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Stöpsel2
Forums-Gruftie
917
Deutschland W, 35
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Wed, 10.Mar.04, 12:53 Jede Therapie ist individuell |
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Hallo,
ich wollte mal etwas grundsätzliches bemerken, etwas, worüber ich selber gestolpert bin (und vielleicht jedem außer mir eh schon klar ist ).
Na ja, ich hab manche Sachen, die ich hier gefunden habe, viel zu ernst genommen (wie ich überhaupt vieles zu ernst nehme, ist auch Therapiethema) Beispielsweise habe ich den Thread gelesen mit dem "Aufweichen der Therapie" http://www.psychotherapiepraxis.at/forum/viewtopic.php?t=4095 . Und ich hab zu dem Zeitpunkt viel hier gelesen, viel mit meinem Exfreund über meine Therapie diskutiert und viel nachgedacht und hatte dann das Gefühl, das ist womöglich nicht richtig. Das hat dazu geführt, daß ihc dachte, außer dem, was wir in der Th. reden und was wir dort ausmachen, womit ich mich beschäftigen soll, sollte ich nichts mehr tun, nicht mehr nachdenken. Letztlich hat das aber was mit Aufgabe der Eigenverantwortung zu tun. Und das paßt einfach nicht zu mir, ich bin eigentlich jemand, der sich selbst immer über alles informiert, überall hinschaut und über alles nachdenkt. Über das Ausmaß mag man streiten, das ist dann wohl mein persönliches Problem. Aber es ist einfach so, daß ich eine ganze Bandbreite an Alltagsproblemen habe und wir können in der Th. ja nicht über alles gleichzeitig reden (leider), trotzdem muß ich auch bei den Dingen, über die wir noch nicht reden, Wege finden, damit umzugehen. Und was spricht dann dagegen, sich hier oder anderswo darüber zu informieren? Und bei den Themen, die gerade aktuell in der Th. sind, schadet es ja auch nicht, sich außerhalb zu informieren, weil das, was einen davon berührt, wird man ja ohnehin in der Th. besprechen. Ich mache übrigens VT.
Na ja, in den Themenkomplex spielt auch mit rein, wieviel Selbstbewußtsein man hat. Und da bin ich ein bißchen zwiespältig. Jedenfalls habe ich einen gewissen Respekt vor Leuten mit Fachwissen und davon, wie eine Th. ablaufen soll, habe ich keine Ahnung. Das hat es mir mit der Eigenverantwortung auch noch schwerer gemacht. Was mir geholfen hat, war der Satz von Wolfstetter, Leute dazu zu ermutigen, "mündige Patienten" zu werden. Und da ich das in Sachen Ärzten bin, mir da mittlerweile i.a. von niemandem mehr was vormachen lasse, hat es bei mir zum Glück "Klick" gemacht. Jetzt sehe ich die Therapie eher als Teamwork.
Auch ein anderer Fehler ist mir passiert. Ich hab mich davon irritieren lassen, was andere darüber schreiben, wie der Therapeut mit ihnen umgeht. Bei mir war das alles aber ganz anders, und da es für mich einige Zeit nicht richtig befriedigend verlief, dachte ich, das sei das Problem, daß er es nicht so macht. Ich habs angesprochen und irgendwie kristallisiert sich jetzt heraus, daß da zwar irgendwas falsch lief, aber was ganz anderes. Und das hat eben damit zu tun, daß unser beider (aber zumindest meine) Persönlichkeit ganz anders sind als die von anderen Leuten hier. Na ja, damit ist mir jetzt wenigstens klar geworden, daß das Umgehen mit meiner Andersartigkeit auch Therapiethema sein muß.
Also, was ich sagen will, ist, daß Therapien wohl nur bedingt miteinander zu vergleichen sind und wenn man sich dessen nicht bewußt ist (wie ich vorher), man wirklich aufpassen muß, welche Bedeutung man manchen Aussagen hier gibt. Es gibt nur wenige Sachen, von denen ich behaupten würde, daß sie allgemeingültig sind, wie z.B. daß es eine gewisse Anlaufzeit braucht, bis sich Therapeut und Patient so gut kennen, daß es fruchtbar ist, gerade zu Anfang leicht Mißverständnisse passieren können. Eine andere ist der vielbeschworene Satz "Sprich es in der Therapie an, wenn Du mit der Therapie Probleme hast." Und aufgrund meiner eigenen Erfahrung möchte ich dies ergänzen um "Sei dabei hartnäckig, bis Du die Klarheit hast, die Du brauchst".
