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nachttau
Helferlein
59
Berlin W, 41
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Thu, 11.Dec.03, 13:58 Alles ganz neu |
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Hallo Ihr, ich möchte einfach ein bißchen Dampf ablassen und erzählen was mich zur Zeit so beschäftigt. Vielleicht habt Ihr ja den einen oder anderen Tip für mich, es ist viel.
Also erst einmal: ich habe fast 20 Jahre ausschließlich als Lesbe gelebt. Das beinhaltete auch meine Wohngegend (Gayviertel), zeitweise meine Arbeit (Redaktion/Journalismus für Gaymagazine), Freundeskreis natürlich, politisches Engagement - eben fast alles. Es war ein Lebensstil aus Neigung einerseits und aus Überzeugung dazu.
So, nun habe ich vor etwa 1 1/2 - 2 Jahren angefangen, mich auch für Männer zu interessieren. Hing wohl auch mit der Bewältigung meiner Mißbrauchserfahrungen zusammen (würde hier zu weit führen, ich litt an Depressionen und dissoziativer Identitätsstörung, ist mittlerweile nicht ganz, aber weitgehend überwunden). Zunächst war mein Interesse nur sexuell und ich hatte kein Problem damit einfach "herumzuprobieren". Aber dann habe ich mich in meinen jetzigen Freund verliebt. Das war auch noch einigermaßen ok, oder nein: natürlich auch umwerfend schön.
Nur daß sich seitdem alles verändert hat. Mein Freundeskreis ist bis auf wenige Ausnahmen ganz weggebrochen (ich bin sozusagen "zum Feind" übergelaufen... ). Mein Lebensstil ist ganz anders geworden: mein Freund ist ein ruhiger, beständiger Mensch mit Familie im Hintergrund und Gewohnheiten, er hatte sich für seine Zukunft Familie mit Kindern vorgestellt - im Grunde recht konservativ. Er ist nicht gerne alleine, hatte erst eine (langjährige) Beziehung vor mir und seine Freunde hat er meistens schon aus der Schulzeit.
Ich bin 10 Jahre älter als er, hatte nie wirklich Familie, war seit meiner Volljährigkeit immer für mich selbst zuständig, habe Wohnungen, Berufe, gelegentlich Partnerinnen ziemlich flott gewechselt, habe aufgrund meiner Biografie natürlich so einige "Verbiegungen", schließe sehr leicht Kontakte, es fällt mir allerdings außerordentlich schwer, die dann auch zu intensivieren und zu halten. Im Gegensatz zu meinem Freund war ich entschlossen, nie wieder mit jemandem zusammen zu leben - ich dachte eigentlich, mir sei eine Beziehung, in der man sich 1 - 2 x in der Woche sieht, vollkommen genug.
Naja, also gegensätzlicher geht's kaum. Also ich habe mich in diesem Menchen verliebt, habe ihn "erobert" und wir haben uns so angenähert und sind mit vielen Gesprächen auch das Wagnis eingegangen, nach mehr als einem Jahr wirklich zusammenzuziehen.
Tja also, da bin ich. Fremde Stadt (die mir übrigens sehr gut gefällt, aber eben trotzdem noch alles fremd), seine Eltern wohnen direkt nebenan, ich bin im Moment nicht mehr berufstätig, obwohl ich mir eine bescheidene Führungsposition erarbeitet hatte und diese Karriere genossen habe (ging nicht anders, mein Arbeitgeber ist mittlerweile insolvent) und ich versuche mich jetzt einzuleben.
Ich freue mich mit meinem Freund zusammen zu sein - ich lieb' ihn und fühle mich wunderbar geborgen. Er begegnet meinen Macken mit Verständnis und Fürsorge - soweit wirklich alles prima.
Aber ich tu mich schwer mit dem Einleben. Alles ist fremd. Seine Mutti ruft mich jeden Tag an und fragt mich bis in den letzten Krümel, was ich wie und wann mache (NERV!!!) - sie meint es lieb und will mir das Einleben erleichtern, mag ja sein, aber ich bin gewöhnt mich selbt um meinen Kram zu kümmern, dieses ständige Abfragen macht mich verrückt! Mein Freund ist natürlich tagsüber auf Arbeit, ich pussle hier im Haushalt rum (da bin ich einfach nicht geeignet, glaube ich...), ein neuer Arbeitsplatz ist erst nächstes Jahr in Aussicht, weil wir uns dann selbständig machen werden. Ich weiß, das klingt wahrscheinlich nörgelig, aber in dieser Stadt ist sogar der Wind anders.
Naja, also ich habe eigentlich keinen Grund zu jammern, ich wollte ja mit ihm zusammen sein. Ich komm nur momentan nicht klar damit.
Darf auch gar nicht an Weihnachten denken, ich hab's 20 Jahre nicht gefeiert, und hier... Und all diese Hetengebräuche sind auch ziemlich merkwürdig finde ich. Ich finde das Eingewöhnen schwer!
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_________________ Denken ist oft schwerer, als man denkt.
(Werner Mitsch) |
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Fipsi
Guest
W
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Thu, 11.Dec.03, 15:44 Re: Alles ganz neu |
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für mich ist es ganz klar, dass du durch die umstellung auch probleme hast. wahrscheinlich war es nach deinem ersten outing auch so. du trittst jetzt in eine neue welt ein. vielleicht siehst du sogar das heten-dasein als eine gewissen rückschritt in die "normale gesellschaft".
wünsch dir alles gute, Fipsi
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nachttau
Helferlein
59
Berlin W, 41
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Fri, 12.Dec.03, 8:50 Re: Alles ganz neu |
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Fipsi wrote: | du trittst jetzt in eine neue welt ein. vielleicht siehst du sogar das heten-dasein als eine gewissen rückschritt in die "normale gesellschaft".
wünsch dir alles gute, Fipsi |
Hi Fipsi - danke
Natürlich wollte ich erstmal protestieren, NEIN! - Iiiiiiich hab doch keine Probleme mit der "normalen" Gesellschaft... usw.
Tja, vielleicht doch noch, so'n bißchen. Mal sehen. Werde darüber nachdenken.
Jetzt nicht mehr alleine sein, das macht mich kirre... irgendwie muß ich wohl noch lernen daß ich auch zu zweit noch viel Raum für mich haben kann, das fehlt mir gerade am meisten. Naja. Ich übe noch
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_________________ Denken ist oft schwerer, als man denkt.
(Werner Mitsch) |
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Fipsi
Guest
W
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Fri, 12.Dec.03, 11:12 Re: Alles ganz neu |
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Hallo Nachttau,
wünsch dir viel glück in deiner partnerschaft. bin mir sicher, dass man darin erfüllung finden kann. war vielleicht früher ähnlich wie du. anspruchsvoller job und single. viele affären mit wenig gefühlen von meiner seite. die beziehung danach war ungewohnt und ich fühlte mich eingesperrt. konnte mein bedürfnis nach viel sex mit unterschiedlichen frauen nicht mehr richtig ausleben. nach einiger zeit war es aber wunderschön. liebe diese frau noch immer aber eben platonisch.
gruß, Fipsi
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