Wo sind…

Wo sind…

  • … die Anwälte und Anwältinnen, die für die Grundgesetze und die den BürgerInnen verfassungsmäßig zugesicherten Rechte – nötigenfalls unter Auflehnung gegen ihre Anwaltskanzlei, oder besser: gemeinsam mit den Inhabern – eintreten? “For the greater good…”

  • … wo sind die Richter, Staatsanwälte und Verfassungsrichter, die bei offensichtlichen Verstößen gegen Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1958, des Anspruches auf gesundheitliche Versorgung etc. einschreiten und unmissverständliche, vielleicht sogar in ihrer ethischen Orientierungsfunktion signalhaft wirkende Zeichen setzen?
  • … wo sind die Pädagoginnen und Pädagogen, die für die Rechte der Kinder und Jugendlichen, ihre psychische Gesundheit und optimalen Möglichkeiten gesunden sozialen Wachstums eintreten, und diese – nötigenfalls unter Auflehnung gegen ihre Vorgesetzten, oder besser: gemeinsam mit ihnen – einfordern?

  • … wo sind die Polizistinnen und Polizisten, die sich nicht für autoritäre Maßnahmen instrumentalisieren lassen – idealerweise sogar gemeinsam mit ihren Vorgesetzten (die in aller Regel ohnedies nicht gekündigt werden können)?

  • … wo sind die Journalistinnen und Journalisten, die sich noch an die von ihnen einst studierten journalistischen Grundregeln wie z.B. Achtung der Menschenwürde, Sorgfalt, Richtigstellung, und insbesondere jene zur Medizin-Berichterstattung erinnern? Journalisten, die eigenständige oder sogar investigative Recherche betreiben? Idealerweise gefördert von den RedakteurInnen und EigentümerInnen, sofern sie nicht nur das replizieren wollen, was bereits andere in die Tasten geklopft haben?

  • Wo sind die Ärzte und Ärztinnen, die sich an ihren Ehrenkodex – nämlich u.a. den Patientenanspruch auf umfassende Information (auch über Behandlungsalternativen und bekannte Risiken), die Einverständnisvoraussetzung der Freiheit von Druck oder Androhung von Sanktionen etc. – halten, sich nicht von der Politik instrumentalisieren lassen, und sich nicht zuletzt auch der Diskriminierung von Patientengruppen in ihren Praxen oder Kliniken entschieden entgegenstellen, idealerweise gemeinsam mit den ärztlichen Leitern und dem Spitals-Management?

  • Wo sind die Priester, Pfarrer und Mönche, die für die bei ihnen Stärkung und Schutz suchenden Menschen einstehen, statt sich vom Staat selbst in ihren eigenen Häusern gängeln zu lassen?

  • Wo sind die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die sich an ihren Auftrag erinnern, “Reifung, Entwicklung und Gesundheit der Behandelten zu fördern”, statt lediglich das nicht differenzierende Angst-Narrativ zu übernehmen und selbst in den eigenen Praxen Konformität zu fordern oder ihr gar das Wort zu reden?

  • Wo sind die Verkäufer, Verkäuferinnen und DienstleisterInnen, die sich innerhalb ihrer Räumlichkeiten der Diskriminierung von KundInnen auf Basis derer Gesundheitsakten entschieden verweigern und/oder kreative Alternativ-Angebote entwickeln?

  • Wo sind die PolitikerInnen, die – nötigenfalls in Disharmonie mit ihrer Partei – die Grundrechte ihrer Bürger und die Grundprinzipien ihrer Parteiideologie verteidigen (soweit mir erinnerlich, ist keine der österreichischen Parteien totalitär oder spricht sich für einen Abbau der Bürgerrechte, die Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen oder Entsolidarisierung des Sozialsystems aus)?

  • Wo sind die Historiker und Historikerinnen, die die Frühzeichen totalitärer Entwicklungen nicht nur “gelernt” haben, sondern auch, wenn sie diese erkennen, öffentlich davor warnen?

  • Wo sind die Philosophinnen und Philosophen, die die Stellung des Menschen vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, sowie seine Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten in diesen öffentlich diskutieren und damit thematisieren?

Was waren unsere Ideale damals, als wir unsere Ausbildungen und unsere Berufslaufbahn begannen – und wie verhalten wir uns heute?

Beteiligen wir uns an den Spaltungsbemühungen und lassen wir uns von der Angst(-Politik) vereinnahmen, oder wollen wir eine Position der Stärke einnehmen – auf dem Fundament ethischer, liberaler und demokratischer Werte? In welchem Kontext: nur privat, oder vielleicht sogar öffentlich? Zaghaft und um Verständnis bemüht, oder vielleicht sogar im Brustton der Überzeugung?

Wenn uns unsere Kinder und Kindeskinder eines Tages fragen: “warum habt ihr euch so verhalten?”, welche Antwort werden wir ihnen geben?

Wir müssen ab einem gewissen Punkt beginnen.

Für manche Menschen wäre “ideale” Zeitpunkt der, an dem ihnen jeder nur zustimmen würde, also einer, bei dem sie kein Risiko der Ablehnung oder gar Anfeindungen eingehen müssten.

Andere wiederum würden vorzugsweise noch zuwarten … “vielleicht wird ja von selbst alles besser”, “warten wir noch ein wenig”, “ist ja nicht soooo schlimm”.

Doch wenn die ständigen Verschiebungen des Overton-Fensters in Richtung Technik- und Medizin-Totalitarismus nicht nur zufällig stattfanden – oder auch nur einer gewissen Eigendynamik folgen -, dann wird man sich mit passiven und konfliktvermeidenden Strategien mit einem Mal direkt im Käfig wiederfinden.

Der richtige Zeitpunkt, Position zu beziehen und sich auf unsere Grundwerte, ja die Grundmauern unserer freien und offenen Gesellschaft an sich zu besinnen, ist vermutlich spätestens JETZT.

Richard L. Fellner, DSP, MSc.

Psychotherapeut, Hypnotherapeut, Sexualtherapeut, Paartherapeut



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11.11.22