Dies ist ein “Sammeleintrag” ähnlich meinen Blog-Einträgen zu den Themen “Partnersuche“, “Suizid” oder “Autismus“, in denen ich Forschungsergebnisse zum persönlichen, gesellschaftlichen oder sozialversicherungsmäßigen Gewinn durch Psychotherapie sammle. Falls Ihnen einschlägige Studien bekannt sind, die hier noch nicht gelistet sind, füge ich sie nach einer kurzen E-Mail gerne hinzu.
- Rund 20% der Kinder und Jugendlichen in Europa leiden an psychischen Erkrankungen, die einschränkend wirken und daher als krankheitswertig und behandlungsbedürftig zu bezeichnen sind (WHO 2005). Man darf auf Basis des heute verfügbaren Wissens über Ätiologie, therapeutische Beeinflussbarkeit und den Verlauf psychischer Störungen jedoch davon ausgehen, dass der Großteil dieser psychischen Störungen erfolgreich psychotherapeutisch behandelbar wäre (Mattejat F (2004): Perspektiven einer entwicklungsorientierten Psychotherapie. In: Lehmkuhl U, Lehmkuhl G (Hrsg). Frühe psychische Störungen und ihre Behandlung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen; Schmidt MH (2004) Verlauf psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Deutsches Ärzteblat 101: 38)
- 1 Euro für Therapie = 4 Euro “Gewinn”: jeder Euro, der in die Behandlung von Depression und Angststörungen fließt, stehen 4 Euro “Gewinn” durch die Aufrechterhaltung der Erwerbsfähigkeit und Vermeidung von Folgekosten (von Arbeitsplatzverlust über physiologische Erkrankungen, Gewalt, Drogenmißbrauch etc.) gegenüber. In der Lancet-Studie (04/2016) wurden unter “Therapie” alle Maßnahmen von ausschließlich medikamentöser Behandlung über psychosoziale Maßnahmen bis Psychotherapie zusammengefaßt.
- Frühe Psychotherapie wirkt im “Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology” publizierten Studien zufolge besser als Medikamente für Kinder, die an ADHS leiden (Details, Studie 1, Studie 2).
- Die meisten psychischen Störungen sind wiederkehrend und chronifizieren, wenn sie unbehandelt bleiben (Baltesberger C., Grawe K (2001): Psychotherapie unter gesundheitsökonomischem Aspekt. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie 30 (1): 10-21, Hogrefe-Verlag, Göttingen). Margraf fasst die epidemiologischen Daten v.a. der Angststörungen und Depressionen mit den Kostendaten in Deutschland und der Schweiz so zusammen: “Statt früh, ambulant und kostengünstig werden psychische Störungen spät, stationär und teuer behandelt.”
- Die Nicht-Durchführung bzw. Nicht-Miteinschließung von Psychotherapie im Versorgungssystem kommt teuer: den Milliardenkosten (geschätzt 2,8 Mrd. Euro laut Arbeiterkammer (Juli 2008), die in Österreich durch psychische Störungen jährlich verursacht werden, stehen Aufwendungen für Psychotherapie von rund 45 (!) Millionen Euro gegenüber.
- Laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger sind die Verschreibungen für Antidepressiva für die Alterstruppe von 5-19 Jahren allein vom Jahr 2006 bis 2007 um 11.461 gestiegen, auch im Bereich der Anxiolytika (Angst-Medikamente) war in dieser Altersgruppe ein Anstieg innerhalb nur eines Jahres um 1.916 Verschreibungen zu verzeichnen. Eine psychotherapeutische Behandlung würde in vielen dieser Fälle nicht nur eine Alternative zur rein psychopharmakologischen Behandlung darstellen, sondern sie wäre, da in der Psychotherapie grundlegend an der Problemanalyse, -bewältigung und Verbesserung der Entwicklungsbedingungen gearbeitet wird, auch aus ethischen Gesichtspunkten vorzuziehen. Auch ein “Immunisierungseffekt” gegen psychische Störungen gelingt in aller Regel deutlich besser über Psychotherapie denn über die symptombezogene Einnahme von Medikamenten.
Falls Sie evt. relevante Studienergebnisse über den Nutzen von Psychotherapie fanden, die hier noch nicht angeführt sind, wäre es im Sinne der allgemeinen Nützlichkeit dieses Artikel nett, wenn Sie auf diese im Kommentarbereich hinweisen könnten. Danke!
r.l.fellner Reply
Weil es zum Thema passt und von einer Seite kommt, von der ein solches Zugeständnis vor einigen Jahrzehnten noch völlig undenkbar gewesen wäre: