Panische Angst, ein böser Mensch zu sein

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Phobien, Zwängen, Panikattacken und verwandten Beschwerden.
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Wolkehundert
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Panische Angst, ein böser Mensch zu sein

Beitrag Do., 20.01.2022, 23:54

Liebe Community,

ich brauche dringend Hilfe. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich ständig mit meiner Angst, ein böser Mensch zu sein. Ich habe langsam das Gefühl, verrückt zu werden, weil meine Gedanken teilweise total theoretisch und absurd werden.

Ich möchte euch einfach mal ein Beispiel schildern und ich hoffe, ihr werdet nicht urteilen, weil es mir sehr unangenehm ist, darüber zu sprechen. Gestern habe ich eine Dokumentation über eine Frau gesehen, die als Kind sexuell misshandelt worden ist. Mir tat das sehr leid, aber so richtig emotional ist es nicht an mich rangegangen. Bei anderen Themen werde ich hingegen manchmal total emotional und fange direkt an zu weinen, weil ich so sehr mitfühle. Aber irgendwie wundert es mich, dass die Dokumentation nicht stärker an mich rangegangen ist. Dann kam ich aber dadurch auf einmal auf schlimme und merkwürdige Gedanken. Ich hatte auf einmal die Angst, eine Psychopathin zu sein. Ich hatte auf einmal die Sorge, dass ich später mal Spaß daran haben könnte, meinen Kindern etwas anzutun (so wie in der Doku). Ich verstehe nicht, woher diese Gedanken kommen. Ich hatte noch nie das Bedürfnis, jemandem körperlich wehzutun, aber trotzdem habe ich solche komischen Ängste. Die Gedanken waren in etwa so: "Ich hatte bisher kaum Kontakt zu Kindern oder Babys... Was, wenn ich später auch zu so einem Mensch werde, der böse zu Kindern ist? Was ist, wenn ich pädophil wäre? Bin ich pädophil? Was ist, wenn ich zu grob zu meinen Kindern sein werde, ihnen im Eifer des Gefechts wehtun würde?" Dann weiter: "Habe ich schonmal jemanden verletzt? Ich kann mich nicht erinnern. Vielleicht verdränge ich das nur, aber in Wahrheit habe ich schonmal einem Kind mit Absicht wehgetan. Aber mir fällt nicht ein, wann. Ich kenne doch kaum Kinder, bin doch die Jüngste."

Ich glaube, die Gedanken kamen auch dadurch, dass ich schon öfters bei mir erlebt habe, dass ich Kinder oder auch Erwachsene so süß finde, dass ich sie am liebsten drücken und zerquetschen will. Ich habe im Internet gelesen, so etwas nennt man "Cute Aggression". Aber irgendwie ist das doch nicht normal, oder? Ich habe da manchmal eine richtige Spannung in mir, wenn ich etwas so richtig putzig finde. Was ist, wenn ich dabei irgendwen verletzen könnte?

So etwas ist doch nicht normal, oder? Ich habe echt Angst, was mit mir passiert... Ich habe Angst, ich bin böse und ein schlechter Mensch. Insgesamt habe ich viele Fehler gemacht. Ich war ein eher schwieriges Kind und habe viel gelogen. Ich bin oft egoistisch, aber ich versuche mehr nach meinen moralischen Vorstellungen zu handeln. Trotzdem habe ich diese komischen Gedanken. Heißt das, ich bin ein böser Mensch? Einfach im Kern schlecht? Das könnte ich ja nicht ändern.

Ich habe schon gegoogelt, aber finde nichts zu dem Thema. Ich weiß nicht, was ich habe oder was los ist. Vielleicht kann mir jemand von euch helfen.

Vielen lieben Dank und herzliche Grüße
Wolkehundert

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candle.
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Beitrag Fr., 21.01.2022, 00:50

Hallo,

Ich kenne einige dieser Gefühle und habe mich einige Jahre damit herumgequält. Was das war, weiß ich auch nicht. Gesprochen habe ich auch nie mit jemanden darüber, weil ich es so schrecklich finde.

