Aggression und Gewalt

Wenn der Blutdruck steigt, die Halsvenen anschwellen – und der rationale Verstand auszusetzen droht: Aggression “beamt” uns in ein Frühstadium unserer Entwicklung zurück … und ist der Adrenalinrausch erst einmal verflogen, kehrt häufig Reue ein über das, was im Rausch der Emotionen an Zerstörungsarbeit (verbal oder physisch) geleistet wurde.

Grundsätzlich gibt es 2 Kategorien von Aggression: affektive Aggression (Rache, Feindseligkeit, Neigung zu impulsivem und unkontrolliertem Verhalten) und sog. instrumentelle Aggression (z.B. Jagdverhalten, zielorientiert und überlegt). Empirische Untersuchungen zeigen, dass die meisten Menschen mit einer Neigung zu affektiver Aggression über einen niedrigeren IQ verfügen als andere. Aggression ist nicht gleichbedeutend mit Gewalt – sie kann diese aber auslösen. Die Ausdrucksweisen von Aggression sind außerdem kulturell unterschiedlich: so neigen diversen Studien zufolge die Bewohner südlicher Länder oder auch von Amerikanern eher zu körperlicher Gewalt als Japaner oder die Bewohner nördlicher Länder, welche verbale Konfliktlösungen bevorzugen. Auch die Mordquote ist in diesen Regionen höher.

Bemerkenswerterweise gibt es auch einen wichtigen Zusammenhang zwischen der Neigung zur Gewalt und der Sozialisation: wuchsen Menschen in Familien mit hohem Aggressionspotenzial auf (verbale, psychische oder körperliche Gewalterfahrungen), passen sie ihr eigenes Verhalten entsprechend an und neigen – häufig, ohne es ursprünglich zu wollen! – im späteren Leben auch selbst zu Ausbrüchen von Aggression. Dies gilt auch für die soziale Akzeptanz von Gewalt, etwa bestimmten Volksgruppen gegenüber: eine Dynamik, die wohl mitverantwortlich ist für die nicht endenwollende Gewaltspirale im nahen und mittleren Osten. Viele Menschen reagieren darüber hinaus aggressiv, wenn sie das Gefühl haben, nicht verstanden oder ernst genommen zu werden, oder Ziele und Hoffnungen nicht realisieren zu können. Aus psychologischer Sicht ist dies meist in einem geringen Selbstwertgefühl begründet.

Auch viele Partnerschaften werden durch inadäquaten Ausdruck von Aggression belastet: Studien zufolge neigen Männer eher dazu, Aggression körperlich und direkt auszudrücken, Frauen dagegen tun dies eher verbal und indirekt. In Beziehungskrisen sind “Eskalationsspiralen” häufig, bei denen zunächst ein verbaler Schlagabtausch erfolgt, und schliesslich einer der Partner die Kontrolle über sich verliert und den anderen körperlich oder seelisch verletzt. Je regelmäßiger derartige Abläufe vorkommen, desto schwieriger ist es selbst in einer Paartherapie, die Konfliktmuster aufzulösen. Auch hier gilt also: je früher erfahrene Hilfe gesucht wird, desto erfolgversprechender!

(Dieser Kurzartikel ist Teil einer wöchentlichen Serie, die sich mit psychischen Problemen von Expats und generellen Themen psychischer Gesundheit befaßt und in verschiedenen Medien Thailands veröffentlicht wird, 2011; Bildquelle: allhealthsite.com)

Richard L. Fellner, DSP, MSc.

Psychotherapeut, Hypnotherapeut, Sexualtherapeut, Paartherapeut



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11.11.22