Also, das sind meine bisherigen Erfahrungen und im Moment habe ich den Eindruck, daß alles super gut läuft.
Viele Grüße
Stöpsel
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simone68
Helferlein
59
Berlin W, 36
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Wed, 10.Mar.04, 20:03 Re: Jede Therapie ist individuell |
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Hallo Stöpsel,
ich find total wichtig, was Du schreibst.
Ich glaub auch, dass jede Therapie sehr individuell verläuft, immer eine eigene Komposition aus Thera, Klient, Methode, Thema, ... ist. Da ist es schwer bis unmöglich zu vergleichen.
Und es ist unglaublich schwer, per Mail zu erfassen, was denn da wirklich bei jemandem Sache ist, den man ja eigentlich nicht kennt. Gleichzeitg fallen alle Kommentare und Ratschläge tief, weil einen der therapeutische Prozess immer wieder verwirrt, offen, sensibel, verletzlich sein läßt. (Meiner zumindest )
Ich glaube, das ist einer der Gründe warum ich hier nicht aus meinem aktuellen therapeutischen Prozess berichte, sondern lieber von Erfahrungen, die sich schon ein bißchen gesetzt haben. Das Aktuelle ist mir zu intim, zu verletzbar. Ich erzähle meinem Mann oft etwas, v.a. auch weil ich für unsere Beziehung wichtig finde, dass er weiß, was sich bei mir tut. Aber selbst das ist mir oft eigentlich schon zu viel. Ich habe machmal das Gefühl, ich zerre ein zu zartes Pflänzchen an die kalte Luft. Eine wohlgemeinte, aber verständnislose Bemerkung von ihm reicht mir dann oft schon und ich fühl mich verletzt oder bin verunsichert. Ich hab mir jetzt die Regel gesetzt, dass ich am Tag, an dem ich die Therapiestunde habe gar nicht darüber rede.
Für mich ist es total wichtig und gut, immer mehr spüren zu lernen: Was stimmt für mich und was nicht. Und was für mich stimmt, muss noch lang für andere nicht stimmen - und umgekehrt.
Wobei ich es auch immer wieder unglaublich verführerisch finde, anderen das für mich Stimmige auf´s Auge zu drücken.
Schön, dass es in Deiner Therapie so gut läuft!
Liebe Grüße, Simone
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r.l.fellner
Psychotherapeut
1589
Wien M
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Thu, 11.Mar.04, 10:34 Re: Jede Therapie ist individuell |
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Liebe Stöpsel2, liebe Simone68,
ich kann mich Ihren Beiträgen hier fast vollinhaltlich anschließen. Danke, daß Sie uns hier an Ihren Sichtweisen (und deren Entwicklung) haben teilhaben lassen.
Ich möchte es nochmals auf den Punkt bringen: einer der Hauptgründe, warum ich dieses Forum überhaupt ins Leben gerufen habe, und auch viele der Seiten, die ich auf meiner Website veröffentlicht habe, haben genau das angesprochene Ziel - nämlich den "mündigen Patienten" auch in der Psychotherapie zu fördern.
In der Psychotherapie gilt es allerdings zu beachten, daß nicht alles und jedes, was darin passiert, zu jedem Zeitpunkt rational nachvollziehbar ist - insbesondere für Außenstehende. Es ist beeinflußt von Therapiemethode, Therapeuten und vor allem den - mitunter ebenso wenig rationalen - aktuellen Impulsen und Entwicklungen der Klienten... Da denke ich etwa an Übertragungsprozesse, teils seltsam klingende "Aufgaben", die zu erledigen sind, Angst vor notwendigen Veränderungen etc...
Für Außenstehende (ja selbst für Fachleute) ist es immer schwierig, das, was in einer Therapie vorgeht, und inwieweit es im Moment "Sinn" macht, zuverlässig einzuschätzen.
Heißt das, man sollte sich überhaupt nicht über das, was bezüglich der Therapie in einem vorgeht, austauschen? Nein. Aber meist erweist sich doch meist die Maxime "besser eher wenig als zuviel" als die beste. Je wichtiger bei der angewandten Therapieform die Rolle ist, die der [Übertragungs-]Beziehung zum Therapeuten zukommt (also insbesondere bei analytisch fundierten Therapiemethoden, weniger dafür bei eher beratungsorientierten Formen wie Verhaltenstherapie, systemischer Therapie etc.), desto potentiell verlaufsgefährdender ist der Austausch über den Prozeß außerhalb der Therapie.
