Immer öfter Angst

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Phobien, Zwängen, Panikattacken und verwandten Beschwerden.
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quovadis
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Beitrag So., 24.08.2008, 19:25

Hallo Munima,

das sind ja schlimme Zustände, in deiner Familie. Aber du persönlich bist wohl auf dem richtigen Weg, wenn du bei deinen Depressionen trotzdem Fortschritte machen konntest.

Ich hab’ auch jedesmal ein ungutes Gefühl, wenn ich meinen Briefkasten öffne. Ich denke, es könnte eine Rechnung drin sein, die ich nicht bezahlen kann oder eine negative Mitteilung vom Amt oder meiner Versicherung. An manchen Tagen schaffe ich es wegen der Angstproblematik kaum aus der Wohnung. Du kannst deiner Psychologin ja noch von deiner Angst erzählen. Das wäre sicher gut, denn das ist ja ein wichtiges Thema und wenn deine Psychologin davon nichts erfährt, kann sie dir in dem Punkt auch nicht helfen. Ich kenne die Situation, dass man während der Therapeutenurlaube die Zähne zusammenbeissen muss, weil man plötzlich mit den Problemen ganz alleine ist. Bei mir hat sich da immer einiges aufgestaut. Seit dem Ende meiner Psychotherapie habe ich nur noch meinen Psychiater und den sehe ich erst in ungefähr 4 Wochen wieder.

Solange ich durch äussere Umstände nicht zum Handeln gezwungen werde, halte ich an Bestehendem fest. Das war schon früher so, hat sich aber seit meiner Erkrankung noch verstärkt. Ist natürlich blöd, wenn man etwas Neues wagen sollte, weil man mit der alten Situation einfach nicht weiter kommt und sich mit den Problemen ewig im Kreis dreht.

Du hast bislang wahrscheinlich noch keine Ausbildung machen können, wenn du Anspruch auf Unterhalt hast, oder? Hast du irgendwelche Vorstellungen, deine berufliche Zukunft betreffend? Ich meine, wenn du es schaffen würdest, auf eigenen Beinen zu stehen, dann wärst du nicht mehr auf die finanzielle Unterstützung deiner Familie angewiesen und bräuchtest keine Angst haben, dass dein Vater dir nichts oder zu wenig zahlt. Klar, das sagt sich leicht. Ich weiss ja gar nicht, zu was du mit deinen Beschwerden momentan überhaupt in der Lage bist.

LG
quovadis

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Thread-EröffnerIn
prisma
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Beitrag Do., 28.08.2008, 12:23

Hallo zusammen,

ich bin auch mal wieder hier...

@Munima
Leider kann ich Dir mit Deiner Situation auch nicht weiter helfen. Aber ich kenne Dein Problem sehr gut. Es gab immer wieder Phasen in meinem Leben, in denen ich es z.B. auch nicht schaffte, an den Briefkasten zu gehen, weil etwas Unangenehmes drin sein könnte. Rechnungen, Mahnungen, die Kündigung. Oder ich schaffte es nicht, die e-Mails meines Arbeitspostfachs abzuholen, einfach weil ich Angst vor Stress mit dem Chef oder einem Auftrag hatte, dem ich nicht gewachsen bin. Quovadis hat da sicher Recht, es ist einfach die Angst vor einer Veränderung. Ich habe das ganze oft so "gelöst", dass ich alles erst abends erledigt habe. Da war mit meinem Mann jemand zu Hause, mit dem ich bei einer unangenehmen Nachricht sofort hätte reden können. Aber der tägliche Druck dahinter war schlimm, ich kann mir also gut vorstellen, wie sehr Du darunter leidest.

@quovadis
Ich hoffe, Dein Termin beim Psychiater hat Dir weiter geholfen? Bist Du schon weitergekommen mit der Arbeitsagentur? Bei der nicht erfolgten Stellungnahme Deiner Therapeutin ging es um Deine Arbeitsfähigkeit, oder? Ist das denn ihre generelle Auffassung gegenüber allen Patienten oder hat sie nur bei Dir so gehandelt?

