Depressionen als Ursache für massive Langsamkeit?

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Thread-EröffnerIn
Talya
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Depressionen als Ursache für massive Langsamkeit?

Beitrag Sa., 13.09.2014, 20:43

Liebes Forum,

ich war schon in meiner Kindheit in allen Dingen extrem langsam.
Ich kann nicht einmal sagen, dass ich bewusst trödelte oder alles möglichst sorgfältig erledigte. Es war eher so, dass ich nichts in schnellerem Tempo ausführen konnte.
Das fiel vor allem beim Schreiben, Essen, Anziehen, Gehen auf. Bei ganz normalen alltäglichen Verrichtungen halt.
Ich wurde deswegen in der Schule oft verspotttet und meine Eltern brachte ich damit zur Weißglut.

Auch heute noch kann ich nie mit dem Tempo anderer Schritt halten.
Ich habe zwar Anstrengungen unternommen mich anzupassen, aber mit wenig Erfolg.
Generell sind bei mir alle Bewegungen verlangsamt. Das fällt mir besonders beim Erledigen des Haushalts, bei der Körperhygiene oder auch am Arbeitsplatz auf. Was mir vor allem bei letzterem große Probleme bereitet.
Gibt mir z.B. ein Kollege eine Rechnung zum Prüfen und sagt, das müsse in einer bis eineinhalb Stunden erledigt sein, brauche ich durchschnittlich vier Stunden für solch eine Aufgabe.
Kollegen sagten mir auch, dass ich extrem langsam spreche. Dass ich beim Reden oft den Eindruck erwecke, jeden Augenblick einzuschlafen.
Das ist mir besonders peinlich.
Bei meiner vorherigen Tätigkeit in einem Altenheim hat man mich auch ganz oft darauf hingewiesen, dass ich zu langsam sei. Egal, ob es um das Ein-oder Ausräumen der Spülmaschine ging, das Broteschmieren oder Behilflichsein beim Anziehen der alten Menschen.
Mir kam es allerdings so vor, dass ich so flink arbeitete, wie ich nur konnte.

Wenn ich mit ein paar Personen zusammen esse, fällt auch immer auf, dass ich grundsätzlich die Letzte bin, die fertig wird.

Ich erlebe meine Langsamkeit als eine Behinderung im Alltag.

Können meine Depressionen die Ursache dafür sein?
Dann müsste ich schon als Kind depressiv gewesen sein, was nicht ausgeschlossen ist, da ich ein sehr liebloses Elternhaus hatte.

Kennt hier jemand das Problem mit extremer Langsamkeit?

Liebe Grüße,
Talya

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Arthur
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Beitrag So., 14.09.2014, 03:00

*um den Hals fall und ganz fest knuddel* Sry ich hoffe du findest das nicht übergriffig, aber was du schreibst fühlt sich sehr nach Seelenverwandtschaft an.

Ich denke, was die Diagnose da so schwer macht, ist dass der enorme Druck, Unverständnis und Unterstellungen man sei böswillig auch Depressionen verursacht. Herauszufinden was da zu erst war, ist schwer. Vielleicht schaukeln sich da auch mehrere Sachen gegenseitig hoch. Bei mir selber habe ich auch mal in Richtung Dyspraxie gedacht, zumindest für den Anfang:

http://de.wikipedia.org/wiki/Dyspraxie


Gott, ich kann mich noch an das Schamgefühl erinnern als sich meine Eltern zusammen mit Freunden der Familie darüber lustig gemacht haben, dass man mir auf dem Schulweg die Schuhe neu besohlen könnte... Und das zukünftige Gefühl des abgehetzt Seins beim Versuch schneller zu laufen.


.....


Edit: Ich hab mir ein paar deiner älteren Threads angeschaut und hab ich echt oft wieder drin entdeckt: ("Mein Bett, meine Ruhe", Lieblose Eltern, Ausgrenzung durch Gleichaltrige usw.) Ich hoffe wir können uns in Zukunft viel austauschen, würde mich riesig freuen.

