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r.l.fellner
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Post Thu, 25.Dec.03, 22:50      Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Liebe ForumsteilnehmerInnen,

zur Abwechslung möchte ich hier auch mal ein Diskussionsthema pflanzen Wink:

Wie geht es Ihnen persönlich (insofern richtet sich diese Frage an Leute mit Therapieerfahrung) mit dem Stellenwert, den Spiritualität, Religion oder Philosophie (je nach persönlichem Zugang und Überzeugungen) in Ihrer Therapie einnahm? Hatte dies in Ihrer Psychotherapie Platz / hätte es [mehr] Platz haben sollen? Wann und in welcher Form?

Mich würden da sehr Ihre persönlichen Erfahrungen und Gedanken dazu interessieren. Denn beides sind Bereiche, die einander häufig mit sehr großem Respekt (um nicht zu sagen Berührungsängsten, ja häufig sogar Skepsis) begegnen. Es gibt da auf 'beiden Seiten' einige Literatur zum Thema, aber mich würde eben mehr das persönlich Erlebte und Gedachte interessieren als diverse Lehrmeinungen.

Ich hoffe auf viele Gedanken und werde mir ggf. natürlich erlauben, nachzufragen, wenn mir etwas unklar ist. Cool

Liebe Grüße
Richard L. Fellner

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Kleine Fee
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Post Fri, 26.Dec.03, 0:13      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Hallo Herr Fellner,

zunächst, ich bin ein wenig vorbelastet, ich studiere diese Richtung nämlich Wink Was Ansichten der Theologie und Philosophie betrifft, habe ich diese meinem Therapeuten gegenüber geäußert, aber er war ganz anderer Meinung und meinte, dass die Psychologie ein Gegenpol zu diesen eben genannten Wissenschaften sei.

In der evangelischen Theologie heißt es beispielsweise, dass man Gefühle nicht kontrollieren kann, und ähnlicherweise auch nicht den Glauben.

Mein Therapeut meinte daraufhin, dass Glaube kognitiv sei, und man Gefühle sehr wohl kontrollieren kann. Ich sträubte mich sehr gegen diese Ansicht, war aber geneigt dazu, ihm einen Teil davon zu glauben. Denn schließlich sollte diese Einsicht mir ja helfen.

Allerdings hätte ich an der Stelle am liebsten eine theologische Diskussion begonnen, vermied es aber, weil er ja nun kein Theologe ist und sich davon auch distanzieren wollte. Außerdem war die Sitzung ja auch nicht dazu da, um sich über solche Themen zu unterhalten. Wink

Ansonsten gestalten sich unsere Unterredungen schon etwas "philosophisch", weil wir uns "über" etwas unterhalten, so wie sich beispielsweise die Metasprache mit Sprache an sich beschäftigt.

Was kann man als Mensch alles selbst beeinflussen, wie funktioniert das Leben? Was kann man selbst dazu beitragen, damit man glücklich ist? In der Philosophie gibt es dazu ja viele Meinungen... In der Psychologie natürlich auch...

Hm, ich überlege gerade, ob ich nun wirklich auf Ihre Frage geantwortet habe...? Vielleicht liegt das an meinem Studium und ich bin dadurch zu beeinflusst... Wink

Viele Grüße von der Kleinen Fee, die hiermit den zweiten Weihnachtstag begrüßt... Wink Cool Laughing


Last edited by Kleine Fee on Fri, 26.Dec.03, 1:54; edited 1 time in total
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Naomi
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Post Fri, 26.Dec.03, 0:35      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Sehr geehrter Herr Fellner,

Meine Therapeutin war sehr aufgeschlossen, aber sie war trotzdem nicht religionsabgeneigt, wiewohl nicht amtskirchenkonform. D.h. für mich, sie hat ihr eigenes religiöses Bedürfnis nicht verleugnet. Das war das Schöne an dieser Therapie. Dass dort auch solche Aspekte Platz finden konnten. Es wurde dem religiösen Bedürfnis je nach meinem eigenen Bedürfnis darüber zu sprechen, Platz eingeräumt. Und das habe ich als sehr angenehm empfunden. Mein Bedürfnis über Religion zu sprechen, war nicht so groß, aber doch immer mal vorhanden.

