Endgegner: heftige Angststörung und Dilemma

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olf
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Endgegner: heftige Angststörung und Dilemma

Beitrag Do., 06.03.2014, 19:35

Hallo zusammen,
bevor ich euch hier einen, über mehrere Tage erstellten, Text über meine Erkrankung anhänge, noch kurz zu der Vorgeschichte, auf die ich in dem Text nicht mehr eingehe.

Meine Geschichte geht wohl so richtig im späten Grundschulalter mit 10 Jahren los. Da hatte mein Vater in relativ jungen Jahren zum ersten Mal einen gesundheitlichen Schicksalsschlag.

Das zog sich dann grob im 2-Jahres-Rhythmus über 8 Jahre lang (Herzinfarkt, Gehirnblutung, 2 Schlaganfälle) und damit war meine Kindheit/Jugend voller Angst (um meinen Vater), Misstrauen ins Leben und Misere auch schon durch.

Hinzu kam (und das macht wohl den Cocktail, der mir am Ende das Alles eingebracht hat), dass meine Eltern, vor allem mein Vater, direkt oder indirekt (womöglich auch unter dem Einfluss der permanenten Tristesse) eine Erwartungshaltung an den Tag legten, die bei mir (und meiner Schwester) einen enormen Leistungsdruck erzeugten und einem umgekehrt nicht wirklich etwas gönnen ließ. Das Problem dabei, dass zumindest ich diesen äußerlichen Schub nie wirklich gebraucht habe/hätte und vieles, was von meinen Eltern kam da einfach nur kontroproduktiv wirkte; sprich ich versuchte und wollte mehr als das, was schon 100% waren, denn ich selbst war mündig genug und regulierte mich eigentlich selbst. Vieles an den Umständen damals hat dazu geführt, dass ich übermäßig Verantwortung und Verplichtung übernommen habe, für meinen Vater und meine Mutter, die natürlich oft (alleine zu Hause mit den Kindern und dem Mann vor dem Tod) überfordert war, aber auch und besonders für mich selbst. Ich wollte Dinge greifen, die man halt einfach nicht in der Hand hat, wollte perfekt sein; wollte stark, stärker sein und es erst recht zu was bringen, denn: dein Vater hatte ja trotz aller Widrigkeiten (es ist eigentlich ein Wunder, dass er heute noch lebt und noch völlig normal ist) so vieles im Leben erreicht.

Viele Faktoren spielen dabei ineinander. Ich war schon immer sehr empathisch, "empathisch" wurde irgendwann zu "selbstlos". Dass man sich auf Gebiete begibt, auf die man sich ohne diese Umstände nie begeben hätte, ist dann wohl zwangsläufig. Bei mir fing es dann richtig an, als ich nach dem Abi vor scheinbar unzähligen Möglichkeiten stand. Da wollte ich greifen, sicherstellen, dass ich auch ja was draus mache...und fing an, mir um meine eigene Gesundheit als Basis übermäßig Gedanken zu machen - vor allem, weil ich es ja den Anderen, dem Umstand oder irgendetwas in mir schuldig bin, dass von der Seite aus zu 100% alles passt (mir persönlich hätte schon weniger gereicht). Befeuert wurde dies durch eine Art unterschwellige, permanente Angst, die tief in meiner Kindheit und Jugend verankert ist, und die mir vermittelte, es würde irgendwie, irgendwann was Schlimmes passieren - es würde nicht gut werden (offensichtlich, woher dieses Misstrauen ins Leben kommt).

Ich habe wohl existentielle Sicherheiten in meinen jungen Jahren nicht ausbilden können und darüber hinaus eine Einstellung/Angst "gewonnen", dass es schlimm/schlecht/was auch immer werden wird. Verknüpft man dies mit den Erfahrungen durch und von den Eltern, die ich oben beschrieben habe, wird das eine gefährliche Kombination, in der man immer mehr macht, um dabei die ganze Zeit in die falsche Richtung rennt.

Diese Worte bilden natürlich nur in Ansätzen das Geflecht an Faktoren, Anlagen und Umständen ab, die zu der folgenden Problematik geführt haben. Aber es reicht hoffentlich um einen Eindruck zu gewinnen.
Ich erwarte nicht, dass die kommenden 5 Seiten jemand - womöglich gar komplett - liest. Aber vielleicht findet sich der ein oder andere ein Stück weit wieder oder möchte einfach nur mitdiskutieren oder hat Rat zur Hand.

Das würde mich freuen!


Da ich die verfügbaren Zeichen überschreite mit dem Text und auch keine Anhänge machen kann, habe ich die PDF einfach hier hochgeladen.
Angsterkrankung.pdf

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haluro
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Beitrag Fr., 07.03.2014, 08:31

Hallo,

mir ging (und geht) es ähnlich, wenn vielleicht auch nicht so stark, dass ich in Entscheidungssituationen zur Salzsäule erstarre.

Ich finde dein Bild, dass ein Hase einer Karotte auf einem Wägelchen nachjagen soll, einfach komisch. Frage mich, warum du dieses Bild geschaffen hast.

Nun ja, ich dachte folgendes schon vorher: Kann es sein, dass du dich als Kind vielleicht zu selten mit anderen Jungs geprügelt hast?

Mfg
haluro

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olf
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Beitrag Fr., 07.03.2014, 17:57

Danke für deinen Kommentar.