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Thread-EröffnerIn
Talya
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Beiträge: 125

Beitrag So., 14.09.2014, 17:34

Hallo Arthur,

nein, ich empfinde das keinesfalls als übergriffig, was du zu Beginn geschrieben hast. Ich bin doch froh, dass es hier im Forum zumindest einen Leidensgenossen gibt - auch wenn es für dich unangenehm ist.
Aber andererseits gibt uns das die Möglichkeit, uns über unsere Defizite und die damit verbundene Problematik auszutauschen!

Du kennst also auch vor allem das Problem mit der Langsamkeit.
Ähnliche Sprüche wie du von deinen Eltern "durfte" ich mir auch oft genug anhören.
Was bei mir vor allem als Kind und Jugendliche auffällig war, dass ich praktisch oft wie mit geschlossenen Augen durch die Welt lief. Ich konnte stundenlang in der Stadt unterwegs sein, ohne dass ich jemanden oder etwas wahrgenommen habe.
Es war und ist auch heute noch oft so, als wäre ich in meiner eigenen Welt gefangen.

Meine Mutter hat mir oft gezeigt, wie sehr sie mich verachtet, während mein Vater sich eher bemitleidete und sich fragte, wie sie nur zu so einer Tochter gekommen sind. Das hat in mir ganz oft Schuldgefühle ausgelöst und tut es heute noch zeitweise.
Vor allem dann, wenn ich mal wieder in einem Job versagt habe.
Wie läuft es denn bei dir beruflich, Arthur? Hast du für dich eine Nische gefunden?

Bevor du es in deinem Beitrag heute erwähnt hast, habe ich mal kurz über Dyspraxie gelesen. Heute habe ich mich etwas ausführlicher mit einigen Informationen im Netz befasst.
Mit einigen Symptomen kann ich mich durchaus identifizieren, nur nicht mit der Sprachentwicklungsstörung. Ich lernte altersgerecht sprechen, sprach halt nur immer schon sehr langsam und eher leise. Letzteres ist aber sicher auf mein mangelndes Selbstbewusstsein zurückzuführen.

Wie kann man Dyspraxie bei Erwachsenen diagnostizieren?
Hast du das herausfinden können?

In meiner Verzweiflung habe ich mich vor zwei Jahren an einen Psychiater gewandt, der u.a. auf AD(H)S spezialisiert ist. Irgendwie war ich davon überzeugt, dass ich ADS habe.
Der Arzt ließ sich aber gar nicht groß auf dieses Thema ein, nachdem ich meine Depressionen erwähnt hatte. Er war der Ansicht, dass ich erst mal meine psychische Erkrankung in den Griff bekommen solle.
Allerdings war er entsetzt, als er hörte, dass man nie versucht hatte, der Ursache für meine extreme Langsamkeit auf den Grund zu gehen.
Daher ließ er ein EEG machen, um schon mal eventuelle Hirnerkrankungen auszuschließen.
Leider ergab das EEG Unregelmäßigkeiten, die er als "frühe Hirnschädigung" deutete. Zur weiteren Abklärung empfahl er mir ein MRT in einer Uniklinik.

Ehrlich gesagt habe ich diesen Befund lange Zeit verdrängt und das Schreiben in die hintereste Ecke einer Schublade verbannt.
Doch gerade in brenzligen Situationen wie jetzt wieder im Job kommt immer mal wieder der Gedanke auf, dass bei mir vielleicht einiges im Argen ist.
Ich weiß jetzt auch nicht, ob eine weitere Abklärung sinnvoll wäre, denn es würde sich dadurch ja nichts ändern.

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Arthur
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Beitrag So., 14.09.2014, 19:42

Ich selber bin da auch ambivalent. Ich mach jetzt zwar nix, um eine feste Diagnose zu bekommen aber wenn ich etwas über Krankheiten, Störungen und Behinderungen oder einfache Besonderheiten lese, in denen ich mich wieder finde, berührt mich das schon.

