Jugendliche, die misshandelt oder vernachlässigt wurden, haben weniger graue Substanz (das sind jene Gebiete des Zentralnervensystems, die vorwiegend aus Nervenzellkörpern bestehen) in bestimmten Bereichen des Gehirns als junge Menschen, die diese Erfahrungen nicht machen mußten, wie eine Studie der Yale School of Medicine zeigt. Das Ausmaß des ‘Schadens’ richtet sich u.a. auch danach, ob es sich um Jungen oder Mädchen handelt, ob Mißbrauch oder Vernachlässigung vorlag und ob die Erfahrungen körperlicher oder emotionaler Natur waren. Die Ergebnisse (p=42) wurden in der Dezember-Ausgabe der Archives of Pediatric Adolescent Medicine veröffentlicht.
Die Veränderungen konnten bei allen Adoleszenten beobachtet werden, obwohl sie an keinen diagnostizierbaren psychiatrischen Störungen litten. “Wir haben es mit Jugendlichen zu tun, die keine diagnostizierbare Krankheit haben, bei denen sich aber immer noch physische Beweise für Misshandlungen zeigen”, sagte der leitende Autor der Studie H. Blumberg, Associate Professor in der Abteilung für Psychiatrie und Diagnostische Radiologie. “Dies könnte helfen, Schwierigkeiten mit schulischen Leistungen zu erklären oder eine Steigerung ihrer Anfälligkeit für Depressionen und Verhaltensstörungen.”
In präfrontalen Bereichen zeigte sich die Verringerung der grauen Substanz, egal ob der Jugendliche körperlich misshandelt oder emotional vernachlässigt worden war. In anderen Bereichen des Gehirns hing die Reduktion von der Art der Misshandlungserfahrungen ab. So wurde zum Beispiel emotionale Vernachlässigung mit einer Abnahme der Bereiche, die unsere Emotionen regulieren, verbunden.
Die Forscher stellten auch geschlechtsspezifische Unterschiede in der Weise, in der die graue Substanz abnahm, fest. Bei Jungen zeigte sich eher eine Reduktion in Bereichen des Gehirns, die mit der Impulskontrolle oder Drogenmissbrauch assoziiert sind. Bei Mädchen schien sich die Reduktion auf Bereiche des Gehirns zu konzentrieren, die mit Depression in Verbindung gebracht werden.
Blumberg betonte, dasss diese bei Jugendlichen gefundenen Defizite, nicht von Dauer sein müssen.
“Wir haben festgestellt, dass insbesondere das Gehirn von Jugendlichen ein hohes Maß an Plastizität aufweist” (Neuroplastizität, Anmerkung R.L.Fellner), sagte sie. “Das kann bedeutend sein, um Wege zu finden, Folgen von Misshandlungen zu verhindern und den Jugendlichen, die diese Erfahrung machen mußten, effizient zu helfen.”
Mehr zu diesen Themen:
• Neuroplastizität
• Missbrauch
(Quellen: YaleNews; E. E. Edmiston, F. Wang, C. M. Mazure, J. Guiney, R. Sinha, L. C. Mayes, H. P. Blumberg. Corticostriatal-Limbic Gray Matter Morphology in Adolescents With Self-reported Exposure to Childhood Maltreatment. Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine, 2011; 165 (12): 1069 DOI: 10.1001/archpediatrics.2011.565)