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christho
sporadischer Gast
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Magdeburg W, 38
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Fri, 09.Apr.04, 13:20 Wer kann mich verstehen, ich nicht!!! |
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Hallo,
ich bin 38 weibl, verh. und Mutti unseres 13jährigen Lieblings, ich gehe den vollen Tag arbeiten.
Ich bin erstmal froh, Euch gefunden zu haben. In meinem Leben habe ich eine hare Erziehung, Lieblosigkeiten, von meiner Mutter tolerierten sex. Misbrauch, durch Alkoholsucht einige Niederschläge auch beruflicher Art hinnehmen müssen - eigentlich stolpere ich seit ich lebe, mich so durchs leben. In einigen Monaten ist eine Trauma-Therapie bei Wildwasser, dem Verein für sex. gewalterfahrenen frauen geplant. Seit Anfang Feburar brodelt es in mir, weil durch einen Trigger die gedeckelten Traumata sich in Erinnerung bringen.
Neulich habe ich eine schräge Sache begrübelt. Ich schäme mich sehr, sie hier anzusprechen, ich machs mal. Hoffe, Ihr schreibt mir dann noch und kickt mich nicht einfach raus:
Menschen, wie die Sekretärin im Dienst, vertraue ich. Eigentlich bin ich sogar emotional etwas abhängig von ihr. Meiner Lehrerin in der ersten Klasse habe ich auch vertraut, ich fand, von ihr ging Wärme aus, in der Schule/Ausbildung/Studium gabs davon noch einige Pädagogen, die "mein Herz eroberten" )
Warum aber komme ich auf die paranoide Idee, vor solchen Leuten körperlich gedemütigt werden zu wollen. Ich verabscheue SM und doch ist es doch irgendwie masochistisch. Was tickt da falsch in meinen grauen Zellen? Ist das selbstverletzendes Verhalten, auf psychischer Ebene? Gut, Alkoholabhängigkeit ist ja auch SVV, Essstörung kann sein, daß ich sie habe, habe seit August 26kg gewollt abgenommen, wog mal 100 kg und war zu fett - Nahrungsumstellung, wird nun immer weniger, mit dem ich klarkomme, Dulcolax am Abend, Entässerungspillen am Morgen - so klappt das mit den Kilos, Arbeitssucht grenzwertig (ordentlich viel und exzessiv befördert mich in andere Welten und die probleme treten in den Hintrgrund 10-12 Std. schlauchen und ein gutes Einschlafen ist garantiert) .
Will ich vielleicht, wie mit Extrovertiertheit (Erklären, Vorbeugen, um Strafe bei Fehlern milder werden zu lassen) mit körperlicher Demut das gleiche erreichen. Diese Menschen sollen es auch nicht selbst tun, sie sollen im Publikum sitzen.
Die Sekrtärin schüttelte mit dem Kopf und sagte mir gestern, bevor sie los mußte, denk mal nach über Achtung/Zuneigung und Abscheu, vielleicht kommst Du ja drauf. Sie war mir aber auf keinen Fall böse. Ich schämte mich so sehr, wie auch jetzt.
Könnt Ihr das verstehen, vor allem aber, könnt Ihr mich noch etwas leiden?
Bitte helft mir, ich habe schon in Richtung Borderline oder Persönlichkeitsstörung überlegt. Meinen Therapeuten von der Drogenberatungsstelle sehe ich erst am Dienstg nach Ostern wieder. Diese Grübelei ist voll anstrengend.
Danke schon jetzt und hoffentlich bis bald.
Eure Silke
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1234
Helferlein
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Deutschland W, 42
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Fri, 09.Apr.04, 13:37 Re: Wer kann mich verstehen, ich nicht!!! |
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Hallo Silke, ich mache mir schon die ganze zeit gedanken darüber, ob es so bei meinem mann ist. und nun schreibst du hier von dir.
ich kenne das so von ihm, dass er meine liebe sucht, dann dinge tut, für die er bestrafung bekommt, und sich dann regelrecht mir unterwürft.
das ist sehr schlimm für mich. er sagt zwar oft, er will mir nicht wehtun, sondern sich selber, aber ich habe da schon das gefühl, das es eher sadomasochistisch ist.