Du hast mir übrigens mit Deinem letzten Beitrag sehr geholfen. Er war so sachlich und gleichzeitig verständnisvoll - vielen Dank dafür! Ich denke, was das Verharren in unangenehmen Situationen angeht, sind wir uns sehr ähnlich. Ich habe ja die Erfahrung gemacht, dass in vielen Situationen nichts besseres nachkommt und ich glaube, alleine diese Vorstellung macht mir Angst. Auch dieses ungeschriebene Gesetz bei uns zu Hause, dass man sich "durchbeißen" muss, steht mir da im Weg. Auch in meinem Studium habe ich viel zu lange ausgeharrt. Hätte ich das nicht getan, wäre ich heute vielleicht auch ganz wo anders. Aber gelernt habe ich irgendwie nicht draus, ich verharre immer wieder.

Allerdings musste ich mich ja entscheiden, ob ich bei meinem Chef evtl. mit Akquise weitermachen möchte. Ich habe lange darüber nachgedacht und mich dagegen entschieden, einfach, weil ich das auf Dauer nicht packen könnte und evtl. in ein paar Monaten dann wieder genau da angekommen bin, wo ich jetzt stehe. Ich glaube, da ist es auch nicht schlimmer, arbeitslos zu werden. Natürlich frage ich mich immer wieder, ob dies nicht ein Fehler ist, weil ich damit eine eventuelle Chance vertan habe. Aber evtl. ist dies ein erster Schritt aus dem ewigen "Verharren" heraus ... Ich hoffe, ich kann das irgendwie so fortsetzen.

Sonst geht es mir nicht sehr gut, es gibt Tage, da bin ich total zitterig und aufgerieben. Ich habe bisher mit nur wenigen Menschen über meine Arbeitslosigkeit gesprochen und alle zusammen haben eigentlich sehr nett und verständnisvoll (im vergleich zu meiner ersten Arbeitslosigkeit vor ein paar Jahren) reagiert, mir Mut gemacht und gemeint, ich solle mich jetzt bloß nicht unter Druck setzen und versuchen den erstbesten Job anzunehmen, sondern mich erstmal umsehen. Das hat mich ein wenig beruhigt, manchmal hatte ich nach solchen Gesprächen sogar das Gefühl, ich könnte alles locker und ohne Angst angehen. Leider hielten diese positiven Gefühle nicht lange an.
Wobei mich das ganze Prozedere der Arbeitsagentur auch sehr nervös macht. Schon der Tonfall der auszufüllenden Anträge wirkt auf mich, als sei ich denen absolut ausgeliefert...

Wenn ich es jetzt noch schaffen würde, einen Termin bei einem Therapeuten zu vereinbaren, wäre ich sehr froh. Aber immer noch habe ich die Sorge, dass der sagt: Finden Sie erstmal einen Job, der Ihnen gefällt, dann sind alle Beschwerden weg. Ich glaube aber nicht, dass dies alleine die Wurzel meiner Probleme ist ...

Ich hoffe, wieder von Dir zu hören,

LG
prisma

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quovadis
Helferlein
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Beitrag Fr., 29.08.2008, 12:08

Hallo Prisma,

schön, wieder von dir zu lesen. Hatte mir schon Gedanken gemacht, wie es dir bei deinem Termin in der Arbeitsagentur wohl ergangen ist. Deine Beiträge haben mir auch geholfen, weil ich gemerkt habe, dass ich mit meinen Problemen nicht ganz alleine bin. Für das Ausharren in widrigen Situationen gibt es in meinem bisherigen Leben zahllose Beispiele. Ich überlege mir oft, ob es zu meinem Schicksal gehört, dass ich immer wieder in Situationen gerate, in denen das Ausharren und auch das Erbringen von perfekter Arbeitsleistung wie selbstverständlich von mir gefordert werden. Es soll ja Menschen geben, die einfach ein glückliches Leben führen.

