Bochumer RUB-Neurowissenschaftler erweitern das Konzept der Neuroplastizität: Kortikale Gehirnkarten schrumpfen und der Tastsinn lässt nach, wenn Hirnareale längere Zeit hindurch nicht genutzt werden.
Von Profi-Musikern und Blindenschrift-Lesern weiß man, daß ihr häufiger und intensiver Gebrauch der Hände zur Entwicklung außergewöhnlicher sensomotorischer Fähigkeiten führt. Auch die Repräsentation der Hände auf der “Körperlandkarte” im Gehirn vergrößert sich durch das Training – doch dieser Prozess funktioniert auch umgekehrt, wie die neurowissenschaftliche Arbeitsgruppe herausfand.
Wird eine Hand – etwa wegen eines Gipsarms – eine Weile nicht benutzt, verkleinert sich die Repräsentation im Gehirn und der Tastsinn lässt messbar nach. Mit der betroffenen Hand nahmen die Versuchspersonen zwei Nadelspitzen noch als eine einzige wahr, auch wenn sie mit der gesunden Hand deutlich spürten, dass es sich um zwei Spitzen handelte. Diese Effekte sind allerdings auch reversibel: einige Wochen nach der Gipsabnahme entsprach der Tastsinn und die Aktivität im somatosensorischen Cortex wieder dem vorigen Niveau. Dies führt zur Schlußfolgerung, daß [sensomotorische] Stimulation nützlich sein könnte, in Zeiten sensorischer Deprivation eine effiziente Gehirnorganisation somatosensorischer Areale aufrechtzuerhalten und kontinuierliche sensomotorische Leistungsfähigkeit zu ermöglichen.
Quelle: Current Biology, “Immobilization Impairs Tactile Perception and Shrinks Somatosensory Cortical Maps” (doi: 10.1016/j.cub.2009.03.065)