Gibt es bei dir einen Auslöser?

LG candle
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Gespensterkind
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Beitrag Fr., 21.01.2022, 06:28

Und hast Du schon mal in Deinem Leben Kinder oder Menschen, die Du "süß" findest umarmt? Ist da wirklich etwas passiert?
Tust Du böse Sachen (außer dass Du als Kind nicht nur einfach warst etc.)?
Ich frage deshalb, ob es wirklich konkrete Handlungen gibt oder ob es vor allem diese starken Gedanken oder Impulse sind, die Dich so massiv quälen?
Ich kann das so natürlich überhaupt nicht als Laie beurteilen, aber momentan liest es sich ein bisschen wie eine Zwangsstörung. Zwangserkrankung und Panik-, Angsterkrankungen liegen dabei oft nah beieinander.
Wie lange quält Dich das schon? Hast Du schon mal mit jemandem darüber gesprochen?

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Gespensterkind
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Beitrag Fr., 21.01.2022, 06:30

...hat auch häufig was damit zu tun, die Kontrolle um jeden Preis behalten zu wollen und zwar so (unbewusst) krampfhaft, dass man Angst hat, die Kontrolle zu verlieren. Das ist aber oft erst mal gar nicht so bewusst. Kann aber deswegen auch phasenweise verstärkt auftreten, weil es eben manchmal Lebensphasen gibt, in denen man einen Kontrollverlust befürchtet oder erlebt oder sich gerade besonders verunsichert fühlt durch irgendetwas...
...sind alles nur Anregungen - ich weiß nicht, ob das überhaupt irgendwie zu Dir passt

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Wolkehundert
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Beitrag Fr., 21.01.2022, 13:08

Vielen Dank für eure Antworten.

@Gespensterkind: Ich weiß es nicht. Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern. Aber vorgestern habe ich mir fast schon eingeredet, dass ich doch schonmal irgendwann einem Kind wehgetan habe, weil ich dem Impuls nachgegangen bin, es zu fest gedrückt/gezwickt zu haben. Aber ich kann mich daran überhaupt nicht erinnern. Eine Freundin hat ein Kind und das habe ich bisher nicht zu fest gedrückt, wenn ich es umarmt habe. Aber insgesamt bin ich wohl schon etwas grobmotorisch. :D Ich habe als Jugendliche auch mal ein Praktikum in einer Grundschule gemacht und da habe ich auch keinem Kind wehgetan und hatte auch nicht solche Impulse. Das ist aber natürlich schon lange her.

Ich habe immer mal wieder solche Gedanken gehabt, konnte es aber verdrängen, seit ein paar Monaten ist es schlimmer geworden. Insgesamt ist aber viel los bei mir und es geht mir psychisch wirklich nicht gut momentan. Ich bin auch eher ein Mensch, der zu Ängsten neigt. Und ich mag es auch nicht, die Kontrolle zu verlieren. Das passt also schon ganz gut.

Ich habe damit noch mit keinem so wirklich geredet, weil es mir extrem unangenehm ist. Es wirkt ja schon sehr verrückt, was ich für Gedanken habe.

@candle.: Interessant, dass du solche Gedanken auch kennst. Nein, einen richtigen Auslöser gab es nicht, außer dass es mir im Moment nicht gut geht. Hast du einen Auslöser entdecken können?

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candle.
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Beitrag Fr., 21.01.2022, 14:58

Wolkehundert hat geschrieben: Fr., 21.01.2022, 13:08 Hast du einen Auslöser entdecken können?
Ich denke ja, es fing kurz nach der Geburt meines Neffen in meiner Herkunftsfamilie an. Ich habe richtig eine "Babyphobie" entwickelt, Angst, dass ich einen Unfall mit Baby haben könnte, wenn ich mit ihm im Auto unterwegs war. Angst, dass ich ihn falsch anfasse, Angst das Baby "falsch" zu füttern....
Die Zusammenhänge ergeben sich schon sehr stark aus meiner Familie, aber ich habe es niemanden erzählt und meide "Babykontakt".