Ein Beispiel: Ich erzählte ihr, dass in dem Kinderheim, indem ich zwei Jahre war, Religiosität nicht wichtig war. Ansonsten war dieses Heim aber ganz toll. Ich stand jedenfalls als religiöses Kind eigentlich dort allein da, und hab mir abgewöhnt, mit anderen Kindern über Glaube zu sprechen. Das habe ich ihr erzählt, und sie hat das sehr schade gefunden, dass ich das dort nicht ausleben konnte.

lg,

Naomi

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Stöpsel2
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Post Fri, 26.Dec.03, 0:50      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Hallo Herr Fellner,

ich bin ein wenig überrascht, daß Sie sagen, daß dort Berührungsängste vorliegen, denn die Übergänge sind doch fließend bzw. es sind verschiedene Sichtweisen auf dasselbe. Jedenfalls meiner Meinung nach.

Ich habe jetzt eingetlich noch keine konkrete Therapieerfahrung damit, aber kann mir nicht vorstellen, daß das bei mir ohne Philosophie geht. Ohne jetzt allzuviel Wissen über Philosophie zu haben, habe ich doch einiges verinnerlicht (z.B. Kant's kategorischen Imperativ). Auch andere Philosophie hat doch immer wieder mit Moral zu tun. Und wenn man mit der gelebten Philosophie im Alltag nicht klarkommt, mit der man sich aber doch irgendwie identifiziert, sollte die Psychologie doch da zwischen den eigenen Bedürfnissen und dem, wie es eigentlich laufen sollte in der Gesellschaft, vermitteln?! Ist Moral nicht die Schnittmenge zwischen Philosophie und Psychologie?

Also, ich kann mir für meine Therapie nicht vorstellen, daß es ohne geht, da kritisches Denken (politisch und philosophisch angehaucht) für mich sehr wichtig ist und ich mein Handeln stark danach ausrichte, inwiefern es der Gesellschaft nutzbringend ist. Gerade auch in der demnächst stattfindenden Jobsuche muß es wohl einen Kompromiß geben zwischen meinen ganz individuellen Bedürfnissen und meinem Streben, etwas gesellschaftlich sinnvolles zu tun. Und da diese Entscheidungsfindung hinsichtlich Job für mich auch ein Grund für die Therapie ist, führt an philosophischen Diskussionen wohl kein Weg vorbei... Ich bin da aber insofern zuversichtlich, da mein Therapeut auch umweltpolitisch tätig ist (und kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll, ohne gewisse philosophische Grundeinstellung).

Also, auch wenn das jetzt keine konkreten Erfahrungen sind, hoffe ich, daß sie damit etwas anfangen können. Ich finde das übrigens ein interessantes Thema, hatte auch schon mal überlegt, zu fragen, inwiefern das prinzipiell vereinbar ist Wink

Viele Grüße
Stöpsel
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r.l.fellner
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Post Fri, 26.Dec.03, 1:30      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Spannendes Thema, ja. Ich persönlich betrachte die Übergänge eigentlich auch als fließend und erlebe, daß "therapeutische" Themen häufig unweigerlich auch ethische..religiöse..spirituelle..philosophische Fragen berühren. Und halte das auch für gut so.

Die Frage, die ich mir allerdings stelle, ist, ob ein "Abweichen" vom klassisch therapeutischen Gespräch (eigentlich ähnlich, wie das Kleine Fee beschrieben hat) als die Grenzen der Therapie überschreitend erlebt wurde. Oder würde. Hier hat ja Stöpsel2 geschrieben, daß dieser "Blick über den Tellerrand" für sie geradezu dazugehört, Naomi ihn als angenehm empfand, während Kleine Fee schrieb, daß "die Sitzung ja nicht da ist, um sich über solche Themen" zu unterhalten. Da hätte ich eigentlich impulsiv gesagt: "naja, aus meiner Sicht vielleicht schon (wenn's für Sie okay ist)". Auch, weil mir scheint, daß im konkreten Beispiel Emotionen und Gefühle in einen Topf geworfen wurden - und das herauszuarbeiten, kann durchaus relevant sein... gerade in einer Therapie. So wie ich überhaupt finde, daß durch Reibung (wenn's sein muß, im Gespräch über Themen, die Religion und Psychologie berühren) viel Neues an Ideen, Einsichten und Positionierungen entstehen kann.

