, die ich gemacht habe, hinterher in Gedanken. Z.B. ob ich eine Tablette genommen habe. Und dann muss ich mir das möglichst bildlich vorstellen und die Erinnerung muss sich "richtig" anfühlen, damit ich beruhigt sein kann, die Tablette genommen zu haben. Das ganze ist sooo sch*** anstrengend

Hinzu kommt, dass ich sehr oft das Gefühl / die Angst habe, was falsch gemacht zu haben und dass dadurch was Schlimmes passieren kann (bis hin zu Haus abbrennen, manchmal ergeben sich die unmöglichsten Kathastrophenszenarien in meinem Kopf). Und deshalb versuche ich ständig, mich und meine Handlungen unter Kontrolle zu haben. Dauernd schwirren dann Zweifel in meinem Kopf herum. Bin ich da dran gekomme? Habe ich das angemacht? Ist das wirklich okay? Habe ich versehentlich da was gemacht? Ist da was umgekippt?...Und immer muss ich mich beruhigen - da ist es wieder, dass Beruhigungsgefühl.

Diese Probleme halten mich schon ziemlich auf im Alltag, dazu kommt, dass ich sowieso eher faul veranlagt bin, aber selbstständig freiberuflich arbeite, mir also selber in den Po treten muss und mich motivieren muss. Durch den Zwang dauert eh vieles länger und dann noch meine "Unmotiviertheit"...mein Freund wird leider sehr oft in die Probleme miteinbezogen, um mich zu beruihgen (ja, eigentlich ganz falsch) und er ist mittlerweile extrem genervt und unsere Beziehng steht auf der Kippe. Er hat wirklich schon super Geduld mit mir gehabt und meint, das beste wäre ein Klinikaufenthalt, aber ich will es gerne so schaffen. Zur Zeit bin ich in Therapie, eher Gespräch und Analyse, werde aber bald zu einer Verhaltenstherapie wechseln können. Ich habe mir wirklich vorgenommen, mein Leben zu ändern, fleißiger zu sein, durch die Therapie Wege gegen meine Zwänge zu finden und zu üben, mich zusammenuzureißen...Eigentlich wäre es ja ganz einfach - einfach die Kontrollen und Gedanken lassen und sehen, dass doch nichts passiert und alles gut geht. Aber ihr kennt das ja wahrscheinlich, das ist leichter gesagt, als wirklich getan.

Und da wollte ich fragen - kennt das wer? Was macht ihr in solchen Situationen? Vielleicht kann man sich da ja etwas austauschen.

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Toshiba
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Beiträge: 2

Beitrag So., 04.04.2010, 20:54

Ja, selbes Problem, seit einigen Jahren.
Halbwegs OK ist es nur, solange ich das Haus nicht verlassen muß, bei langer Abwesenheit (alles ab 2 h) wird es sehr mühsam.
Anfangs hat es gereicht, das *richtige* Bild des zu kontrollierenden Dinges (z.B.ausgeschalteter BZ-Strahler, leere Steckdosen-steck alle Geräte ab) zu speichern, aber ich brauch immer länger um dieses B-Gefühl halbwegs zu erreichen, meistens bleiben trotzdem Zweifel, das stresst furchtbar! Führe teilweise schon Selbstgespräche dabei und halte mich selber schon für sehr...naja durchgeknallt.
Hab auch Angst vor Katastrophen, vor allem das es brennt.
Hab zusätzlich noch Angst, das beim Autofahren was passiert, eig. ist es nur halbwegs OK, wenn ich zuhause sein kann.

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schrägervogel
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Beiträge: 1

Beitrag Mi., 07.07.2010, 18:34

Hallo Ihr zwei!

Ich kenne sowas auch, bei mir war die Diagnose eine Zwangsneurose und komplexe PTBS, allerdings in einer eher leichteren Ausprägung, die Zwangsneurose sollte im Vordergrund stehen. Die Psychiaterin hat bislang Hypnose und EMDR dagegen gemacht und es ging mir sehr schnell wieder sehr gut, auch wenn es immer wieder mal absackte, war doch insgesamt eine deutliche Verbesserung spürbar. Angefangen hatte das vor sieben Jahren und es war stimmungsabhängig, ließ sich durch Sport etwas eindämmen. Als ich zu ihr kam, war ich bei 23 Zwängen, von denen zumindest die gedanklichen bei etwa 900 mal am Tag lagen und die Handlungszwänge bei etwa 100 bis 300 mal. Das ging eigentlich die ganze Zeit so, wenn ich wach war und wenn ich unter Menschen war, was ich immer noch einigermaßen hinbekam, war es sehr anstrengend, das zu verstecken. Ich bin zu ihr gegangen, als mir dauernd schwindelig wurde und ich einige Male umgekippt bin. Nach der Hypnose war ich bei 3-5 mal am Tag und es waren nur noch Berührzwänge. Nach der EMDR-Sitzung war vor allem meine Stimmung wesentlich gelöster, ob das noch groß Einfluss auf die Zwänge hatte, kann ich nicht sagen, seither habe ich noch etwa drei davon am Tag.