LG candle
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Beitrag Fr., 21.01.2022, 18:30

Wolkehundert hat geschrieben: Do., 20.01.2022, 23:54 Liebe Community,

ich brauche dringend Hilfe. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich ständig mit meiner Angst, ein böser Mensch zu sein.
Wenn du dir vorstellt, du wärst tatsächlich der böseste Mensch auf dem Planeten Erde.
Was wäre denn da genau? Was wäre das schlimmste Horroszenario für dich daraus, was du dir vorstellen könntest? Was würde dann passsieren und was wäre das allerschlimmste daran? Wie würdest du damit umgehen?
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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candle.
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Beitrag Fr., 21.01.2022, 18:38

~~~ hat geschrieben: Fr., 21.01.2022, 18:30 Wenn du dir vorstellt, du wärst tatsächlich der böseste Mensch auf dem Planeten Erde.
Was wäre denn da genau? Was wäre das schlimmste Horroszenario für dich daraus, was du dir vorstellen könntest? Was würde dann passsieren und was wäre das allerschlimmste daran? Wie würdest du damit umgehen?
Allgemein finde ich die Frage ja gut. Aber was, wenn man das Monster in sich zu finden glaubt und wirklich wirklich nicht hinschauen kann?

candle
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Beitrag Fr., 21.01.2022, 19:26

candle. hat geschrieben: Fr., 21.01.2022, 18:38
~~~ hat geschrieben: Fr., 21.01.2022, 18:30 Wenn du dir vorstellt, du wärst tatsächlich der böseste Mensch auf dem Planeten Erde.
Was wäre denn da genau? Was wäre das schlimmste Horroszenario für dich daraus, was du dir vorstellen könntest? Was würde dann passsieren und was wäre das allerschlimmste daran? Wie würdest du damit umgehen?
Allgemein finde ich die Frage ja gut. Aber was, wenn man das Monster in sich zu finden glaubt und wirklich wirklich nicht hinschauen kann?

candle

Ich denke, wenn man nicht hinschauen kann (oder will) wird sich eben diese Angst sehr lange in einem halten. Es ist ja dann eine Endlosschleife. Man hat Angst, weiß aber gar nicht wovor, weil man nicht hinschaut und dann hat man wieder Angst.
Es ist ja die Frage, wie dieses Monster denn genau ausschaut.

Man kann ja im übertragenen Sinne Angst vor dem Monster unter dem Bett haben. Aber man schaut niemals nach, was da unter dem Bett überhaupt ist, weil man befürchtet dass Monster sei so schrecklich, dass man es nicht aushalte würde.
Man wird nie wissen, was da wirklich war.

Man muss ja auch nicht allein hinschauen, wenn man sich nicht traut und denkt, man bräuchte Unterstützung.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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Malia
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Beitrag Fr., 21.01.2022, 19:47

Ich hatte oft richtige (kurze) Panikattacken im Kontakt mit Kindern, vor allem Babys.
Und man hat mir wirklich sehr viele Kinder anvertraut.
Urplötzlich hatte ich dann den Gedanken, ich könnte einem Kind etwas böses antun.
In der Therapie haben wir erarbeitet, dass diese Furcht vor destruktiven Impulsen auch mit der Kindheit zusammenhängt, mit der Gewalt, die ich damals erfahren habe.

Ich denke auch, dass ich ein schlechter Mensch bin aufgrund meiner Gedanken (die ich mir ja selbst mache, die nicht von irgendwoher kommen)
Dann beruhige ich mich damit, dass es einem wirklich bösen Menschen egal ist, wie er ist - und dass es vor allem auf das Verhalten ankommt, was einen Menschen "gut" oder "böse" sein lässt.
Wir haben alle unsere "bösen" Seiten.
Wichtig ist, sich dessen bewusst zu sein, nicht destruktiv zu sein - und sich zu vergeben.
Bei einem gewissen Stande der Selbsterkenntnis und bei sonstigen für die Beobachtung günstigen Begleitumständen wird es regelmäßig geschehen müssen, dass man sich abscheulich findet.
Franz Kafka