Übrigens gibt es zu diesem Thema schon einen Thread von wara, allerdings doch nicht genau zur Fragestellung, um die es mir dabei ging - deshalb die Neueröffnung.

Herzliche Grüße und ein gähnendes Logout zwinkernd..
rlf

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obscur
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Post Fri, 26.Dec.03, 2:19      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

hm - sehr schwierig... mein studienschwerpunkt ist seit etwa einem jahr verstaerkt die kognitionswissenschaft.

alles, was ich da bisher ueber den (un?)freien willen, das staendige neuschreiben der autobiographie und den hang des menschen kausale begruendungen fuer sein handeln zu finden gelesen habe, verwirrt mich eher (in bezug auf die probleme, die ich bewaeltigen moechte). ich empfinde es ein wenig kontraproduktiv, da sich viele meiner gedanken ueber gefuehle so schnell relativieren - mich verunsichern.

das habe ich im laufe meiner im absoluten anfangsstadium befindlichen therapie auch einmal erwaehnt - danach konnte ich den bogen zu mir schwer wieder finden.

ich denke es ist trotzdem wichtig die gedanken zu solch verwandten themen zu beruecksichtigen, ich wuensche mir ja als therapieerfolg gewissermassen mein denken und fuehlen in gesunder form fuer mich miteinander vereinbar zu machen.

denke allerdings, dass solche themen nicht vom therapeuten in den raum geworfen werden sollten - vielleicht ist der "patient" dadurch verwirrt, falls er sich mit dem thema nicht auseinandergesetzt hat, und dadurch zusaetzlich unter druck - fuehlt sich intellektuell minderwertig - nicht ernstgenommen?

andersherum haette ich auch angst, durch solche themen meinen therapeuten aufs glatteis zu fuehren, dh es waere fuer mich sehr enttaeuschend, keine fundierte antwort zu bekommen.
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Kleine Fee
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Post Fri, 26.Dec.03, 2:20      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Hallo Herr Fellner,

es ist zwar jetzt reichlich spät, aber ich möchte dennoch noch etwas zu diesem Thema sagen. Cool

Ich würde gar nicht so weit gehen und sagen, dass ein Diskutieren oder Reden über philosophische oder theologische (oder auch spirituelle) Fragestellungen in einer Therapiestunde vollkommen abweichend wäre vom klassischen therapeutischen Gespräch und dass das eine sogenannte Grenze darstelle.

Im Gegenteil, schon allein die Tatsache, dass es zu einer solchen Situation kam, in der eine Diskussion über Ansichten der Theologie und Psychologie möglich gewesen wäre, finde ich als Beweis für diesen sogenannten fließenden Übergang.

Wir haben ja schließlich die philosophische Ebene bereits mit der Fragestellung betreten, die theologische Ebene habe ich nur eröffnet, weil es mir in den Sinn kam. Es war nur so, dass ich merke, wenn jemand mit den Ansichten der Theologie (speziell evangelisch) nicht übereinkommt und ich nicht immer eine wilde Diskussion darüber eröffnen will.

Schließlich wollte ich nicht speziell über Unterschiede in Psychologie und Theologie zu sprechen kommen, weil mir die Zeit der Therapie auch zu kostbar ist, um meine Ansichten auszubreiten. Es ist ja auch ein Unterschied, ob man seine Ansichten vertritt, oder ob man versucht, mit den verschiedenen Ansichten einen Lösungsweg zu finden.

Dies geschah ja dadurch, dass ich durch diese neue Erkenntnis, die der Therapeut mir gab, darüber nachdachte, wie ich das mit meinen theologischen Gedanken vereinbaren oder gar verbessern kann. Das Ganze war sozusagen ein Aktivieren von bestimmten Gedanken, die philosophisch, theologisch und psychologisch geprägt waren.

