Kaufsucht ist kein ausschließliches Frauenproblem, sondern betrifft auch Männer, wie Marketing-Forscher der Zeppelin Universität aufzeigten. Die bei Suchtverhalten spezifischen neuronalen Muster sind bei kaufsüchtigen Männern wie Frauen vergleichbar mit jenen bei Alkohol- oder Nikotinsüchtigen. “Männer sind weit häufiger kaufsüchtig als vielfach vermutet wird. Man sollte dieses Suchtverhalten auch bei ihnen nicht belächeln”, fordert Studienleiter P. Kenning.
Rund eine Million Menschen wird in den deutschsprachigen Ländern als kaufsüchtig geschätzt, und jeder Zwanzigste ist davon gefährdet. Die Problematik der Kaufsucht ergibt sich zunächst aus dem Leben über die eigenen finanziellen Verhältnisse. Teure Artikel werden impulshaft gekauft, häufig auch nicht ausgepackte Ware gehortet. In Folge ergeben sich weitere, teils dramatische Konsequenzen, etwa an der Arbeitsstelle, hinsichtlich der Altersversorgung, soziale Folgen sowie solche für die Familien der Betroffenen.
In der Untersuchung verglichen nun die Forscher die Reaktionen von Männern mit und ohne starker Kaufsucht-Tendenz und verwendeten dabei typische Männer-Markenprodukte als Stimuli. Hierbei war in der funktionellen Magnetresonanz bei potenziell Kaufsüchtigen das Belohnungszentrum des Gehirns deutlich aktiver als bei Männern ohne Kaufsucht. “Es ist dieselbe übersteigerte Reaktion, die man bei Alkoholikern mit einer Flasche Wein oder bei Nikotinsüchtigen mit einer Schachtel Zigaretten auslöst. Sie spiegelt Vorfreude und starkes Verlangen oder Echo erfahrener Belohnung wider”, berichtet Kenning.
Die meisten Männer bejahen die Frage, ob sie Marken wie Rolex oder Mercedes attraktiv finden und gerne kaufen würden. “Den Unterschied, der Kaufsucht-Gefährdete kennzeichnet, sieht man erst in der übersteigerten Hirnaktivität. Das ist ein Grund mehr, warum man Kaufsucht als Krankheit definieren sollte”, so der Forscher. Wie sehr die festgestellte Reaktion sozialisiert sei oder auf genetische oder epigenetische Strukturen zurückgehe, sei bisher aber noch nicht nachweisbar.
Kaufsucht-gefährdete Männer reagieren stark auf Marken, vor allem bei Textilien, Uhren, technischen Accessoires und Gadgets, Sportartikel, Wein, Schuhen und Autos. “Manche haben einen Fuhrpark von 70 Autos, obwohl sie immer nur eines fahren können. Auch hier ist übersteigerte Belohnung im Spiel”, so der Forscher.
Frauen werden häufiger mit Kaufsucht in Verbindung gebracht, da sie meist die Haushalte führen und häufiger einkaufen, weshalb auch die Werbung überwiegend auf sie zugeschnitten sei. Doch bestehe bei einschlägigen Studien lt. “Kaufsucht-Forscherin” L. Reisch von der Universität Kopenhagen „…meistens das Problem unzureichender Stichproben. Frauen sind therapiewilliger, selbstkritischer und melden sich eher für solche Studien”, so die Expertin. Auch seien die Fragen der Skalen, die Kaufsucht messen, eher auf das weibliche Einkaufen ausgerichtet, da Männer andere Artikel und mit anderen Emotionen kaufen.
Marketing konzentriert sich heute zunehmend auf den Aufbau einer Beziehung statt auf die Transaktion des Produkterwerbs. Kenning hinterfragt “… ob wir langfristig Marken derart emotional aufladen dürfen, dass Menschen davon süchtig werden. Einerseits müssen die Unternehmen vor derart negativen Folgen geschützt werden, andererseits aber natürlich auch die Konsumenten”.
(Quelle: Zeppelin-Universität; Image src: 1:netdoktor.de 2:rhein-zeitung.de)