Meine Vorgangsweise, hier im Forum im Zweifelsfall einen "Therapie-Reflexionsprozess" lieber zu unterbinden - der resultiert genau aus dem, was Sie, Stöpsel2, in Ihrem letzten Absatz angesprochen haben. Da ich/wir ja nicht wissen können, was tatsächlich im Therapieprozess abläuft (hier im Forum steht ja nur eine Sichtweise zur Verfügung, und dies noch dazu von jemandem, den wir nur auf Basis über sich selbst geschriebener Textzeilen "einschätzen" können), verweise ich zunächst mal darauf, daß dies zuallererst in der Therapie zu tun ist.
Wenn andererseits ein Eindruck besteht, daß schon seit längerer Zeit (einigen Stunden) ein Problem i.B. auf die Therapie oder den Therapeuten besteht, das man alleine nicht lösen kann und das sich trotz aller Hartnäckigkeit auch nicht mit dem Therapeuten (!) lösen läßt, ist es definitiv Zeit, sich Meinungen einzuholen. Dann ist auch hier im Forum Platz, sich dazu Sichtweisen einzuholen. Den stell' ich dann sogar sehr gerne zur Verfügung.
Wie heikel aber auch dies ist, hat, finde ich, Simone68 schön auf den Punkt gebracht - ich empfinde dies genauso...
Und ja, manchmal nehme ich auch bei vielen Schreibenden hier eine gewisse "Lust" darin wahr, anderen das für sie Stimmige "auf's Aug zu drücken", wie es Simone formuliert hat. Daß ich das teils mit Befremden sehe und auch dann "schließend" eingreife, wenn ich den Eindruck habe, daß damit möglicherweise ein an sich funktionierender Therapieprozeß gefährdet wird, ist aus meinen genannten Überlegungen dann vielleicht besser verständlich. Eben, weil ich weiß, welch ein Einsatz an Gefühlen, Zeit und nicht zuletzt Geld damit verbunden ist, und wie leicht ein solcher Heilungsprozeß ge- oder sogar zerstört werden kann, bin ich da lieber "zu" proaktiv als zu wenig.
Herzliche Grüße
Fellner
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Dela
Helferlein
94
Norddeutschland W, 39
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Thu, 11.Mar.04, 12:00 Re: Jede Therapie ist individuell |
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Hallo Stöpsel,
ich freue mich auch dass es bei Dir so gut läuft. Ich bin mit meinem Thera auch SEHR zufrieden, bin wirklich froh und dankbar dass ich ihn gefunden habe. Im Moment habe ich zwar mal wieder eine etwas schwierigere Phase aber dann ist das ja umso wichtiger....
Also, ich habe ja erst nachdem ich gut ein 3/4 Jahr in der Therapie war überhaupt erst in diesem und anderen Foren regelmässig gelesen und manchmal auch geschrieben. Für mich hat es vor allem die wichtige Funktion zu erkennen dass ich mit bestimmten Problemen und Ängsten, auch in Bezug auf Therapie und Thera, nicht allein bin. Viele verlieben sich ebenso, haben auch Angst vor Abhängigkeit, sind mal wütend auf den Thera usw., und bevor ich das erkannte hat mich das was ich fühlte (und es ist ja ein Auf und Ab) viel mehr verwirrt. Natürlich erlebt jeder seine Probleme, die Therapie und den Thera individuell, aber es hatte mir z.B. schon Mut gemacht zu wissen dass auch andere Ihrem Thera mal schreiben wenn es garnicht anders geht. Natürlich hätte es trotzdem noch sein können dass meiner es nicht gut findet aber immerhin hatte ich mich dann also getraut und es WAR dann OK.... Ebenso mein "Geständnis" meiner Gefühle für ihn, ich weiss nicht ob ich mich sonst (so bald...) getraut hätte wenn ich nicht durch das Lesen hier erfahren hätte wie vielen anderen es so geht und dass man es in der Therapie GERADE äussern soll.... Mit wem soll man denn sonst über sowas reden, ausser man hat gerade ein Freundin die auch Therapie macht was bei mir nicht der Fall ist - oder ich weiss es nur nicht... .....
Ja, ich glaube durch die Erfahrung "ich bin nicht allein" bin ich in der Therapie insgesamt mutiger geworden. Hier habe ich auch erstmals ganz zufällig über AE gelesen, was bei mir dann sogar ganz entscheidende Dinge ins Rollen gebracht hat (sie rollen und rollen gerade sehr heftig...), ich weiss speziell bei diesem Thema nicht ob ich es sonst überhaupt in der Therapie geäussert hätte denn ich hatte es so sehr verdrängt dass ich nicht einmal daran DACHTE dass es in die Therapie gehört - na gut jetzt ist es schwer weil ich mich SCHÄME aber immerhin weiss der Thera es nun...