Ich denke, dass es nicht wirkliche Grenzen gibt, aber je nach Person und Meinung es verschiedene Wege gibt, wie man mit diesen Themen umgehen kann.

Viele Grüße zur späten Stunde von der Kleinen Fee, die vielleicht doch mal ins Bett gehen sollte... Wink
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Annemarie
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Post Fri, 26.Dec.03, 10:49      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Hallo,

bei meinem ersten "Versuch", eine Therapie zu machen, war die Methode rein spirituell ausgelegt.

Leider hatte ich vorher überhaupt keine Ahnung, wie eine Therapie vor sich geht (gehen kann).
Die Freundin, welche mir diesen Psychologen empfohlen hatte, wollte auch nichts darüber erzählen, so stand ich erst mal vor vollendeten Tatsachen und war dementsprechend irritiert. Es war so, daß ich ohne neuerlichen Termin nur noch weg wollte. Erst ein halbes Jahr später entschloß ich mich nochmal, es dort zu versuchen.

Geholfen, im Sinne der Depression, hat sie mir nicht. Mir ging´s im Gegenteil bis zu ca. 3 Wochen nach einer Sitzung sehr schlecht. Nach 10, terminlich weit auseinandergezogenen Sitzungen hieß es, das war´s ... ich könnte aber, wenn ich will, nach einem halben Jahr und dann nach einem weiteren halben Jahr wiederkommen.

Die zweite, für mich "richtige" Therapie, war sehr weltlich Smile
Die hat mir wirklich geholfen (meine Depressionen betreffend)

Zusammengefasst aber möchte ich sagen, war beides für mich sehr wichtig. Die spirituelle Ebene hat mein Leben sehr bereichert. Sie hat mir den Weg zur Liebe wieder geöffnet. (Nächsten- und Eigenliebe) ... während die "weltliche" Therapie mir meine Handlungesmöglichkeiten eben auf dieser Welt erweitert hat.

Beides zusammengelegt wäre für mich, denke ich, ideal gewesen.

Liebe Grüße,
Annemarie

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r.l.fellner
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Post Fri, 26.Dec.03, 11:22      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Liebe Annemarie,

inwiefern war diese erste Therapie spirituell ausgelegt, wie äußerte sich das?

lg, rlfellner

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Fipsi
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Post Fri, 26.Dec.03, 13:35      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

S.g. Hr. Fellner,

hab mich aufgrund einer freundin etwas mit dem christlichen glauben beschäftigt. in meiner therapie war glauben aber kein thema. ich würde ja praktisch den therapeuten zwingen seinen standpunkt darzulegen. das wird er wohl nicht so gern tun. angeblich glaubt mein therapeut aber an gott. meiner meinung nach entspringt glauben im gehirn und kann sogar schon durch technische hilfsmittel simuliert werden. ein eigenes hirnareal ist dafür verantwortlich. interessant ist auch, dass TLE-patienten besonders religiöse erfahrungen haben.
mit dieser freundin hatte ich viele streitgespräche. das stellte sich aber ein. im prinzip wollen wir beide das gleiche. nämlich liebe schenken. für sie ist es göttlich und für mich einfach menschlich. werde auch niemand mehr den glauben ausreden. wenn fundamentalisten vorehelichen sex verteufeln oder von sünde und strafe in der hölle sprechen trete ich entschieden dagegen ein. ich glaube an die wissenschaft. in der theologie fehlen mir einfach die beweise. nichts erscheint mir plausibel. aus diesem grund bespreche ich das nicht mit dem therapeuten.

gruß, Fipsi
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nele
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Post Fri, 26.Dec.03, 14:01      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Hallo Herr Fellner,

meine erste Therapie (Bioenergetik und Gestalttherapie) war sehr spirituell ausgelegt, zumindest in dem Sinne, was der Therapeut darunter verstand.
Er war Sufi (esoterische islamistische Religionsrichtung) und seine Art zu therapieren ging arg in Richtung „Indoktrination“.
Als ich bei ihm anfing wusste ich nicht Mal, dass es so eine esoterische Richtung gab.

