Hallo ihr o/
Ich les schon länger mit und wollte mich mal selber zu Wort melden. Seit etwas über 2 Jahren bin ich der Meinung, bei mir einige depressive Symptome festzustellen. Mal mehr, mal weniger, aber die meiste Zeit zumindest in einer Intensität, die mich durchaus belastet hat. In dieser Zeit hatte ich große Unsicherheiten über meine Gefühle dieser Art, damals unter anderem darüber, ob diese jetzt durch eine Krankheit "Depression" ausgelöst, oder nur eine Folge meiner damals wie heute belastenden Lebensumstände sind. Mittlerweile habe ich mich mehr mit der Thematik beschäftigt und weiß, dass diese beiden Punkte ja oft Hand in Hand gehen.
Jedenfalls ist es jetzt so, dass ich seit einigen Wochen eine Psychotherapie (KVT) angefangen habe. Mit der Therapeutin verstehe ich mich sehr gut und ich habe kein Problem damit, offen über meine Probleme und Emotionen zu reden. Den Entschluss zur zumindest ambulanten Therapie habe ich gefasst, nachdem ich aus einem beruflichen Auslandsaufenthalt frühzeitig nach Österreich zurückkehrte, weil es mir so schlecht ging, sogar mit dem Gedanken daran ohne einen stationären Klinikaufenthalt nicht weiter existieren zu können. Das war so mein Tiefpunkt.
In manchen Phasen, wie zum Beispiel jetzt, geht es mir aber auch etwas besser -- nicht "gut", aber ich schaffe es, meine beruflichen Verpflichtungen ausreichend zu erfüllen, die Wohnung sauber zu halten, einzukaufen etc.. Sozial habe ich mich in den vergangenen Monaten auch ziemlich stark zurückgezogen, aber in besseren Zeiten schaffe ich es auch mich mit Freunden zu verabreden und zumindest äußerlich eine gute Zeit zu haben.
In einigen wenigen Phasen würde ich sogar sagen, dass es mir fast gut geht, aus 2 Gründen: Bei 1) schaffe ich es sozusagen, mich mit dem Leid anzufreunden, mit Gedanken daran wie viel kreative Energie aus Depressionen entstehen, dem Gedanken daran, wie es meinen Idolen ähnlich schlecht ging, und sozusagen darin aufzugehen. In anderen Phasen werden mir die positiven Aspekte meines Lebens wieder bewusst, ich sehe mein aktuelles Leid nur als Facette meines Lebens, das doch noch viel mehr zu bieten haben muss. Dass es mir wie jedem anderen halt mal schlecht geht, aber das bestimmt wieder vorbei geht. Freue mich über meine Interessen, sehe halbwegs hoffnungsvoll in die Zukunft etc, und habe insbesondere große Hoffnungen, dass die Therapie bei mir anschlagen wird.
Nun ist es so: Egal aus welchen der beiden Gründe es mir für den Moment besser geht, schnell kommt dann der Gedanke, dass es mir ja dann von vornerein nicht so schlecht gehen konnte. Dass ich mir vielleicht nur etwas vormache, mir meine Symptome nur einbilde. Weil ich mir vielleicht unbewusst mehr Aufmerksamkeit wünsche, oder dadurch besonders sein möchte. Dann denke ich mir, dass ich die letzten 2 Jahre meines Lebens im Prinzip grundlos gelitten habe, was wieder ein Grund für mich ist unglücklich zu sein. Irgendwie ist das ganze also sehr paradox. Das heißt sobald es mir etwas besser geht, denke ich mir dass es mir eigentlich nie wirklich schlecht ging (was definitiv nicht stimmt), und dass ich grundlos unglücklich war, und dann geht es mir wieder schlechter.
Ein anderer Punkt der vielleicht damit zusammenhängt: Ich habe etwas Angst, dass ich psychische Erkrankungen bevor ich selber betroffen war etwas zu sehr "romantisiert" habe. D.h. Kunst und Musik von betroffenen Künstlern gesehen, und irgendwie gedacht habe, dass Menschen die selber depressiv sind sozusagen eine wokeness haben, mehr wissen als "gesunde" Menschen, was es so an Abgründen menschlichen Daseins gibt. Als ich zunächst nach der ersten Therapiesitzung die Verdachtsdiagnose Anpassungsstörung erhielt war ich fast ein bisschen enttäuscht: Auf der einen Seite will man ja nicht psychisch krank sein. Auf der anderen hatte ich das Gefühl, dass mein ganzes Leid der vergangenen 2 Jahre (bzw. insbesondere der letzten Monate) nicht gerechtfertigt war durch so eine eher "seichte" Diagnose. Mittlerweise steht die gesicherte Diagnose bei einer mittelschweren bis schweren Depression.