Ich glaube auch man sollte sich nicht beeinflussen lassen in der Form dass man hier mit anderen Usern "entscheidet" was man z.B. in der Therapie äussern würde, aber findet ein für mich wichtiger Erfahrungsaustausch statt, und ich habe hier auch noch nie erlebt dass jemand den Rat erhalten hat "sag es nicht dem Thera", sondern zu 98 % findet eine positive Ermutigung statt die vermittelt "Du schaffst das schon".
Dela
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Stöpsel2
Forums-Gruftie
917
Deutschland W, 35
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Mon, 22.Mar.04, 23:56 Re: Jede Therapie ist individuell |
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Hallo nochmal,
simone68 wrote: | einen der therapeutische Prozess immer wieder verwirrt, offen, sensibel, verletzlich sein läßt. |
Das stimmt für mich auch. Ich merke auch, daß ich manchmal zunächst einige Zeit brauche, um nach einer Therapiestunde wieder alles zu sortieren. Das bezieht sich vor allem auf die Gefühle. Das drüber reden wäre mir dann zwar möglich, bringt mir aber gar nichts.
r.l.fellner wrote: | nämlich den "mündigen Patienten" auch in der Psychotherapie zu fördern. |
Hmm, ich brauchte exakt diese Wörter "mündiger Patient", um das zu realisieren.
r.l.fellner wrote: | Für Außenstehende (ja selbst für Fachleute) ist es immer schwierig, das, was in einer Therapie vorgeht, und inwieweit es im Moment "Sinn" macht, zuverlässig einzuschätzen.
Heißt das, man sollte sich überhaupt nicht über das, was bezüglich der Therapie in einem vorgeht, austauschen? |
Mir ging es zwar auch um den Austausch, aber nicht nur. Mir ging es auch rein um das lesen von Beiträgen hier.
r.l.fellner wrote: | Aber meist erweist sich doch meist die Maxime "besser eher wenig als zuviel" als die beste. |
Ohne meine oben genannten Erfahrungen wäre ich darüber vermutlich auch gestolpert. Ich hätte nämlich das Wörtchen "meist" überlesen und daraus ein generelles "besser eher wenig als zuviel" gemacht. Obwohl es eben auf mich - zumindest in der Situation - nicht gepaßt hätte. Tja
r.l.fellner wrote: | Wenn andererseits ein Eindruck besteht, daß schon seit längerer Zeit (einigen Stunden) ein Problem i.B. auf die Therapie oder den Therapeuten besteht, das man alleine nicht lösen kann und das sich trotz aller Hartnäckigkeit auch nicht mit dem Therapeuten (!) lösen läßt, ist es definitiv Zeit, sich Meinungen einzuholen. |
Na ja, so wie Sie es sagen, muß man sich ja ganz im Klaren sein, daß was falsch läuft. Bei mir war es aber eher subtil, ich hätte es daher gar nicht genau benennen können, weder dem Therapeuten gegenüber noch hier, von daher war vor allem das lesen hier für mich genau richtig, obwohl ich aus den genannten Gründen da noch nicht mit meinem Therapeuten drüber gesprochen hatte.
Ich dachte, es wäre in dem Thread "Aufweichen des Therapieprozesses" auch um das Lesen hier an sich gegangen, daß auch das für eine Therapie nachteilig sein könnte, habs jetzt aber gar nicht mehr finden können...
Und ist es nicht egal, ob man zuerst hier darüber diskutiert wenn man das Relevante dann wieder in die Therapie einfließen läßt? Also, für mich möchte ich sagen, daß es so war.
Dela wrote: | Ich glaube auch man sollte sich nicht beeinflussen lassen in der Form dass man hier mit anderen Usern "entscheidet" was man z.B. in der Therapie äussern würde |
Davon wäre ich jetzt ohnehin nicht ausgegangen, daß man mit anderen Usern zusammen entscheidet. Aber oftmals passiert so eine Beeinflussung ja unbewußt. Also mir ging es eben so, daß ich mir dachte, so wie all die anderen hier Ihren Therapeuten schildern, müßte meiner doch auch sein. Und das habe ich eben jetzt als falsch erkannt.
Viele Grüße
Stöpsel
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