Er legte ein ausgeprägtes „Guru-Gehabe“ an den Tag, rauchte z.B permanent in den Einzel und Gruppensitzungen (und das, wo Atmung einen hohen Stellenwert hatte), behauptete,
auf Grund seiner „geläuterten Atmung“ sei dies natürlich etwas ganz anderes als gewöhnliche Sucht und sein Rauchen würde uns in keiner Weise schaden..

Ständig zitierte er irgend welche islamischen Mystiker, die ein sehr merkwürdiges Frauenbild
darlegten (Sinn der Frau sei Schönheit um das Auge des Mannes zu erfreuen) und das philosophische Grundfundament seiner „Therapie“ war, der „Weg der Dankbarkeit“ -
man könne nur glücklich werden in dem man verzeihen würde, und für die schlimmsten Erfahrungen dankbar sei.
Es war extrem.

Ich musste mich am Schluss der Stunde immer vor ihn hinstellen und mich bedanken.

Es kam im Verlauf der Therapie zum regelrecht vorbereiteten sexuellen Missbrauch.
In dieser Zeit weitete er das „Danke-sag-Ritual“ am Schluß der Stunde aus, in den er mich zwang mich vor ihn hinzustellen, ihm in die Augen zu schauen und laut zu ihm zu sagen: „Ich übernehme die volle Verantwortung für das was heute hier in der Stunde passiert ist.“
Darauf hin fragte er immer noch mal nach: „Übernimmst du die Verantwortung auch wirklich?!“ –und ich musste das dann noch mal bestätigen.

Dadurch das ich meinen heutigen Mann, auch ein ehemaliger Klient dieses „Therapeuten“, kennengelernt habe und weggezogen bin, bin ich aus dieser Situation herausgekommen – nicht ohne, das der „Therapeut“ uns in der 100 km weit entfernten neuen Wohnung
privat aufgesucht hat und versucht hat uns zur Fortsetzung der Therapie bei ihm zu bewegen.

Es hat sehr lange gedauert bis ich sehen konnte, dass das Missbrauch war und noch länger, bis die „Bewunderung/Achtung“ bzw. Indoktrination für diesen Menschen endlich aufhörte.
Er praktiziert heute nach wie vor in seiner Praxis.

Natürlich frage ich mich heute, wie so etwas möglich ist! gruebel
Es war eine langsame aber stetige Entwicklung und er wusste von mir genug um mich
dort packen zu können, wo ich am verletzlichsten war.

Am Anfang erschien mir ja alles ganz normal.

Dann gab es Workshops bei ihm zuhause, wo wir alleine das Haus nicht verlassen durften,
jeder Workshop begann damit, dass wir eine ganze Stunde in eine Blinkelampe schauen mussten, angeblich um Augen-Blockaden aufzulösen, und versuchen mussten „nichts zu denken“.
Die „Sessions“ dauerten oft bis nachts um 2 Uhr, am nächsten Morgen ging es weiter..
Ständig diese Sufi-Sprüche gepaart mit geschicktem Nachfragen: „Warum ist das so, Nele?“
Dann der Gruppenzwang und die allgemeine Einstellung, diese „Therapie“ sei die letzte Chance die wir hätten etc.
Wer sich kritisch gezeigt hat, kriegte isoliert die geballte Gruppenladung ab, ohne dann z.B Entlastungsmöglichkeiten wie rausgehen zu haben.

kein schönes Beispiel!

trotzdem liebe Grüße

Nele
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Annemarie
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Post Fri, 26.Dec.03, 20:37      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Hallo Herr Fellner,

r.l.fellner wrote:
inwiefern war diese erste Therapie spirituell ausgelegt, wie äußerte sich das?


es fällt mir sehr schwer, das zu erklären. Ich werde es mit ein paar Beispielen versuchen:

Die Sitzungen erfolgten mit geschlossenen Augen. Als erstes sollte man sich zwei Lichtkreise vorstellen, welche sich nicht schneiden aber berührten (als jeweilige Grenze gedacht). In einem sitze ich, im anderen der Therapeut. Rund um uns sollte ich mir ein Lichtdreieck vorstellen.