Ich denke, das sind alles Punkte, die ich in der Therapie ansprechen werde. Nur interessiert es mich schon jetzt: Geht es einigen von euch genauso? Wie geht ihr damit um? Vielen Dank!
Depression hat Depressionen
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Nein, diese Gedanken, wie du sie beschreibst hatte ich nie.
Aber es stimmt, dass psychisch Kranke oft über eine hohe Kreativität verfügen, vor allem Psychotiker sind dafür bekannt.
Trotzdem lohnt es sich nicht, deshalb gerne psychisch krank zu sein. Das hast du ja bestimmt selber schon festgestellt.
Ansonsten: ich habe meine psychischen Erkrankungen weitestgehend akzeptiert, vor allem, dass es wohl chronisch ist und nicht mehr wirklich verschwinden wird und ich trotzdem versuche das beste aus der Situation zu machen.
Aber es stimmt, dass psychisch Kranke oft über eine hohe Kreativität verfügen, vor allem Psychotiker sind dafür bekannt.
Trotzdem lohnt es sich nicht, deshalb gerne psychisch krank zu sein. Das hast du ja bestimmt selber schon festgestellt.
Ansonsten: ich habe meine psychischen Erkrankungen weitestgehend akzeptiert, vor allem, dass es wohl chronisch ist und nicht mehr wirklich verschwinden wird und ich trotzdem versuche das beste aus der Situation zu machen.
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Hmmm find ich einen interessanten Post. Bzgl. Kreativität ist das wohl so. Bezogen auf Tiefgang/Lebenserfahrung hab ich auch die Erfahrung gemacht.
Ich glaube auch, dass (teils sicher unbewusst) Stärke und Selbstwert durch "Leiden"/Depression/die Erlebnisse/Geschichte generiert wird. So nach dem Prinzip: schau wie stark du bist, das Leben hat dir beschissen mitgespielt, dir gehts dreckig, aber du hast es bis hierher geschafft. Was dann insbesondere das Loslassen, wenn man rundherum die Belastungsfaktoren also die Umweltfaktoren (unglückliche Beziehung, sche** Arbeit und was es da sonst noch gibt), erschwert. Zumindest ich hab mich dem Stellen müssen und es geht erst jetzt langsam in die Richtung: tabula rasa - ich BIN nicht meine Geschichte. Schwierig zu beschreiben irgendwie. Vielleicht verstehts trotzdem jemand.
Alles Gute
Ich glaube auch, dass (teils sicher unbewusst) Stärke und Selbstwert durch "Leiden"/Depression/die Erlebnisse/Geschichte generiert wird. So nach dem Prinzip: schau wie stark du bist, das Leben hat dir beschissen mitgespielt, dir gehts dreckig, aber du hast es bis hierher geschafft. Was dann insbesondere das Loslassen, wenn man rundherum die Belastungsfaktoren also die Umweltfaktoren (unglückliche Beziehung, sche** Arbeit und was es da sonst noch gibt), erschwert. Zumindest ich hab mich dem Stellen müssen und es geht erst jetzt langsam in die Richtung: tabula rasa - ich BIN nicht meine Geschichte. Schwierig zu beschreiben irgendwie. Vielleicht verstehts trotzdem jemand.
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Ja, mir kommt das auch recht bekannt vor...theweirdeffekt hat geschrieben: ↑So., 19.05.2019, 16:27 Ich glaube auch, dass (teils sicher unbewusst) Stärke und Selbstwert durch "Leiden"/Depression/die Erlebnisse/Geschichte generiert wird. So nach dem Prinzip: schau wie stark du bist, das Leben hat dir beschissen mitgespielt, dir gehts dreckig, aber du hast es bis hierher geschafft.
Andererseits kenne ich auch das Gefühl, "dass es ja eigentlich nicht so schlimm ist." Ich hatte jahrelang das Gefühl, eine Therapie zu brauchen, aber ich hatte grosse Angst gesagt zu bekommen, dass ich in Wahrheit keine großartigen Probleme habe und mir das alles nur einrede. Außerdem kam für mich aus finanziellen Gründen nur ein Kassenplatz in Frage und ich dachte mir, dass den 1000 Menschen dringender brauchen als ich, und ich daher kein Recht hätte, darum anzufragen.
