Eine kleine Sammlung von Statistiken bezüglich der Versorgungslage, Finanzierung durch das Gesundheitssystem, Arzneimittel usw. in Deutschland, der Schweiz und Österreich, auf die ich im Laufe der Zeit stieß. Ich werde diese laufend erweitern bzw. aktualisieren.
Fallweise standen mir keine genauen Quellen zur Verfügung – wenn jemand eigene Ergänzungen machen möchte oder über entsprechende Quellen verfügt, diese bitte hier im Sinne der Allgemeinheit als Kommentar posten!
Bedarf an und Nutzung von Psychotherapie
- in Österreich haben die registrierten Krankenstandsfälle aufgrund psychischer Erkrankung allein in den letzten 10 Jahren auf das 1,5-fache zugenommen, während im selben Zeitraum die Krankenstände allgemein gesunken sind. Im langjährigen Vergleich nehmen auch Pensionierungen aufgrund von Invalidität wegen psychischer Krankheiten stark zu (Quelle: HSV).
- Zahl der ÖsterreicherInnen in Psychotherapie: ca. 50.000.
(diese Zahl betrifft allerdings nur jene, deren Therapie zumindest teilweise von den Krankenkassen mitfinanziert wird, die Zahl der Privatzahler ist unbekannt). - nach aktuellen epidemiologischen Studien leiden 25 % einer 25 – 45–jährigen Großstadtbevölkerung und rund 10 % der ländlichen Bevölkerung über 15 Jahre an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung mit Krankheitswert gemäß dem ICD-10.
- Es wird jedoch davon ausgegangen, dass nur 35 % der Personen, die eine Psychotherapie brauchen, für eine solche auch motivierbar sind. Daraus abgeleitete Schätzungen zum „tatsächlichen“ Psychotherapiebedarf gehen davon aus, dass 2,1 bis 5 % der Gesamtbevölkerung psychotherapiebedürftig und -willig sind (= 170.000 bis 400.000 Personen). Dieser Schätzwert inkludiert allerdings darüber hinaus auch nicht Personen mit vorübergehenden, leichteren oder nicht diagnostizierten psychischen Beschwerden und ist daher als absolute Untergrenze anzusehen.
- Psychische Erkrankungen werden oft falsch diagnostiziert, was ebenfalls hohe Kosten verursacht: ein Großteil schwerer psychischer Störungen wird während durchschnittlich 7 Jahre lang als körperlich verursacht fehlbehandelt.
- Über 18% der Invaliditätspensionen resultieren aufgrund
psychischer/psychiatrischer Leiden. - Im Jahr 2000 nahmen sich in Österreich 1.588 Personen das Leben, das entspricht 0,2% der Bevölkerung und mehr Toten als bei Verkehrsunfällen.
- Nach in Deutschland vorgenommenen epidemiologischen Untersuchungen im Bereich der Gerontopsychiatrie treten psychische Erkrankungen bei den über 65-jährigen mit einer Prävalenz von 25 – 30 % auf, davon senile Demenzen in der 7. Lebensdekade in einer Häufigkeit von 5 %, in der 8. Lebensdekade von 10 % und in der 9. Lebensdekade von 20 %. Die senile Demenz vom Alzheimer-Typ macht dabei mehr als 2/3 der Fälle aus. Im Moment rechnet man im Bereich der alten Bundesländer mit einer Zahl von 1 Millionen von dieser Krankheit betroffenen Menschen. Vaskuläre oder Multi-Infarkt-Demenzen machen allein oder gemischt mit dem Erstgenannten etwa 1/4 der Fälle aus.
Depressionen im höheren Lebensalter kommen nach verschiedenen Studien in unserem Kulturkreis in 10 – 20 % der Bevölkerung vor. Beachtenswert ist auch die insgesamt große Diagnosegruppe der Neurosen und Persönlichkeitsstörungen (über 10 % der Gesamtprävalenz), die den hohen Psychotherapiebedarf in dieser Altersgruppe untermauern. Bedeutsam ist die höhere Suizidrate bei Depressionen im höheren Lebensalter im Vergleich zu den jüngeren und mittleren Jahren, hier insbesondere die höhere Suizidalität älterer depressiver Männer. Hier kommen auf vier Suizidversuche ein gelungener Suizid (in jüngeren Jahren 20 : 1). Die Suizidrate der Bevölkerung über 65 Jahren ist doppelt so hoch wie die der jüngeren Erwachsenen.(Quelle: AMWF, 1995)
Schwierigkeiten in der Psychotherapie
- einer Untersuchung des Berufsethischen Gremiums des ÖBVP aus den Jahren 1994-1998 zufolge (Neubauer, 1999) nahm die Nutzung der Beschwerdestellen im Beobachtungszeitraum zu (knapp 300 Fälle)
- die überwiegende Anzahl der Anfragen und Beschwerden konnte telefonisch geklärt werden
- in ca. 1/3 der Fälle wurde ein persönliches Gespräch geführt
- in 42 Fällen (ca. 15%) wurde zur Schlichtung Mediation angewendet
- in den meisten Fällen war eine verbale oder schriftliche Klärung möglich. In einigen Fällen wurde eine finanzielle Abgeltung geleistet.
