Wieder mal regte mich ein Beitrag aus dem Diskussionsforum meiner Website an, über ganz bestimmte Aspekte meiner eigenen Rolle als Therapeut zu reflektieren. Eine Diskussionsteilnehmerin fragte sich nach ihren Erfahrungen in ihrer Psychotherapie, inwieweit Patienten ihren Therapeuten denn auch persönlich wichtig sind, und wieviel emotionales Engagement tatsächlich besteht – bzw. ob dieses überhaupt echt sei?
Natürlich ist es nicht möglich, eine derartige Frage generalisierend zu beantworten. Genauso, wie jeder Mensch anderes ‘gedrahtet’ ist, sind es (natürlich) auch TherapeutInnen! Die dafür erforderliche Ausbildung verändert ja nicht die Persönlichkeitsstruktur, sondern schafft nur eine wissensmäßige Grundlage und zielt darauf ab, dass trotz aller persönlichen “Macken” Professionalität in der therapeutischen Arbeit möglich ist. Was oft, aber natürlich nicht immer gelingt.
Persönlich habe ich im Laufe meiner Ausbildung und Tätigkeit entsprechend auch die volle Bandbreite kennengelernt: von überemotionalen, kaum abgrenzungsfähigen Therapeutinnen, die im Leben nichts anderes haben als “die Praxis” bis hin zu äußerst kühlen und m.M. nach kaum empathiefähigen Therapeuten. Und ganz vielen, die irgendwo dazwischen liegen. Von solchen, die ihre Klienten vor allem als “Kunden” sehen bis zu solchen, die anfällig sind für emotionale Übergriffe (in beide Richtungen). Und vielen, die aber gerade in der Praxis dann durchaus so agieren, wie ich das bei TherapeutInnen für erforderlich halte. Und natürlich gibt es auch “professionelle Freundlichkeit”, “professionelle Nähe”. Diese sollte sich von herkömmlicher Freundlichkeit, Nähe und emotionaler Beteiligung meiner Ansicht nach dadurch unterscheiden, dass im Kopf gewissermaßen eine höhere (professionelle) Instanz darüber “wacht”, ob das, was zwischen beiden Personen abläuft, noch heilsam ist, und nicht womöglich das, was da zwischenmenschlich möglich wäre, letztendlich für mehr Komplikationen oder Verwicklungen sorgen würde.
Ganz persönlich geht es mir so, dass ich leidenschaftlich gerne mit Menschen arbeite, und mich im Prinzip auf jeden freue, der zur nächsten Stunde kommt, um mit meiner ‘guidance’ ein weiteres Stück seines persönlichen Wegs zurückzulegen. Manche KlientInnen sind aber durchaus “herausfordernder” im Sinne von “schwieriger” als andere. Das heißt aber nicht, dass ich mich deshalb über sie weniger freue, sondern es steigert nur etwas meinen Blutdruck 😉 – ähnlich wie an einer schwierigen Stelle eines Bergaufstieges.
Auch wenn ich mich persönlich (wovon viel mit der systemischen Therapiemethode zu tun hat) nicht in allzu tiefe persönliche Verbindungen mit Klienten einlasse, so “lebe” ich doch mit allen mit und bin äußerst interessiert, wie es ihnen so ergeht … und wie es nach der Therapie weiterging in ihrem Leben. Insofern ist mit Abschieden tatsächlich häufig auch ein gewisser Schmerz verbunden. Allerdings kann ich recht gut akzeptieren, dass ich halt von Beginn an nur vorübergehender Wegbegleiter war. Ich “benötige” meine KlientInnen nicht als Freunde oder Bezugspersonen, und bin eigentlich überzeugt davon, dass das für diese längerfristig auch ganz gesund ist – auch wenn es manchmal natürlich wichtig und gut ist, wenn ich in bestimmten Lebenssituationen auch mal als bester Freund zur Verfügung stehen kann.
s. r. Reply
Danke für diesen Beitrag! Professionelle Nähe und professionelle Freundlichkeit, dazu ein gehöriges Maß an Empathie und die Einstellung, dass der Beruf Therapeut mehr Berufung als Job ist – das ist ein gelungenes Fundament für eine Therapie! Darüber hinaus bedarf es der Mitarbeit des Klienten – nicht aber einer emotionalen Nähe des Therapeuten zum Klienten über das professionelle Maß hinaus; das würde ich eher für schädlich halten!