Insofern ist das beste, was ich Euch raten kann, dass Ihr zu einem Psychiater geht. Man muss klar stellen, ob es sich wirklich um eine Zwangsneurose handelt, Zwänge kommen auch manchmal im Rahmen von Depressionen vor, können auf neurologische Befunde zurückzuführen sein und gerade Kontrollzwänge können auch im Rahmen einer zwanghaften Persönlichkeit zusätzlich auftreten. Die Möglichkeiten sind vielfältig und Klarheit bringt Euch nur ein Arzt.

Was mir auch geholfen hat, ist mit engen Freunden darüber zu reden, auch wenn es peinlich ist. Man wird zwar nicht verstanden, aber man hat das Gefühl, dass man trotz der Krankheit ja ein liebenswerter und akzeptierter Zeitgenosse ist.

Ansonsten hilft es, sich sportlich zu betätigen. Das baut Stress ab, schüttet Serotonin frei und im Idealfall kommt man unter Leute. Das stärkt alles, was man selbst jetzt und sofort gegen die Krankheit tun kann.

Fahrt zweigleisig, die Krankheit wirklich heilen bzw. euren Zustand verbessern kann nur ein Psychotherapeut. Aber Ihr dürft Euch mit den Zwängen nicht zuhause verstecken. Überlegt Euch vor allem, wie Ihr es bisher geschafft habt, mit den Zwängen umzugehen und konzentriert Euch genau darauf. Eure Situation ist nicht ausweglos, auch wenn die Zwangsneurose leider wirklich schwer zu behandeln ist und man in der Therapie Rückschläge bekommt.

Ich hoffe, ich konnte Euch helfen...

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(e)
[nicht mehr wegzudenken]
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Beiträge: 3983

Beitrag So., 13.01.2013, 10:07

Greeny, Du hast das sehr anschaulich beschrieben, geht mir auch so!

Mein zwanghaftes Verhalten ist wie eine verschluckte Fernbedienung, die sich selbständig macht und nicht tut, was nun primär getan werden müsste, sondern ganz eigene Prioritäten entwickelt, nicht komplett falsche, aber irgendwie unkoordiniert und nicht auf den Alltag abgestimmt, wie es sein müsste. Und ja, dieses Evidenz-Gefühl bei der Kontrolle fehlt mir auch oft, auch wenn ich schon einiges im Griff habe.

Würde mich freuen, wenn sich mehr Leute zu dieser Thematik melden würden!

Bis dahin setze ich mich selbst wieder mal unter Quarantäne hier. Bin wieder mal zu zwanghaft hier unterwegs!
Lieben Gruß
elana

inaktiv, siehe Link in meinem Profil

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manuelrd
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Beitrag Di., 22.04.2014, 17:28

Ich (m/33) bin leider auch schon sehr sehr sehr viele Jahre mit diesem Fluch behaftet.

Was auf keinen Fall hilft ist:

- sich selbst anschreien
- sich selbst mit der flachen Hand auf den Kopf schlagen
- weinen
- einen Gegenstand zerstören
- Gott und die Welt verfluchen

Was leider bei mir auch nicht geholfen hat waren Hypnose, 3 Sorten von Medikamenten, Schädel-MRT und aber tausende Sitzungen bei div. Psychologen, Verhaltenstherapeuten, usw...

Recht viele Optionen bleiben mir nicht mehr.

lg, Manuel

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Tabsi
Helferlein
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weiblich/female, 28
Beiträge: 65

Beitrag Di., 22.04.2014, 19:11

Hallo,

auch ich leide seit ca. vier Jahren unter Zwängen (Waschzwang und hauptsächlich Zwangsgedanken). Dies ist sehr anstrengend und manchmal auch kräftezehrend...

Ich freue mich auf einen Austausch mit euch, wenn ihr mögt!
Liebe Grüße

Tabsi

Glück ist Liebe, nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich.

Hermann Hesse

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manuelrd
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männlich/male, 33
Beiträge: 3

Beitrag Mi., 23.04.2014, 10:35

Ich versuche seit Jahren Zusammenhänge zu erkennen z.B.: viel Schlaf -> weniger Zwänge oder früher schlafen gehen -> weniger Zwänge usw...

Leider habe ich bis jetzt keine sinnvollen Zusammenhänge erkannt.
Manchmal ist es leicht besser und manchmal zum ausrasten schlimm.
Wenn ich Kopfschmerzen habe ist es eigentlich immer sehr schlimm.

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