Eine bemerkenswerte und lesenswerte Neuerscheinung gab es da kürzlich in den “Psycho”-Ecken der Buchhandlungen, und zwar einmal abseits der trendigen Selbsthilfe-Ratgeber- und Neurobiologie-Literatur:
“Der niedergeschlagene Mensch: Depression. Geschichte und gesellschaftliche Bedeutung einer Diagnose” von Charlotte Jurk.
In diesem bemerkenswerten Buch befaßt sich die Autorin mit der erstaunlichen Karriere des Störungsbildes der “Depression”, deren häufigste Ausprägungsformen früher noch “Melancholie” genannt und als normale Seinszustände betrachtet wurden. Heute dagegen wird sie als “Volkskrankheit Nr.1” gejagt und unter erheblichem Einsatz von finanziellen Ressourcen mit teils riskanten und in ihren Nebenwirkungen unzureichend erforschten Psychopharmaka behandelt (für Psychotherapie insgesamt gab es in Österreich im Jahre 2006 nur ca. 10% jenes Budgets, das allein für Antidepressiva ausgegeben wurde).
Jurk hinterfragt die aktuelle Medikalisierung psychischen Leidens generell, sowie das Menschenbild einer Gesellschaft, die Depression als “Preis für den Fortschritt” hinnimmt und in der die Tabuschwellen in Richtung einer “Optimierung” von Körper, Psyche und Geist ständig zu sinken scheinen. Lesenswert!
Das Buch finden Sie ab sofort auch in der Literatur-Empfehlungsliste zum Thema “Depression” auf dieser Website, ein an die Buchinhalte anknüpfendes Interview mit der Autorin fand sich kürzlich im Online-Magazin ‘tp’.
Was meinen Sie zu diesem Thema?