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ich kann für mich selber sagen, dass ich nicht so bin. leider nie verstanden habe, was da abgeht. und manchmal auch über mich erschreckt war. denn wenn er mir so wehgetan hat, dann hätte ich plötzlich auch um mich schlagen können. Aber ich weiß, dass das nicht das ist, was ich bin und will. ich kann ohne diesen ganzen schmerz leben. mein kampf bestand eigentlich nur noch daraus, dass dieser schmerz aufgehoben werden könnte. aber ich musste feststellen, das ich zum spielball wurde. und nun konnte ich diesen schmerz nur noch aufheben, indem ich mich distanziere.--------
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irgendwas muss doch in dir vorgehen, wenn du diese demütigungen willst. möchtest du das dich jemand rettet? überlege doch mal und spinn die situationen mal aus.
ich fiinde das sehr gut, dass du den mut aufbringst, darüber zu schreiben.
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1234
Helferlein
83
Deutschland W, 42
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Fri, 09.Apr.04, 15:09 Re: Wer kann mich verstehen, ich nicht!!! |
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Du hast geschrieben, von deiner mutter tolerierter sex. missbrauch.
deine mutter, die deine vertrauensperson sein sollte, hat also quasi die situation in der du gedemütigt wurdest mit angeschaut.
wenn du dir nun von vertrauensvollen personen wünscht, vor ihnen gedemütigt zu werden, dann ist das doch wie eine wiederholung dessen, was du mit deiner mutter erlebt hast.
es könnte nur diesmal anders ausgehen, es könnte dich jemand retten. oder es könnte wieder nur jemand wegschauen. bestätigung für dich, dass du eh schlecht bist, es nicht anders verdient hast?
als missbrauchtes kind hast du auch ein schlechtes gewissen. du wirst immer der meinung sein, dass du selber schuld bist, an dem was dir angetan wird. das wird der täter vermitteln: z. B., wenn es mama rauskriegt, dann tust du ihr weh. u hast es ja selber gewollt (total schlimm für ein kind, weil es evtl. sowas wie erregung gespürt hat, und dies nicht einordnen konnte).
für dich ist wichtig zu sehen, dass du keine bestrafung verdient hast, weder durch dich, noch durch andere. damals nicht und heute nicht. versuche achtung vor dir selber zu bekommen, das dir gutes zusteht. echte zuneigung eines menschen, kein manipulatives verhalten.
die sekretärin wollte dir dies ja auch schon klarmachen. wie kam sie eigentlich darauf, was hast du getan oder gesagt?
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christho
sporadischer Gast
6
Magdeburg W, 38
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Fri, 09.Apr.04, 18:16 Re: Wer kann mich verstehen, ich nicht!!! |
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Hi 1234,
ist ja ein lustiger Nick, vor allem leicht zu merken.
Inzwischen hatte ich mit der Telefonseelsorge gesprochen. Würden meine Empfindungen erst jetzt so sein, dann hätte das schon eher mit einer sexuellen Tendenz zu tun, denn ich mag einfach keinen Sex. Mein armer Mann muß schon seitdem wir nach unserem Trennungsjahr 2001/02 wieder zusammen sind (er trank damals auch und ich hatte die Nase voll von unseren ewigen Lieblosigkeiten) auf den Sex verzichten. Mein Therapeut von der Drogenberatungsstelle meinte, das ginge per sofort nur mit Alkohol, denn ich habe ja nicht ohne Grund 16 Jahre damit meinen seelischen Schmerz gedeckelt. Nein wirklich, Sex widert mich sogar an, mir wird schlecht dabei. Bei meinem Trigger Anfang februar ist mein Mann nur versehentlich in der Nacht in meine Betthälfte gerutscht und dachte, ich sei sein Kissen. Zuvor hatte ich am Tage noch eine kurze Erinnerung an mein Elternhaus und das wars. Solange war die Tür in die Traumazeit zu - nun steht sie offen und tut unglaublich weh. Immer neue Erinnerung, neue Fakten, die schlimmste Neuigkeit war also die Mitwisserschaft über den Missbrauch.