- eine einzige gerichtliche Lösung kam vor, in zwei Fällen wurde der Gerichtsweg beschritten
- die meisten Beschwerdeführer sind mittleren Alters (21-50 Jahre)
- die häufigsten Gründe für die Kontaktaufnahme mit der Beschwerdestelle waren: Aufklärungswünsche, Allgemeine Anfragen, Anfragen zu Kosten von psychotherapeutischen Behandlungen
- seltene Gründe für die Kontaktaufnahme waren: Ausbildungsangelegenheiten, sexueller und anderer Mißbrauch (innerhalb der 5 untersuchten Jahre wurden insgesamt 28 Fälle von sexuellen Übergriffen in Beschwerdestellen behandelt) 2
Finanzierung von Psychotherapie
- etwa die Hälfte der Psychotherapie-PatientInnen macht diese voll finanziert auf Krankenschein, die andere Hälfte bezuschusst (21,80 Euro pro Sitzung). Die Zahl der Privatzahler ist unbekannt.
- Lediglich 30 % der Aufwendungen der Krankenkassen für Psychotherapie betreffen die sog. “Kassenplätze”. Der Großteil der PatientInnen muss selbst die Differenz zwischen dem von den Krankenkassen gewährten Zuschuss – sofern dieser bewilligt wurde – und dem Honorar der PsychotherapeutInnen begleichen.
- derzeit verhandelt der ÖBVP (Österr. Bundesverband für Psychotherapie) mit dem Hauptverband der Sozialversicherungen über einen Gesamtvertrag für Psychotherapie, das sog. “Best-Practice-Modell”. Er könnte die Hälfte jener Menschen, die Psychotherapie brauchen, in Behandlung bringen – entweder auf Krankenschein oder per Zuschuss von 41 Euro pro Stunde. Die Kosten davon würden ca. 40 Millionen Euro pro Jahr betragen, also etwa 0,5% der gesamten Gesundheitsausgaben in Österreich (Quelle: Interview mit ÖBVP-Präsidentin Eva Mückstein am 23.11.08 im Standard).
- Bei allgemein steigenden Kosten für
Medikamente rangieren Psychopharmaka bereits auf Platz drei, während die Ausgaben für Psychotherapie, aber auch die Kostenzuschüsse für KlientInnen seit 1998 unverändert geblieben sind.
Wirksamkeit von Psychotherapie
- Im Jahr 2001 wurde eine Metaanalyse zu allen bis 1995 vorliegenden Kosten-Nutzen-Studien auf dem Gebiet der Psychotherapie durchgeführt. Die Studien zeigen, dass Psychotherapie im Vergleich zu routinemäßig eingesetzten medizinischen Behandlungsmaßnahmen nicht nur wirksamer, sondern auch kostengünstiger ist. Die zu erzielenden medizinischen und volkswirtschaftlichen Einsparungen übersteigen die Kosten für einen vermehrten Einsatz von Psychotherapie bei weitem. Im Jahr nach Psychotherapiebeginn reduzierte sich die Nutzung medizinischer Dienste im Vergleich zum Vorjahr hochsignifikant:
- Abnahme der Kliniktage pro PatientIn im Durchschnitt 5,6 Tage oder 54 %
- Abnahme von ambulanten Arztkontakten pro PatientIn im Durchschnitt 4,2 Kontakte oder 26%
- Reduktion von Arbeitsunfähigkeitstagen je nach Störungsbild und
- Behandlungsprogramm zwischen 26 bis 100 %.
- Signifikante Abnahme der Kosten für Psychopharmaka 34 Wochen nach Therapiebeginn.
Das Kostenverhältnis beträgt 1 : 1,7 zugunsten der Psychotherapie.
Psychotherapie auf Krankenschein kann insofern als ein Projekt der Nachhaltigkeit betrachtet werden.
- Sowohl der Medikamentenkonsum als auch die Häufigkeit von Arztbesuchen nehmen nicht immer schon während, aber drei Jahre nach dem Beginn einer Psychotherapie ab. Das ergab eine Studie der Niederösterreichischen Gebietskrankenkassa im Jahre 2006.
* die genaue Quelle ist unbekannt. Bitte um Feedback (über Kommentar unten oder das Kontaktformular meiner Website), falls Ihnen Details oder sogar exakte Quellenangaben dafür bekannt sind!
2 Quelle: Hutterer-Krisch, “Grundriss Der Psychotherapieethik“, 2007 (Springer-Verlag)
Beitrag aktualisiert: 31.01.2009
Beat Reply
Erneut ein sehr spannender Artikel auf dieser Webseite! Kompliment!