Naja, vor etwas mehr als 1,5 Jahren ging es mir dann wohl doch schlecht genug und ich habe glücklicherweise sehr schnell einen tollen Therapeuten gefunden. Mittlerweile sehe ich viele Dinge anders. Z.B. dass mein "Stark Sein" nur Überleben war, im Gegensatz zu einem echten Leben. Und dass mein Hang dazu, in dem mir so vertrauten Leiden zu verharren im Grunde nur die Angst davor war, die Verantwortung für ein Leben zu übernehmen, dass ich (mit-) gestalte.
Nicht dass mir das jetzt schon gelänge, aber ich bin immerhin so weit, dass ich in Erwägung ziehe, es zu versuchen. Heute ist der 5.Tag in Folge, an dem ich keine Todessehnsucht hatte. Seit Jahren das erste Mal. Und so sehr mir das Leben auch noch Angst bereitet, so gut fühlt es sich doch an, endlich wieder ein wenig Hoffnung zu schöpfen, dass ich auch ohne das ständige Leiden stark sein kann.
Die Therapie und die damit verbundene Auseinandersetzung mit der Eigenverantwortung sind für mich ein harter Weg und ich hatte schon oft den Wunsch, es einfach aufzugeben und einfach weiter zu leiden und auf den Tod zu warten. Aber ich bleibe dran.
In diesem Sinne wünsche ich auch dir grumpycatisdead alles, alles Gute!
"Wege entstehen dadurch, dass man sie geht."
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Das kommt mir auch bekannt vor. Besonders dieses innerliche Zerren in alle Richtungen kostet viel Energie.nulla hat geschrieben: ↑So., 19.05.2019, 19:07 Andererseits kenne ich auch das Gefühl, "dass es ja eigentlich nicht so schlimm ist." Ich hatte jahrelang das Gefühl, eine Therapie zu brauchen, aber ich hatte grosse Angst gesagt zu bekommen, dass ich in Wahrheit keine großartigen Probleme habe und mir das alles nur einrede. Außerdem kam für mich aus finanziellen Gründen nur ein Kassenplatz in Frage und ich dachte mir, dass den 1000 Menschen dringender brauchen als ich, und ich daher kein Recht hätte, darum anzufragen.
Das hast du, finde ich, sehr schön auf den Punkt gebracht.nulla hat geschrieben: ↑So., 19.05.2019, 19:07 Mittlerweile sehe ich viele Dinge anders. Z.B. dass mein "Stark Sein" nur Überleben war, im Gegensatz zu einem echten Leben. Und dass mein Hang dazu, in dem mir so vertrauten Leiden zu verharren im Grunde nur die Angst davor war, die Verantwortung für ein Leben zu übernehmen, dass ich (mit-) gestalte.
Das kenn ich auch. Zwar nicht so im Sinn von etwas besonderes sein. Das hat, denke ich, auch was mit dem Selbstwert zu tun. Sich zugestehen zu können, dass man in einer Depression auch bessere Phasen haben kann, ohne sich deshalb gleich schuldig zu fühlen.grumpycatisdead_ hat geschrieben: ↑So., 19.05.2019, 15:17 Egal aus welchen der beiden Gründe es mir für den Moment besser geht, schnell kommt dann der Gedanke, dass es mir ja dann von vornerein nicht so schlecht gehen konnte. Dass ich mir vielleicht nur etwas vormache, mir meine Symptome nur einbilde. Weil ich mir vielleicht unbewusst mehr Aufmerksamkeit wünsche, oder dadurch besonders sein möchte.
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Es hat halt alles immer zwei Seiten. Auf der einen Seite bringt die Diagnose Erleichterung, weil alles, was nicht funktioniert hat, gewissermaßen durch die Diagnose seine Rechtfertigung erhält. Auf der anderen Seite kann die Diagnose nicht zur Dauerrechtfertigung werden, weil man da sonst wohl sehr schwer herausfindet.
Ohja, und vielleicht fällt das auch noch im Umfeld auf, und sofort kommt die Angst in dir auf, dass man jetzt von dir erwartet, dass es dir dauerhaft besser geht...theweirdeffekt hat geschrieben: ↑So., 19.05.2019, 19:31 Sich zugestehen zu können, dass man in einer Depression auch bessere Phasen haben kann, ohne sich deshalb gleich schuldig zu fühlen.