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wind of change
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Beitrag Fr., 21.01.2022, 22:17

Das was du schreibst, lässt mich an "Zwangsgedanken" denken.
(Und auch an ein Buch von Doris Wolf darüber, vielleicht wäre es auch lesenswert für dich (Titel weiss ich im Moment nicht))
Oft sind gerade Menschen von Zwangsgedanken betroffen, die besonders hohe 'moralische Ansprüche' an sich selbst haben. Das unterdrücken jeglicher 'aggressiver Regungen' lässt sie dann auf andere Arten hervorkommen (Zwangsgedanken), denn durch das unterdrücken sind sie ja nicht einfach "weg". Ich weiss, wie qualvoll und auch beängstigend das ist, hatte das auch mal (Gott sei Dank nur wenige Tage, hab mich nicht mehr aus dem Bett getraut). Was kannst du jetzt machen? Tröstlich ist vielleicht, so wie es in dem Buch steht, dass es lt dem Buch nahezu ausgeschlossen ist dass Menschen mit solchen Zwangsgedanken dann auch wirklich sowas machen. Bist du jemand, der eigenes "aggressives" schnell unterdrückt, der nach aussen "lieb ist"? Dann könntest du dir zugestehen, auch mal (harmlos) etwas "frecher" zu sein, oder auch "frech" deine Meinung zu sagen. Und ja, auch gedanklich den "worst case" durchspielen (steht auch in dem Buch). Tröstlich ist vielleicht auch, dass wir Alle auch solche Seiten in uns haben, die "Abgründe".
Streng genommen ist so ein "umarmem" ja auch schon ein "aggressiver Akt", weil es ein "drücken" ist, die Frage ist nur, in welcher Intensität es wirklich "bedenklich" wird. Lässt du es ganz sein oder wirst du gar nicht mehr umarmt, ist das so schädlich als wenn du "zerdrückt" wirst. Das Maß macht es. Unterdrückst du jegliche "Aggression" oder schlicht "Energie", ist das ebenso bedenklich. Ich hoffe, ich konnte mich, besonders was die letzten Sätze angeht, einigermaßen verständlich ausdrücken ;-) Alles Gute
Gehe so weit, wie du sehen kannst. Wenn du dort ankommst, wirst du sehen, wie es weitergeht.
(Autor unbekannt)
Wege entstehen, indem man sie geht. (Franz Kafka)
Glaub nicht alles was du denkst (Heinz Erhardt (?))

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candle.
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Beitrag Fr., 21.01.2022, 22:19

~~~ hat geschrieben: Fr., 21.01.2022, 19:26 Ich denke, wenn man nicht hinschauen kann (oder will) wird sich eben diese Angst sehr lange in einem halten. Es ist ja dann eine Endlosschleife. Man hat Angst, weiß aber gar nicht wovor, weil man nicht hinschaut und dann hat man wieder Angst.
Es ist ja die Frage, wie dieses Monster denn genau ausschaut.
Ich sage mal so: Ich denke, dass das jedem so ziemlich klar ist. Wo du recht hast: Ich weiß auch nicht wovor ich Angst habe. Und dann gibt es Stellen wo ich wirklich riesige Hemmungen vor habe, dass ich das nicht sagen könnte, weil es im Kopf schon "böse" ist. Vielleicht kannst du dich da nicht so reinversetzen, aber es gibt manchmal irgendwie innere Grenzen oder Scham oder wie auch immer.
Man wird nie wissen, was da wirklich war.
Es gibt so viele Dinge wo ich selbst MIT Therapie nicht weiß was wirklich war und das liegt vielleicht in der Natur der Sache, ob es das Vergessen oder Verdrängen ist. Wer weiß?

@ ~~~ An was würdest du denn hier im Thread denken wo das herkommt?

Eines vermute ich auch, nämlich dass ich Angst schon pränatal "zugeführt" bekommen habe. Und inwieweit mag sich das wohl in einem manifestieren? Und wie sind die Chancen das komplett loszuwerden?

LG candle
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