Bei ihrer Einführung wurde Viagra als neue Hoffnung für all jene beworben (und prompt gefeiert), die unter Erektionsstörungen litten. Tatsächlich wurden Belege dafür gefunden, was manche Sexualtherapeuten (unter anderem auch ich) bereits von Beginn an vermuteten: ähnlich den Effekten bei sog. “Testosteron-Kuren” (künstlicher Testosteron-Verabreichung) läßt die Wirkung der Potenzpille bei länger dauernder Einnahme zum Teil massiv nach.
Wissenschaftler dreier Universitäten in den USA und in Saudiarabien untersuchten, ob die Wirkung von Viagra, Cialis und Levitra auch anhält, wenn das Medikament längerfristig eingenommen wird und veröffentlichten die Ergebnisse der Studie im Journal of Urology. Per Telephoninterview wurden 151 Patienten befragt, die im Jahre 1997 Viagra verschrieben bekommen hatten. Die Ursachen für die Erektionsstörungen der Patienten waren operative Prostataentfernungen, Diabetes, oder neurologische Störungen.
Anfangs verbesserte sich bei drei Viertel der Teilnehmer die Erektionfähigkeit soweit, dass sie wieder normalen Geschlechtsverkehr haben konnten. Bei 15% dieser Patienten waren dazu 100mg Sildenafil (die maximale für männliche Erwachsene angeratene Dosis), notwendig, 83% der Patienten kamen mit 50mg aus und 2% benötigten nur 25mg.
Nach drei Jahren wurden die Patienten nochmals befragt, und es stellte sich heraus: die neuen Sexfreuden hatten nicht lange angehalten. Etwa die Hälfte der Patienten hatte die Potenzpille wegen Wirkungslosigkeit bereits ganz abgesetzt. Und 37% jener Männer, die noch auf Viagra bauten, waren mittlerweile auf die Maximaldosis umgestiegen.
Die Ernüchterung über die angeblichen Wunderkräfte der blauen Pille ist in der Fachwelt groß. “Nach meinen Beobachtungen wirkt Viagra nur bei der Hälfte aller Patienten mit körperlich bedingten Erektionsstörungen”, erklärt P. Derahshani, Leiter der Urologischen Abteilung der Kölner Klinik am Ring. Ein gesundheitlich problematischer Aspekt bestehe darin, dass beim Auftreten von Gewöhnungseffekten die Dosis nur bei jenen Patienten gesteigert werden kann, die vorher 25 oder 50mg eingenommen haben, denn eine Dosis über 100mg erhöht das Risiko von Nebenwirkungen wie Kreislaufsschwäche, Übelkeit oder Kopfschmerzen beträchtlich.
Kein Ersatz für Psychotherapie bzw. Sexualtherapie
“Man sollte nicht vergessen, dass bei Erektionsproblemen Viagra nur bei solchen Männern indiziert ist, deren Potenzschwäche körperliche Ursachen hat”, sagte der Wiener Urologe Werner Reiter von der Impotenz-Ambulanz am Wiener Allgemeinen Krankenhaus in einem Interview mit der “Süddeutschen” (SZ). Vor allem bei älteren Männern, die viel rauchen und an Bluthochdruck oder Herzerkrankungen leiden, verliere Viagra nach längerer Einnahme an Wirkung. Bei Männern mit stabilem Gesundheitszustand beobachtet der Spezialist hingegen selten einen Gewöhnungseffekt.
“Wenn die Gründe für die Impotenz im psychischen Bereich liegen, deckt Viagra im besten Fall anfangs die Impotenz-Symptome zu”, warnt Reiter. Langfristig könne diesen Patienten nur mit einer Psychotherapie bzw. Sexualtherapie geholfen werden.
Gesundheitsrisiken mitunter fatal unterschätzt
Fatalerweise wird von vielen Männern das Risiko von Selbstmedikation ignoriert. Doch stattliche 40 Prozent der Männer, die wegen Erektionsproblemen zum Arzt gehen, leiden an einer Arteriosklerose der Herzkranzgefäße (welche jedoch nicht immer die Ursache der Erektilen Dysfunktion darstellen muss). Impotenz “kann jedoch das Anzeichen einer Erkrankung oder einer beginnenden Erkrankung sein. Symptome aber einfach blind wegbringen zu wollen hat sich weder in der Medizin, noch in der Psychotherapie als gewinnbringend erwiesen”, so Sexualtherapeut Karl F. Stifter. Es gehe darum, den Menschen ganzheitlich im Auge zu behalten, und dazu gehört auch, bei Erektionsproblemen zunächst einmal körperliche Ursachen und Symptome abzuklären.
