“Du hast ja eine Psychose!” Dies ist gewissermaßen die “gebildetere” Form der Floskel “Du bist ja verrückt!”, die von manchen verwendet wird, wenn sie sich die Handlungen einer Person nicht erklären können.
In stark naturverbundenen Kulturen wurden Menschen, deren Verhalten stark von dem abwich, was als “normal” empfunden wurde, durch Magier und Schamanen behandelt. Im Westen dagegen wurden sie früher in sogenannten “Irrenhäusern” eingesperrt und teils grausam behandelt (-> Artikel: “Geschichte der Psychotherapie“). Erst in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts nahm der Psychiater Karl Birnbaum erstmals eine Abgrenzung des medizinischen Begriffs der sog. “Psychose” vor. Seinem Konzept nach war diese durch eine Wechselwirkung zwischen organischen und psychischen Ursachen bestimmt: die organischen Faktoren definierten den Krankheitstyp, ihre Ausprägung, ihr Beginn und ihr Verlauf würden dagegen stark von psychischen Faktoren beeinflusst.
Das Verhältnis dieser zwei Einflußfaktoren war geschichtlichen Änderungen unterworfen: vor dem Beginn der Psychiatrie hielt man “Geisteskranke” noch für unheilbar, gefolgt von einer Hochblüte der Psychotherapie. Gegenwärtig befinden wir uns wieder in einer Phase, in der die körperlichen (neurologischen) Faktoren im Vordergrund stehen. Mitunter werden dann auch ausschließlich diese behandelt – selbst wenn die eigentlich Betroffenen dies als nicht befriedigend und ausreichend erleben. Die erfolgreichsten Modelle bestehen heute aber in Kombinationen aus pharmakologischer, psychotherapeutischer und sozialtherapeutischer Behandlung.
Symptome, die auf eine Psychose hindeuten, sind wiederkehrende akustische oder andere Halluzinationen, wahnhafte Denkinhalte oder Beziehungsideen. Die eigene Person oder die Umwelt wird mitunter entfremdet oder verändert wahrgenommen, die Sprache kann verwirrt oder konfus wirken. Verängstigte, erregte, gereizte oder getriebene Stimmungen sind häufig und oft auch äußerlich wahrzunehmen, manchmal aber auch “gedämpftes”, passives und gleichgültiges Verhalten.
Gar nicht oft genug kann ich auf die Wichtigkeit des sozialen Umfeldes hinweisen: da die Betroffenen selbst häufig verängstigt sind oder ihre eigene Situation verzerrt wahrnehmen, ist es bedeutsam, daß engagierte Freunde oder Verwandte mit Nachdruck auf Diagnose und Therapie hinarbeiten. Eine möglichst frühzeitige Behandlung verbessert die therapeutischen Interventionsmöglichkeiten nämlich deutlich.
Link-Tipp: Selbsttest auf Dissoziation / Dissoziative Identitätsstörung
(Dieser Kurzartikel ist Teil einer wöchentlichen Serie, die sich mit psychischen Problemen von Expats und generellen Themen psychischer Gesundheit befaßt und in verschiedenen Medien Thailands veröffentlicht wird, 2010; Image src:psymantra.com)