Hast du die komplette PDF gelesen? Falls ja, das mit dem Hasen ist das, was dir hängen bleibt? Das find ich komisch Steht ja weit mehr drin, was du hättest extrahieren können.

Aber zu deiner "Frage": ich wollte damit verdeutlichen, dass man etwas nachrennt, was nicht einzuholen ist. Das habe ich woanders auch mit anderen Worten ausgedrückt. Von einem Wägelchen ist jedoch nicht die Rede - ich kenn nur das Bild von dem Hasen, der die Karotte vor der Stirn baumeln hat.

Zu deiner zweiten Frage: Welcher Hintergedanke steckt denn da bitte drin? Aber um sie zu beantworten. In der Grundschulzeit hatte ich mich sogar immer mal wieder "schlagen" müssen, weil da die ein oder anderen Raufbolde unterwegs waren. Mit der Zeit ließ das verständlicherweise nach, zumal ich grundsätzlich ein Mensch bin, der sehr viel Skrupel hat und auch andere Weg kennt und vertritt.

Aber nochmal: warum!?

Aber zu dir: Inwiefern geht es dir ähnlich? Hast du Ähnliches erlebt?

Und nochmal zum Klarstellen: Ich werde nicht zur Salzsäule: Mir rasen nur sehr viele Sachen durch den Kopf, da die Angst einfach fast alles hinterfragen lässt und du so auch zu grundphilosophischen (Sinn)-Fragen kommst. Ansehen tut man mir das die meiste Zeit nicht - zumindest Jahre lang. Als ich irgendwann mit der Sache rauskam, konnten es die wenigsten glauben, weil ich eben auch einiges noch hinbekommen hab (Diplom usw.), aber jetzt musste ich halt (erstmal) die Reißleine ziehen, da ich mit dieser Halb-Halb-Geschichte, sprich noch irgendwie versuchen das "normale" Leben zu managen, nicht mehr hinkam und sich die Erkrankung nur noch verschlechterte. Ich muss jetzt erstmal alles Andere dem unterordnen, denn wenn man sich permanent fühlt, als würde gleich irgendetwas passieren und als hätte man was vergessen, lässt das nicht mehr viele Optionen offen, mit denen man sich beschäftigen kann/will. Sogar Sachen, die Spaß machen (sollten) stehen da auf der Kippe.

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haluro
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Beitrag Sa., 08.03.2014, 05:14

Doch, ich habe das PDF komplett gelesen, (und jetzt gespeichert).

Allerdings nicht so intensiv.

Das Wägelchen mit der Karotte habe ich wohl dazu erfunden - wohl, weil mir nie in den Sinn gekommen wäre, einem Hasen so einen Karottengalgen auf die Stirn zu schnallen. Ich erinnere mich dunkel, so ein ähnliches Experiment mit einem Tier mal versucht zu haben (kein Hase). Es ging unerwartet aus. Nach ein, zwei Schritten war Schluss, da hatte das Versuchstier die Sache durchschaut.

Dein Gedankengebäude mit Grundangst und Spontanangst ist originell. Was du Spontanangst nennst, würde ein anderer vielleicht als Zweifel, Selbstzweifel oder Skrupel bezeichnen. Und Perfektionismus scheint für dich eher ein Verhindern von Zweifeln (in deinen Worten Spontanangst) zu sein als die ebenfalls mögliche Variante - der Wunsch oder der Zwang, ein Ding so gut zu machen, wie es bisher noch nie jemand geschafft hat, z.B. Dürer seine Hände usw. Die Ergebnisse der künstlerischen Tätigkeit könnten ja sowohl unter der Angst, etwas verkehrt zu machen als auch mit dem Wunsch, das beste abzuliefern, zustande gekommen sein. Das sieht man ihnen nicht an.

Bei mir hatten die Kloppereien in der Schulzeit keinen Einfluß. Ich war schon vorher ängstlich, eventuell ein Geburtstrauma oder so etwas. Vielleicht lag es daran, dass ich mich ziemlich selten auf so etwas eingelassen habe, und dabei offenbar nicht oft genug gewonnen habe, so dass ich die ängstliche Grundhaltung eigentlich nie verloren habe. Ich bin hier bewusst etwas ungenau.

Nun ja, wer A sagt, muss auch B sagen.

Also gut. Ich hatte vor ein paar Jahren eine Schlägerei. Vier oder fünf Typen in einer Gartenwirtschaft, ich allein. Stolperte, und die lachten darüber. Ich ging hin, weil ich einen absolut üblen Tag gehabt hatte und der Spott in dem Moment einfach zuviel für mich war, und stieß dem Größten das Bier vom Tisch oder so etwas in der Art. Der glotzte ein paar Sekunden lang ungläubig und dann fuhr er hoch, seine Kumpel glotzten ebenfalls ungläubig, blieben aber hocken und dann prügelte ich mich eben mit dem ein bischen und letztendlich ging es in einer Pattsituation aus und aus dieser Situation kam ich raus, indem ich ihn zuerst zur Sau machte und zum Schluß mit den Bullen drohte.

Die Geschichte bewirkte ein Hochgefühl bei mir, das wochenlang anhielt und auch jetzt noch, mehr oder weniger abgeschwächt, vorhanden ist.

Die Typen haben offenbar Lokalverbot gekriegt, ich habe sie nie mehr gesehen.

Ich glaube nicht, dass du das nachexerzieren kannst, zumindest würde ich das an deiner Stelle nicht probieren. Aber vielleicht gibt es ja was ähnliches.

Mfg
haluro

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