Der in den Pillen enhaltene Wirkstoff (Sildenafil bei Viagra, Vardenafil bei Levitra und Tadalafil bei Cialis) fördert die Entspannung der glatten Muskulatur im Schwellkörper und unterstützt so die Erektionfähigkeit. Die Besonderheit ist, dass die Wirkung erst mit einer sexuellen Erregung einsetzt – Erektionsprobleme werden also insbesondere dann nicht von ihr gelöst, wenn psychische Ursachen die Erektion behindern.
In geringem Maße beeinflussen die Wirkstoffe auch chemische Reaktionen innerhalb unseres Körpers, die unsere visuellen Empfindungen steuern. Daher gehört zu ihren Nebenwirkungen auch eine spezielle Form der Sehstörung, bei der man alles leicht blau getönt sieht. Piloten dürfen daher mindestens 12 Stunden vor einem Flug kein Viagra einnehmen. Auf die mittlerweile nachgewiesene Schädigung des Hörvermögens durch eine Langzeiteinnahme der Potenzmittel habe ich bereits in einem früheren Blog-Artikel hingewiesen.
Noch weitaus problematischer als dieses “blaue Wunder” ist aber wie erwähnt die Gefahr, bei bestehender Herzschwäche einen Infarkt zu erleiden. Denn als Medikamente, die in die Blutzirkulation des Körpers eingreifen, haben Viagra & Co. besondere Risiken für Herz und Kreislauf. Insbesondere Patienten, die Nitroglycerin oder Blutdruck senkende Mittel einnehmen müssen, welche ebenfalls die glatte Muskulatur entspannen, dürfen die Tabletten nicht einnehmen, da sich die Wirkung der Mittel gegenseitig verstärkt. Zusammen mit nitrathaltigen Medikamenten (z.B. für Angina pectoris) kann der Wirkstoff zu einem tödlichen Blutdruckabfall und bei Männern mit Herzkrankheiten zu Kreislaufversagen führen. Eine entsprechende Untersuchung durch einen Arzt ist daher unbedingt angezeigt, bevor man diese einnimmt.
Tatsächlich sind keine anderen Medikamente aufgrund fahrlässiger Anwendung für so viele Todesfälle verantwortlich wie die neuen “Erektionshelfer”. Europaweit wurden allein während der ersten 3 Jahre nach dessen Einführung weltweit 616 Todesfälle nach der Einnahme von Viagra gemeldet. Die leichte Verfügbarkeit der Tabletten über das Internet oder den Schwarzmarkt stellt ein großes Problem dar, da sie zum einen zur Selbstmedikation regelrecht einlädt, und es sich zum anderen bei manchen so bezogenen Tabletten um gesundheitsgefährdende Imitate handelt. Der Markt der Imitate, die größtenteils aus Indien und China stammen, ist nämlich kaum zu kontrollieren, mit den damit verbundenen Risken für die Endanwender, die die so bezogenen Tabletten häufig nicht nur in viel zu jungen Jahren, sondern auch auf eigene Faust als “Lifestyle”-Droge einsetzen.
Zu befürchten ist also einmal mehr, dass bereits derzeit die Zahl der “Viagra-Veteranen” mit multisystemischen Erektionsstörungen (= psychogene Erektile Dysfunktion plus bereits organisch bedingter Wirkungslosigkeit erektionshelfender Mittel) massiv zunimmt. Diese Männer dürften sich speziell dann, wenn die Erektionsfähigkeit aus ganz natürlichen Gründen (altersbedingt oder als Nebeneffekt körperlicher Erkrankungen) abnimmt, in einer unglücklichen Sackgasse wiederfinden.
Nachgewiesenermaßen sind bei der überwiegenden Mehrheit der Männer unter dem 50. Lebensjahr Erektionsprobleme psychisch bedingt – selbst diesen aber ist aus sexualtherapeutischer Sicht unbedingt angeraten, diese zunächst ärztlich abklären zu lassen. Werden dabei keine klaren Indizien für körperliche Ursachen gefunden, sollte man im Interesse seiner Gesundheit (und vielleicht auch, um sich die “Trumpfkarte” der Pillen für schwierigere Zeiten aufzuheben) sexualtherapeutische Beratung suchen, statt reflexartig zu den einfach verfügbaren problematischen “blauen Pillen” zu greifen.
(Quellen: Reuters.com; Rizk El-Galley et.al., “Long-Term Efficiacy of Sildenafil and Tachyphylaxis Effect” in: The Journal of Urology – September 2001 (Vol. 166, Issue 3, Pages 927-931); Image source: creakyeasel.com)
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