Anorexie und Bulimie sind in der Bevölkerung zwar stark verbreitet und schwere Erkrankungen, werden aber aus Scham und Angst vor Stigmatisierung auch heute noch von den Betroffenen lange Zeit verschwiegen.
Wie Johann Kinzl von der Klinischen Abteilung für Psychosomatische Medizin der Universitätsklinik für Psychiatrie der Medizinischen Universität Innsbruck am Freitag anlässlich des Ernährungskongresses in Wien referierte, suchen Betroffene meist viel zu spät – durchschnittlich erst nach fünf Jahren – professionelle Hilfe. “Selbst dann kommen die Patienten zumeist nicht aus eigenem Antrieb, sondern werden von ihren verzweifelten Eltern oder anderen Angehörigen in die Klinik geschleppt”, berichtet der Arzt. Nur ganz wenige von ihnen hätten eine “positive Motivation”, ihrer Krankheit zu begegnen, nämlich jene, die sich von ihr nicht weiter einschränken lassen wollen. “Meist verleugnen die Betroffenen ganz einfach ihr Problem – so lange, bis es manchmal zu spät ist”.
Hinsichtlich der zeitgerechten Diagnose sind Allgemeinmediziner, Internisten, Gynäkologen, Psychotherapeuten, Psychologen aber auch Schulärzte gleichermaßen gefragt. Das Bewußtsein bezüglich der Erkrankungen nehme zwar zu, nach wie vor sei jedoch manches verbesserungswürdig. “Es ist ganz einfach wichtig, dass jegliche Essstörung so früh wie möglich diagnostiziert wird, um mögliche negative körperliche und psychische Folgen zu verhindern”, so der Arzt. Genauso spielen Diätologen beim Aufspüren der Krankheit sowie bei der Therapie eine wichtige und unterstützende Rolle. Unterstützung ist im Regelfall zudem durch Psychotherapie notwendig, um das “Grundproblem” der Erkrankung aufzuspüren.
Die Liste der Folgen von Essstörungen ist lang und beunruhigend: Den Betroffenen ist ständig kalt (Untertemperatur), sie haben niedrigen Blutdruck oder Amenorrhoen (Ausbleiben der Menstruation) – im schlimmsten Fall kann dies zur Infertilität führen. Die Patienten haben zudem ein erhöhtes Risiko von Knochenabbau (Osteoporose), verbunden mit einer verstärkten Neigung zu Knochenbrüchen. Durch das ständige Erbrechen ist der Elektrolythaushalt gestört, die Speiseröhre erhält Risse und es kommt zu Zahnproblemen wie Karies. Genauso wird mit der Zeit die Hirnleistung immer schlechter. Betroffene fühlen sich zudem häufig antriebs- und freudlos, unterliegen Stimmungsschwankungen und Libidoverlust.
Weiterführende Links:
Artikel Essstörungen (Bulimie, Anorexie etc.)
Selbsttest auf Vorhandensein einer Essstörung
(Quelle: Der Standard 13.03.2010; Photo src:umkcwomenc.files.wordpress.com)
Simone Happel Reply
Ja, das Bewusstsein bezüglich Essstörungen nimmt definitiv zu. Nur hilft das nicht unbedingt. Denn es führt z. B. auch dazu, dass die Pro-Ana-Bewegung regen Zulauf findet. Diese Mädchen leben ihre Bulimie als Lifestyle und tauschen sich via Internet mit Gleichgesinnten aus.
Wer seine Essstörung nicht als Krankheit erkennt und aus eigenem Antrieb heraus gesund werden möchte, dem können leider weder Eltern noch Therapeuten etc. helfen…