In der Schule, in der 1. Klasse, sollte ich noch nicht missbraucht worden sein, und auch keine sexuellen Empfindungen gehabt haben. Darum bringt die Frau von der Seelsorge die Sache mit der psych. Traumatisierung zusammen und daß das Hilfeschreie wären, "seht her, es geht mir schlecht" . Im Dienst geht dieses Thema nicht vielen sonderlich nahe, kann es ja auch nicht, wir gehen ja zum Arbeiten dorthin und nicht um uns therapeutisch beizustehen. Ohne Grundlagenwissen können sie ja nicht verstehen, wie weh mir drei Jahrzehnte getan wurde. Ich hatte bislang extrovertiert gewirkt und viel darüber erzählt, damit sie Gnade walten lassen, wenn ich mal einen Fehler mache. Fehler = Strafe, auch davon muß ich mich lösen, Perfektionismus = Erziehung meiner Mutter, Fehler und Kontrolle, Ergebnis Mangelhaft, = Strafe (phys. psych. Gewalt von meiner Mutter/VÄter. Somit ist eine unglaubliche Anspannung in mir, bloß alles richtig zu machen.
So ähnlich habe ich es der Sekretärin erzählt, wir haben fast ein freundschaftl. Verhältnis. Sie sieht keinen Grund, diese Ängste noch zu haben, "es tut Dir doch keiner was - das ist vorbei." Sie würde auch aus dem Raum gehen, wenn sie sehen würde, daß ich mich demonstrativ demütigen ließe, das will sie nicht sehen. Würde ich aber überfallen werden, dann sehe das anders aus. Das ist gegen meinen Willen und sie würde helfen.
Im Telefonat mit der Seelsorge kam noch raus, daß ich wahrscheinlich nie zur Zeit Hilfe schreien könnte, das stimmt. Ich kann es einfach nicht, egal wie schlecht es mir geht. So wäre es auch, wenn sie mir einen Verband anlegen müßte, weil ich mich durch Ungeschicklichkeit geschnitten hätte (keine Selbstverletzung). Damit ist dieses Gedankenspiel noch leichter zu verstehen, denn am Ende erträgt sich phys. Gewalt besser als psych. Demütigung. Seel. Qualen sind eindeutig nachhaltiger und schlimmer auszuhalten.
Mit Abscheu und Achtung kann sie vielleicht Abscheu vor der Demütigung an sich und Achtung vor meiner Person gemeint haben.
Auch das ist schwer zu verstehen: man hat mich lieb! Wie eine häßliche Kreatur, die nach jahrlanger Haft in einem Erdloch auf die Menschheit zugeht, so fühle ich mich. Liebe erhalten ist eine tolle Vorstellung, sie aber mit einem Mal zu spüren und zu verinnerlich überraschen viel Arbeit.
Ich gebe Dir Recht, mit Selbstliebe, die man erstmal lernen muß, kommt man schon weiter - da das alles so schwer fällt, macht es mir mal wieder überdeutlich, wie schwer Traumatisierungen sind und wie lange die Aufarbeitung unter Umständen dauern kann verbunden mit heftigsten Schmerzen.
Liebe Grüße
Silke
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Sat, 10.Apr.04, 10:17 Re: Wer kann mich verstehen, ich nicht!!! |
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christho sagt (sinngemäß):
Wieso komme ich auf die Idee, von Menschen, denen ich vertraue, körperlich gedemütigt werden zu wollen?
Du hast als Kind körperliche Demütigung (sex. Mißbrauch) und Vertrauen (von der Mutter geduldet) in Verbindung bringen müssen. Diese Assoziation bleibt Dir als Erwachsene erhalten, man kann aber daran arbeiten, diese Dinge wieder voneinander zu trennen.
Dein inneres Glaubenssystem lautet vielleicht so ähnlich wie: "Wenn ich einem Menschen sehr vertraue, werde ich mißbraucht". Ein Glaubenssystem entsteht durch Erfahrungen. Man verhält und fühlt sich so, als treffe diese Erfahrung auf die ganze Welt zu. Das funktioniert auch gut so, bis man Menschen begegnet, die nicht so sind, wie die Menschen, mit denen man die ursprünglichen Erfahrungen gemacht hat. Wenn man dann sein Glaubenssystem nicht überdenkt, bekommt man sogenannte Probleme mit sich und den neuen Menschen. Denn man begegnet ihnen nicht so, wie sie wirklich sind, sondern man reagiert auf sie, als ob sie wie die Menschen wären, bei denen man sein Glaubenssystem erlernt hat (das hat Deine Freundin wahrscheinlich mit der Achtung gemeint).
Das Schwierige dabei, seine alten Überzeugungen über Bord zu werfen, ist das Eingeständnis, daß die Menschen, die einen ursprünglich geprägt haben, diesen speziellen Teil falsch gemacht haben. Trotzdem verdankt man ihnen das Leben.
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_________________ make your own reality |
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