“Schönheitschirurgen” und die Kosmetikindustrie leben davon (und Kritiker behaupten, sie tun ihr Bestes, um es zu fördern): das “Dorian-Gray-Syndrom” beschreibt ein Phänomen, bei dem Menschen regelrecht zwanghaft kosmetische Produkte kaufen und medizinische Prozeduren auf sich zu nehmen – im Versuch, ihre Jugend zu erhalten. Oscar Wilde griff in seinem berühmten Roman “Das Bildnis des Dorian Gray” sehr eindrücklich das psychologische Dilemma der Betroffenen auf, nicht altern und seelisch reifen zu wollen. Der Protagonist des Romans wurde in Folge zum Namensgeber für das einschlägige Verhaltensbild.
Während das Syndrom als solches zwar noch nicht in die medizinischen Diagnoseschlüssel aufgenommen wurde, zeigen viele Patienten, die daran leiden, jedoch klar diagnostizierbare Elemente sogenannter Körperbildstörungen (mit starken Sorgen rund um – mitunter nur von ihnen selbst – wahrgenommene Defekte ihrer körperlichen Erscheinungsbildes), narzißtische Persönlichkeitselemente (etwa ein Gefühl der Überlegenheit anderen gegenüber oder starke Beschäftigung mit sich selbst), sowie Zeichen verzögerter psychischer Reifung (Maturation) in bestimmten Teilbereichen ihrer Persönlichkeit. In ihrer Sorge um ihr äußeres Erscheinungsbild und ihrer Schwierigkeit, ihr körperliches Altern zu akzeptieren, sind DGS-PatientInnen häufig intensive Benutzer (oder Mißbraucher) von Haarwuchs- und Diätprodukten, Stimmungsaufhellern und Potenzmitteln, oft sind sie Mitglieder in Fitneßclubs und häufig auch wiederholt Patienten für kosmetische Operationen (Laser-Korrekturen, Botox-Injektionen oder andere ästhetische Eingriffe).
Falls Sie jemanden kennen, der Anzeichen des Dorian-Gray-Syndroms zeigt, dürften Ihnen vielleicht auch depressive Tendenzen auffallen, die sich – wenn sie unbehandelt bleiben – selbstschädigend auswirken können: etwa wenn der oder die Betroffene versucht, das negative Selbstbild durch den Gebrauch von Medikamenten, Drogen oder wiederholten Operationen zu unterdrücken. Wer aber hätte das Recht, das jeweilige Verhalten als “schädlich” zu bezeichnen? Für manche Menschen wäre es wohl inakzeptabel, ihr Leben ständig nach derartigen Zwangsgedanken auszurichten, andere dagegen verändern lieber ihren Körper, als ihre Psyche zu hinterfragen.
Was läßt sich gegebenenfalls tun? Bei manchen Betroffenen stellt sich eine Persönlichkeitsstörung als eigentliche Ursache für die Körperbildstörung heraus, bei anderen ist es ein Mangel an Selbstwertgefühl. Während zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen unterschiedliche Maßnahmen (häufig eine Kombination aus Psychopharmaka und Psychotherapie) erforderlich sind, kann das Selbstwertgefühl sehr effizient mit Methoden aus der Psychotherapie alleine verbessert werden. Dies erfordert nicht unbedingt jahrelange “Gespräche” – klare und auch dauerhafte Verbesserungen sind in der Regel schon nach einigen Monaten regelmäßiger Sitzungen möglich. Diese haben unter anderem das Ziel, hinsichtlich der körperlichen Veränderungen, die unser Leben mit sich bringt, selbstsicherer und gelassener zu werden.
(Dieser Kurzartikel ist Teil einer wöchentlichen Serie, die sich mit psychischen Problemen von Expats und generellen Themen psychischer Gesundheit befaßt und in verschiedenen Medien Thailands veröffentlicht wird, 2011; Image src:Dorian Gray Movie 2009)
Narja Reply
Das ist eine ERFUNDENE Krankheit, wie so viele im psychologischen Bereich. Eine Aufnahme ins Diagnosemanual erfährt sie per Abstimmung, nicht per Forschung. Der Name ist marktschreierisch und ignoriert die tieferen Komponenten von Oscar Wilde’s Werk, hier vor allem den psychologischen Schatten. Die empfohlene Behandlung mit Psychopharmaka (Antidepressiva und Neuroleptika) ist absurd. Wie schnell kann man jemandem etwas hindiagnostizieren, wenn er eine Diät macht UND Haarwuchsmittel benutzt? Wieso wollen Leute, die sich um ihre Schönheit sorgen, nicht reifen? Wer sagt, dass das so sein muss?
Dieses Syndrom ist ein negatives Beispiel für die Psychiatrisierung unserer Gesellschaft. Und ein Beispiel dafür, wie die Pharmaindustrie den verkauf ihrer Psychopharmaka mit Hilfe von neuen Syndromen auf immer mehr Menschen ausweitet.
Was ist besser? Medikamente zur Erhaltung der Schönheit oder Psychopharmaka?