Dann kam die Bitte um Kontakt zum "Höheren Bewußtsein" und ich sollte anhand von Bildern, Farben, Gefühlen, etc. feststellen, daß der Kontakt hergestellt ist. Dabei ist es so, daß sehr vielen Menschen das Bild jenes Gottes (Jesus, Buddha, etc.) erscheint, an dem sie glauben.

Dann mußte ich mir vorstellen, daß von der oberen Spitze des Dreiecks ein Lichtstrahl zu mir runter kommt. Dabei bitte ich um verschiedene "Qualitäten" wie, "Entspannende Energie", "Heilende Energie", "Reinigende Energie", "Stärkende Energie", "Universelle Liebe", ... anschließend bitte ich das "Höhere Bewußtsein" jemanden Energie zu schicken, von dem ich glaube, daß er sie benötigt.

Darauf folgen dann die jeweils vorher besprochenen Prozesse zu einem bestimmten Problem. So z. Bsp. sollen mich meine "Universellen Eltern" (Mutter Erde, Vater Sonne ... welche am besten als Person, Symbol, etc. erscheinen sollten) zu dem Kernpunkt des Problems führen. Dort soll dann die "Geschichte" positiv umgeschrieben und schön eingerahmt werden.

Verzeihungsprozesse, Abnabelungen und visuelle "Reinwaschungen" folgten.

Und noch vieles mehr ... würde aber zu lang werden. Ich hoffe, man kann sich das ein wenig vorstellen.

Mein Problem dabei war, daß ich keine Bilder oder Symbole sehen konnte. Mir fiel es auch schwer, mir das überhaupt vorzustellen, was er sagte. Wenn ich aber an ein Problem herankam, konnte ich gar nichts mehr sagen und war nur noch am Zittern.
Was mir dabei negativ in Erinnerung ist, ist der Druck, der dann ausgeübt wurde. Es kam sogar mal die Drohung: Wenn ich jetzt nichts sagen würde, würde ich dieses Problem mein Leben lang behalten müssen ... darüber habe ich aber in der nächsten Therapie, als genau dieses Thema dran war, visuell zurückgelächelt Smile

Vielleicht klingen die letzten Sätze nicht gut, aber ich habe auch viel Positives aus dieser Zeit mitgenommen. Außerdem, meine Freundin, mit der ich mal darüber reden wollte, verstand mich überhaupt nicht ... bei ihr klappte alles wunderbar. War wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt für mich.

Liebe Grüße,
Annemarie

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Aisha
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Post Sat, 27.Dec.03, 16:10      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Hallo Herr Fellner und MitleserInnen,

in meiner Therapie haben Philosphie, Religion und Spiritualität immer Platz, wenn es mir persönlich eben gerade ein Anliegen ist darüber zu sprechen. Meine Therapeutin hat keinerlei Berührungsängste und unter anderem vergleichende Religionswissenschaften studiert, was ich schon als grosse Bereicherung empfunden habe. Mich würde es sehr befremden, wenn diese Themen keinen Platz finden könnten, wenn sie mir wichtig sind und zu meinem Dasein gehören. Mir sind Ganzheitlichkeit und auch Offenheit sehr wichtig, auch in einer Psychotherapie. Dabei ist mir nicht wichtig welche Bedeutung der Therapeut diesen Themen in seinem Leben gibt, sondern dass er damit umgehen kann, wenn sie für mich wichtig sind und mir diesbezüglich wertfrei gegenüber treten kann. Er/sie soll durchaus auch neugierig sein, sollte ich über Erfahrungen verfügen, die er/sie persönlich nicht kennt. Ich kannte z.B. einen Löffelbieger, bin überzeugt, dass es kein Humbug war, hab meine guten Gründe dafür und wenn meine Therapeutin das als Hokuspokus abtun würde, da wär sie sicher die Falsche für mich. Sie muss mir schon meine Erfahrungen und auch gewisse Ueberzeugungen lassen können, auch wenn sie nicht dran glauben sollte und das dann nicht auf meine Psyche "schieben".