Hast du eigentlich in der Arbeitsagentur einen einigermaßen freundlichen Sachbearbeiter bekommen? Das ist hilfreich, wenn man sich sowieso schon schlecht fühlt. Als ich damals arbeitslos war, hieß das Stichwort „Eigenbemühung“. Der Berater wollte so gut wie nie etwas von mir wissen. Hast du dir schon Gedanken gemacht, ob du dich beruflich verändern und auf welche Stellen du dich bewerben willst? Die Antragsformulare sind wirklich kein Spaß. Für das Jobcenter habe ich sieben Formulare ausfüllen und zusammen mit einem ganzen Haufen Nachweisen einreichen müssen. Im Zuge eines solchen Antrags gibt es im Prinzip keine Privatsphäre mehr. Jetzt kann ich erstmal nur abwarten, was als Nächstes geschieht. Nebenbei bearbeite ich einen Miniauftrag, der aber so gut wie kein Geld einbringt. Aquise und größere Projekte packe ich in meinem Zustand leider nicht.

Auch wenn durch meine sachliche Fassade meistens nichts nach außen dringt, waren die letzten Monate für mich extrem belastend. Durch meine wachsenden existenziellen Sorgen, das abrupte Therapieende und das enttäuschende Verhalten meiner Therapeutin hat sich mein Zustand deutlich verschlechtert und ich bin in ein Loch voller Einsamkeit, Niedergeschlagenheit, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit gefallen. Leider war dann auch noch mein Psychiater für 3 Wochen im Urlaub. In dieser Zeit war ich so am Anschlag, dass ich kurz davor war, dem Elend ein Ende zu setzen. Bei meinem ersten Termin in der Arbeitsagentur verlor ich die Kontrolle und mir flossen die Tränen und ich war so fix und fertig, dass der Berater sagte, ich solle nicht zögern mich in stationäre Behandlung zu begeben. Bisher habe ich so nicht darüber geschrieben, weil es mir irgendwie unangenehm ist. Ich war einer der allerersten Patienten meiner Therapeutin und wie sie sich anderen gegenüber verhält, weiß ich natürlich nicht. Sie sagte mir, dass sie nur für die innere Problematik des Patienten zuständig sei und nicht für dessen Äußere. In diesem Zusammenhang besteht sie auf der Autonomie des Patienten. Bislang konnte mir niemand erklären, wie ein Patient in meiner Lage gegenüber Ämtern und Versicherungen ohne Mitwirkung seines Arztes oder Therapeuten autonom auftreten kann. Bis auf die Diagnosen nach ICD-10 und ein paar emotional gefärbten Sätzen, durch die sie sich deutlich vom Verlauf und dem Ergebnis der Therapie zu distanzieren versucht, enthält ihr abschließendes Schreiben nichts. Ihr Verhalten ist so enttäuschend, dass ich es nicht in Worte fassen kann. Mein Psychiater redet dagegen nicht um den heißen Brei herum, sondern hat mir nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub gleich gezeigt, dass er mich mit meinen Problemen nicht alleine lässt und mir wirklich hilft, wenn es darauf ankommt. Er hat eine generalisierte Angststörung, eine spezielle rezidivierende depressive Störung und eine Somatisierungsstörung diagnostiziert und einen ausführlichen und aussagekräftigen Bericht dazu geschrieben. Ich bin ihm sehr dankbar für seine Unterstützung.

Ich wünsche dir, dass du den Weg zu einem Therapeuten schaffst und auch den Richtigen findest, der mit dir die Wurzel deiner Probleme untersuchen kann. Als ich im Krankenhaus das erste Mal auf einen Therapeuten traf, wurde mir sofort Verständnis entgegen gebracht. Also nur keine Angst. Wenn du dich fit genug fühlst, kannst du dich ja jetzt unabhängig davon um eine neue Stelle kümmern. Ich musste früher mal 3 Monate lang Kaltaquise machen. Das war furchtbar für mich. Seitdem bin ich der Meinung, dass man sich dazu berufen fühlen muss, sonst hat man keinen Erfolg damit und leidet nur darunter. Ich gratuliere dir deshalb zu deiner Entscheidung.

Ich freue mich, wenn du demnächst wieder hier auftauchst.

LG
quovadis

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