cinikus hat geschrieben: ↑Do., 17.10.2019, 19:36Jeder sagt mir, ich solle loslassen, den Druck rausnehmen, alles würde schon besser werden. Doch ich setze mich extremst unter Druck, weil ich dieses Depressivsein einfach nicht mehr dulden will. Weil ich kräftig und aktiv und erfolgreich sein will, statt dieser schwarzmalerische Jammerlappen. Ich ekle mich an und will da lieber gestern raus als morgen. Für den Druck brauche ich niemanden.
Bei mir bezieht sich das auf Druck durch andere bei Dingen, die ich machen soll, nicht in Bezug auf eine Depression.
Es hängt mit meiner anerzogenen Haltung zusammen, es jedem recht machen zu wollen, das hat dann z.B. zur Folge, dass ich mir bei der Arbeit Termine reinquetsche, für die ich eigentlich weder Zeit noch Nerven habe, nur weil ich denke, ich muss das für die anderen tun. Ich habe da angefangen, mir Freiräume zu schaffen. Ich arbeite jetzt eh nur noch 3 Tage in der Woche, und ich belege nur zwei Tage davon mit Terminen, den anderen Tag halte ich frei, egal wie ungeschickt das für andere ist. Erstaunlicherweise findet sich fast immer eine andere Lösung, wenn man sagt, dass etwas nicht geht.
Ich lasse mich auch nicht mehr so leicht im Straßenverkehr hetzen von großen SUVs oder Daimler etc., sondern die sollen schön geduldig sein, ich brauche so lang, wie ich brauche. Die meisten hängen einem sowieso nur aus Prinzip an der Stoßstange, nicht weil man wirklich zu langsam wäre.
Und viele weitere solcher Dinge.
Bei mir ist gut, dass ich im Großen und Ganzen eine positive Haltung zu mir selbst habe. Zwar nicht immer, aber immer öfter. Ich hatte Probleme mit selbstverletzendem Verhalten, die sind fast weg jetzt. Manchmal ist noch ein Impuls da, aber ich habe schon lange nichts mehr gemacht.
Wenn ich manchmal denke, ich bin doch die blödeste Kuh, die rumläuft, dann geht das vorbei.
Das halte ich gerade in Depressiven Episoden für das Schwerste überhaupt. Weil ich da eben keinerlei Empfindung für Schönes oder Gutes habe. Da ist ALLES schlecht und immer schlecht gewesen, und alles Gute habe ich mir immer nur eingeredet
.
Ja, dann ist es schwer in so einer Phase.
Da ist jeder anders. Vielleicht geht es über eine Routine, zumindest klappt das bei mir manchmal. Ich fange an, etwas jede Woche am gleichen Tag zu machen. Zum Beispiel einen Spaziergang, oder ein Buch lesen, oder Musik hören. Alles Dinge, die für mich normalerweise schön sind. Dann im Lauf der Zeit fange ich an, mich darauf zu freuen. Und dann habe ich eine schöne Sache.
Das geht aber eben auch nur, wenn man Zeit und Muße dafür hat, und das war für mich früher auch ein Problem. Ich hatte Zeit zu arbeiten, Zeit für Hausarbeit und Zeit, es anderen recht zu machen, aber für mehr war dann keine Energie mehr da.
Ach ja. Ich hatte mit 12 Jahren Phasen, in denen mein Gesicht vollkommen taub war. Wie ein eingeschlafenes Körperteil. Als ich das Jahre später meiner Therapeutin erzählte, meinte sie, das wären starke Anzeichen dafür, dass ich depressiv war. Zumal ich in diesen Zuständen einfach nur dasaß und mich weder körperlich noch gedanklich vorwärts oder rückwärts bewegen konnte. Es war eine komplette Lähmung meines Lebens, meiner Gefühle, meiner Gedanken. Ich saß da und starrte an die Wand. Das waren schlimmere Zustände als jene, in denen ich Heulkrämpfe hatte oder pagodenwackelnd um meine Fassung rang. Also echt, hinterher gesehen frage ich mich, was sich meine Eltern bei meinem Verhalten wohl gedacht haben. Okay, sie haben mich dafür gehasst. Weil es sie überfordert hat. WENN Hilfe kam, dann immer nur durch Nachbarn, die zufällig was mitbekommen haben.
Kenne ich so nicht. Meine Mutter hat nur mal gemeint, ich soll nicht so vor mich hinstarren, das sei nicht normal, aber ich war in dem Moment gar nicht speziell traurig, ich war nur nachdenklich. Die Momente, wo es mir wirklich schlecht ging, hat niemand mitbekommen. Aber Gefühle waren damals etwas, was ich gar nicht so richtig erfassen konnte, und darüber reden wäre nicht möglich gewesen, weil da zu viele Zwischenschritte nötig gewesen wären (erstmal erfassen, was ich fühle, mir klar werden, dass ich darüber reden könnte und mit wem, dann den passenden Zeitpunkt finden und es in Worte fassen - so weit kam ich im Denken gar nicht). Das Problem bei mir war vielleicht auch, dass es in meinem Leben gar nichts gab, was meine Gefühle hätte erklären können, dann hätte es ja auch niemand verstanden. Heute im Rückblick verstehe ich, was los war, aber damals hätte ich es nicht erklären können.