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Ja genau so ist es. Das kenn ich auch sehr gut!
Und irgendwie auch Druck selber länger durchhalten zu sollen/wollen. Diese innere Zerrissenheit und das Gefühl nicht zu "funktionieren". Was genau genommen ein passendes Wort für Maschinen, nicht aber für Menschen ist.
Und irgendwie auch Druck selber länger durchhalten zu sollen/wollen. Diese innere Zerrissenheit und das Gefühl nicht zu "funktionieren". Was genau genommen ein passendes Wort für Maschinen, nicht aber für Menschen ist.
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Hallo grumpycatisdead - was für ein interessanter Nick ,
ich kann vieles von dem, was du schreibst, gut verstehen.
Hast du inzwischen erste Eindrücke deiner Therapie bekommen?
LG, nosweets
ich kann vieles von dem, was du schreibst, gut verstehen.
Das geht mir auch so. Allerdings hat es etwas gedauert, bis ich das wieder konnte. Und dennoch habe auch ich manchmal das Gefühl, "auf hohem Niveau zu jammern", um das mal etwas überspitzt auszudrücken. Dann wieder kommt das dunkle Loch, und ich bin froh, meine Therapie noch zu haben. Ich glaube, das ist wohl ganz normal und gehört zur Depression dazu... vermutlich ist es fast unerheblich, welche Form davon man hat.grumpycatisdead_ hat geschrieben: ↑So., 19.05.2019, 15:17 In manchen Phasen, wie zum Beispiel jetzt, geht es mir aber auch etwas besser -- nicht "gut", aber ich schaffe es, meine beruflichen Verpflichtungen ausreichend zu erfüllen, die Wohnung sauber zu halten, einzukaufen etc.. Sozial habe ich mich in den vergangenen Monaten auch ziemlich stark zurückgezogen, aber in besseren Zeiten schaffe ich es auch mich mit Freunden zu verabreden und zumindest äußerlich eine gute Zeit zu haben.
Das wird sie bestimmt. Aus meiner Sicht bist du ziemlich reflektiert und kannst deine Stimmungen gut einschätzen. Ich glaube, dass das eine gute Voraussetzung für deine Therapie sein kann. Dass du dir deine Probleme nicht einbildest, zeigen dir aber deine Symptome...In einigen wenigen Phasen würde ich sogar sagen, dass es mir fast gut geht, aus 2 Gründen: Bei 1) schaffe ich es sozusagen, mich mit dem Leid anzufreunden, mit Gedanken daran wie viel kreative Energie aus Depressionen entstehen, dem Gedanken daran, wie es meinen Idolen ähnlich schlecht ging, und sozusagen darin aufzugehen. In anderen Phasen werden mir die positiven Aspekte meines Lebens wieder bewusst, ich sehe mein aktuelles Leid nur als Facette meines Lebens, das doch noch viel mehr zu bieten haben muss. Dass es mir wie jedem anderen halt mal schlecht geht, aber das bestimmt wieder vorbei geht. Freue mich über meine Interessen, sehe halbwegs hoffnungsvoll in die Zukunft etc, und habe insbesondere große Hoffnungen, dass die Therapie bei mir anschlagen wird.
Da ist bestimmt was dran! Denke nur an die vielen Komponisten, die seelisch krank waren und Großes hervorbrachten.Ein anderer Punkt der vielleicht damit zusammenhängt: Ich habe etwas Angst, dass ich psychische Erkrankungen bevor ich selber betroffen war etwas zu sehr "romantisiert" habe. D.h. Kunst und Musik von betroffenen Künstlern gesehen, und irgendwie gedacht habe, dass Menschen die selber depressiv sind sozusagen eine wokeness haben, mehr wissen als "gesunde" Menschen, was es so an Abgründen menschlichen Daseins gibt.
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LG, nosweets
Ich glaube das Gefühl zu kennen von einer Depression aus einer Depression. Ich erwische mich oftmals noch trauriger zu werden weil ich traurig war oder auch traurig zu sein vl etwas nicht zu schaffen und wenn es dann geschafft ist sich nicht darüber zu freuen. Ich weiß nicht ob das noch jemand kennt aber das kann auch sehr belasten...
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