Die Existenz sozialer Netzwerke entscheidet, wie wohl sich Schwangere fühlen, wie Forscher der University of Michigan kürzlich in der Zeitschrift “Journal of Cultural Diversity and Ethnic Minority Psychology” aufzeigten. Sie begleiteten 300 schwangere Frauen während ihrer Schwangerschaft und untersuchten, was für ihr psychisches Wohlbefinden den Ausschlag gab.
Status, ethnische Zugehörigkeit und Reichtum sind demnach nicht wirklich die wichtigsten Faktoren. Auch einem Teil der benachteiligten Frauen ging es blendend – bei genauem Hinsehen allerdings zeigte sich, dass diese besonders aktive soziale Kontakte hatten. “Eingebundensein in ein enges soziales Netz ist wichtiger für das Wohlbefinden von Schwangeren als Ethnizität oder Status”, fasst die Psychologin und Studienleiterin C. Abdou zusammen.
Die Frage, warum Menschen trotz widriger ökonomischer, sozialer oder genetischer Umstände gesund sind, wird in der Medizin immer wichtiger. Sie wird Salutogenese oder Resilenzforschung genannt. “Drei Fähigkeiten sind dafür zentral”, berichtet Edith Wolber, Sprecherin des Deutschen Hebammenverbands e.V. “Menschen sind eher gesund, wenn sie sich selbst als Handelnde statt als Opfer erkennen. Zweitens ist es wichtig, das Geschehene intellektuell und emotional zu verstehen und richtig einzuordnen. Schließlich hilft es zu wissen, dass es auch einen Sinn hat”, so die Expertin.
Die Schwangerschaft ist eine psychische Ausnahmesituation. Der Körper ist im Umbruch und die Hormone verändern die Emotionen und auch die Begegnung mit anderen. Zudem wächst Leben im Bauch der Schwangeren heran. Das verunsichert, ängstigt und erfordert Austausch und besondere Betreuung. Diese boten früher automatisch die in der Nähe verfügbare Mutter, Schwiegermutter, Freundinnen oder Nachbarn. Heute jedoch ziehen Frauen oft weit weg von zuhause. “Viel hat sich in Internet-Foren verlagert. Es braucht jedoch emotionale, körperliche und direkte Hilfe. Diese wurde professionalisiert – in Form der Hebammen.”
Nicht eindeutig geklärt ist weiter, warum es manchen Schwangeren körperlich gut geht, anderen jedoch nicht. Wolber betont allerdings auch hier den Zusammenhang zur Psyche. “Kann eine Frau ihren Seelenschmerz nicht mit Worten ausdrücken, so spricht der Körper.” Das sei heute immer schwieriger. “Erstgebärende sind heute 30 Jahre alt, haben schon gelernt ihr Leben zu managen und sich der [..] Arbeitswelt anzupassen. Diese sieht zwar, dass die Schwangerschaft keine Krankheit ist. Doch sie duldet sie aber auch nicht als Ausnahmesituation, in der Frauen eine Auszeit wünschen.” Körperliche Symptome und Krankenstand seien somit für viele ein notwendiger Fluchtweg in dieser Zerrissenheit.
(Quelle: Der Standard, 08/2010; Image source:ladycarehealth.com)