Grüsse
Aisha

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Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. (Ellie Wiesel)
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tanzendes_irrlicht
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Post Sat, 27.Dec.03, 17:15      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Hallo Herr Fellner,

r.l.fellner wrote:

Wie geht es Ihnen persönlich (insofern richtet sich diese Frage an Leute mit Therapieerfahrung) mit dem Stellenwert, den Spiritualität, Religion oder Philosophie (je nach persönlichem Zugang und Überzeugungen) in Ihrer Therapie einnahm? Hatte dies in Ihrer Psychotherapie Platz / hätte es [mehr] Platz haben sollen? Wann und in welcher Form?


Den "Stellenwert" würde ich in meiner Therapie als "latent immer vorhanden aber nicht explizit zum Thema gemacht" einordnen.

Das soll heißen Wink :

Spiritualität, Religion/Glaube war kein Thema, nahm aber manchmal Raum ein - wenn mein Therapeut beispielsweise in Rollenspielen verstorbene Menschen mit mir "sprechen" ließ. Daraus entwickelten sich manchmal Gespräche über meine Wünsche nach anderen Seins-Formen.

Philosophie (in einem weiten Sinne) nahm relativ viel Raum in meiner Therapie ein.
Zum einen bin ich ein recht abstrakt denkender Mensch und ich kletter häufig auf die Metaebene, wo mein Thera dann mit musste Wink
Wiederum hat er mich aber auch gestoppt in meinem "Logiken-finden" und hat mich immer wieder von der Ratio auf die Gefühlsbahn gebracht.
Ich sollte nicht über meine Gefühle sprechen, sondern mit ihnen Wink

Doch ein Bestandteil dessen, was er mir gegeben hat, war manchmal einfach ein "Vers". Ohne dass er jetzt gesagt hätte "Konfuzius sagt..." Cool hat er mir gelegentlich, nachdem ich ihm mein Thema erzählt hatte, eine Metapher oder ähnliches mitgegeben.
Diese Bilder oder Sinnsprüche haben mich mehr zum Verstehen geleitet als wenn er mir etwas erklärt hätte. So ist es jetzt meins Exclamation

Gelegentlich Raum in der Therapie hatte auch, wenn ich etwas besonderes zu meinem Thema gelesen hatte und begeistert war von meiner "Entdeckung" oder auch eben etwas nicht verstand. Dann hat er mit mir nach meiner Interpretation gesucht.

Wie schon bestimmt herauszulesen ist: Ich fand den philosophischen Anteil in meiner Therapie sehr gut und rückblickend wünschte ich ihn mir bewusster/ verstärkter in die Sitzungen integriert.


Lieben Gruß,

Tanzendes_Irrlicht

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Angeli80
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Post Fri, 02.Jan.04, 16:32      Re: Psychotherapie und Spiritualität Reply with quoteBack to top

Also ich finde es schon wichtig, das Weltbild eines Klienten zu erfassen, nicht jedoch über den direkten Weg mit Ansprache auf Religion oder der Einstellung gegenüber Gott. Sondern vielmehr über "Umwege", also der Sichtweise, worauf der jenige sich beruft usw. wenn für einen Menschen Religion oder Gott eine wichtige Rolle spielt wird es unweigerlich eh zu einem Gespräch darüber kommen. Beim einbeziehen der Erziehung, der Familiengeschichte, Vergangenheit, oder beim evaluieren von eigens entwickelten Lösungsstrategien kommt man denke ich schnell dahinter, ob und in wiefern jemand an (s)einem glauben feststellt, und wie dieser aussieht.

Schlimm finde ich grundsätzlich ausgerichtete "konservativ philosophische Labertherapien" als auch gutgläubige "Vertrauen sie in Gott-sekten-Therapien". Der Klient muss da abgeholt werden wo er steht...

Grundsätzlich halt ich die Weltanschauung aber für eine der wichtigsten Sachen in einer Psychotherapie, und habe das Gefühl dass es meist bagatellisiert oder übergangen wird, was schade ist, weil es in meinen Augen ein wichtiger Zugang zum Klienten ist!
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