Ich hab schon an Autismus gedacht, klinische Depressionen (vllt. Dysthymie: http://de.wikipedia.org/wiki/Dysthymie), Hypersensibilität (Langsamkeit dann als Folge um Reizüberflutung zu vermeiden), melancholische Persönlichkeitsstruktur (wobei einige Menschen eher von phlegmatisch reden würden), Introvertiertheit, soziale Ängste (mit der Überlegung, dass die Ängste einen hemmen und man deswegen langsamer handelt, und immer alles gedanklich begleitet und dadurch viel mentale Energie verbraucht), spastische Lähmung (eine leichte Form davon wurde bei mir als Kind festgestellt, aber 10 Jahre später hat sich die Diagnose nicht bestätigt - jetzt weiß ich nicht welche Untersuchung richtig ist), Schilddrüsenunterfunktion, neurotische Resignation durch frühe Bedürfnisfrustration, Dyspraxie oder eben auch "frühe Hirnschädigung" wie du das geschrieben hast. Wobei ich grade gelesen habe, dass dies nicht mehr vom ADHS unterschieden wird.

Das mit dem in der eigenen Welt versunken sein kenne ich auch. Hab auch schon an ein ADS (ohne H) gedacht. (Beim goggeln bin ich grade darauf gestoßen: http://de.wikipedia.org/wiki/Sluggish_cognitive_tempo)

Andererseits würde ich Medikamente nehmen um an meiner Langsamkeit was zu ändern? Momentan bin ich eher noch so drauf, dass ich mich so annehmen möchte wie ich bin.


Wegen der Sprachentwicklungsstörung. Also es war bei mir zumindest so, dass ich relativ spät gesprochen habe, dann aber relativ gut. Meine Eltern lachen immer, dass ich wohl damals schon keine Fehlertoleranz hatte. Denn die Folge von der ständigen Kritik an meinem Tempo ist, dass ich nicht auch noch beschämt werden möchte, dass ich Fehler mache - auch wenn ich mich eigentlich sonst nicht als Perfektionisten sehe.
Zuletzt geändert von Arthur am So., 14.09.2014, 19:48, insgesamt 1-mal geändert.

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ratloser_elf
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Beitrag So., 14.09.2014, 19:44

Hallo Talya,

ich würde schon denken, dass eine weitere Abklärung nicht verkehrt wäre. Denn wenn Du weißt, dass wirklich etwas Körperliches hinter deinen Problemen steckt, dann musst Du immerhin nicht weiter versuchen, krampfhaft etwas daran zu ändern. Du kannst dann ja gar nichts dafür!!! Was meinst Du, wieviel Leid Dir schon genommen werden würde, wenn Du nicht mehr die Schuld bei Dir selbst suchen musst?

Aber was halt auffällt bei deinen Texten und ich habe mir deine anderen Beiträge auch noch durchgelesen, dass Du eigentlich sehr intelligent zu sein scheinst, denn deine Texte sind gut geschrieben. Jemand, der nicht viel im Kopf hätte, würde sich ganz anders ausdrücken. Du bist wohl wirklich "nur" langsam.

Ich kenn das auch, dass man in einer eigenen Welt gefangen ist manchmal. Ich arbeite zur Zeit nach und nach meine Vergangenheit als Kind und Jugendlicher auf und merke immer mehr, wieviel Leid mir angetan wurde. Einerseits ist es zwar tröstlich, wenn man endlich einsieht, dass man für vieles nichts kann, aber das Leben ist trotzdem schwer zu ertragen...

Deine probleme haben sicherlich auch mit deinen Eltern zu tun. Du konntest ja nie wirkliches Selbstbewusstsein aufbauen und vermutlich fehlt Dir ähnlich wie mir das Urvertrauen iin deine Mitmenschen, was halt sehr wichtig ist.

Hm... Ich lass das erstmal so stehen.

LG
Thomas

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Arthur
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Beiträge: 192

Beitrag So., 14.09.2014, 19:52

Wobei, egal ob die Langsamkeit körperlich, oder psychisch bedingt ist, ob es die anfängliche Ursache für weitere Schwierigkeiten oder die Folge von noch was anderen - du kannst nichts dafür und du hast dir auch in der Folgezeit nichts vorzuwerfen.

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