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tanzendes_irrlicht
Moderatorin
2129
NRW W, 30
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Tue, 28.Oct.03, 18:04 Von einem Ungeheuer (Kurzgeschichte) |
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Von einem Ungeheuer
Der Ausgangspunkt dieser meiner Schilderung, findet sich in einem herbstlichen Abend einer beliebigen Zeit.
Als ich es hörte, wich meine Unbeschwertheit, ohne Erinnerung an diesen Zustand, einem Gefühl der Panik. Ich vernahm ein trockenes Rascheln, von einem beängstigt tiefen Surren durchsetzt. Meine Nackenhaare stellten sich bedroht auf Gefahr ein, zitternde Hände kaum in der Lage, mit Licht das Dunkel zu durchdringen.
Ein grausiges Ungeheuer flirrte bedrohlich über mich hinweg, der künstlichen Sonne der Nacht entgegen.
Kein vernünftig denkender Mensch hat Angst vor einer gewöhnlichen Motte. Nun, auch wenn ich in Alltagsangelegenheiten meist davon ausgehe, ein solch vernünftig denkender Mensch zu sein, verwandel ich mich angesichts einer solchen Existenz in ein kleines Mädchen. Was wohl nicht die treffende Bezeichnung ist, denn wie allgemein bekannt, sind Kinder doch eher die Mutigen unter den Neugierigen. Nicht selten kommt es in der kindlichen Entwicklung zu einer zärtlich gemeinten, doch unwissend tödlichen Berührung mit manchem, was sechs Beine hat. Tödlich in diesem Falle für das bereits genannte Insekt, seltener für das Kind oder dessen Angehörige. Von Wesen mit acht Beinen sei hier nicht die Rede.
Gehen wir also davon aus, dass meine Verwandlung ausgelöst durch die Bedrohung eines Nachtfalters nicht in die, eines mutigen kleinen Mädchen stattfand.
Einen kurzen Moment, wohl noch vom Schreck übermannt, überlegte ich mir die schnellstmögliche Flucht aus dem Fenster, was ich aber angesichts der sieben Meter Höhe zur Strasse wieder verwarf. Ganz kampflos wollte ich diesem Insekt nicht den Sieg überlassen.
Die Ausgeburt meiner Berührungsängste tanzte mit bedrohlichem Surren den heißesten Punkt der eben erhellten Stehlampe an. Es zischte und knackte vernehmbar, als Phoenix dem Objekt seiner Begierde zu nahe kam. Ich fing an Hoffnung zu schöpfen, dass sich mein Problem im wahrsten Sinne des Wortes von selbst auflöst. Ich dankte dem Erfinder von Lichtquellen, die den weitaus größeren Teil ihrer Kraft als Wärmeenergie abgaben.
Warum suchen Motten dass Licht? Als Nachtexistenzen sollen sie gefälligst Dunkelheit bevorzugen und nicht mein deutlich erhelltes Territorium einnehmen. Ich fing an, eine triumphale Wut auf den Eindringling zu empfinden, die sich jedoch schlagartig in schieres Entsetzen verwandelte, als das -bestimmt auch haarige Wesen- auf mein Bett fiel. Auf mein Bett! Mitten drauf und rührte sich nicht. Was mich zu der Frage brachte, wo ich denn jetzt schlafen sollte.
Dieser Nachtfalter hatte also beschlossen, auf meinem Ort der Stille sein kurzes Leben zu beenden.
Ich war empört und entschloss mich zu handeln.
Ich wollte die Herrschaft sowohl über den Luftraum als auch über jeglichen materiellen Besitz in meinem Reich wiedererlangen.
Ich würde das benommene Ungetier fangen, zeigen welch mutige Kämpfernatur in mir steckt. Na ja, bekanntlich wird aus Mut und Wille manchmal auch Mutwille.
Ich ging also mir ein Gefäß zu besorgen, welche das flattrige Ungeheuer an weiteren Angriffen auf meine Phantasien zügeln konnte. Nach einigen Überlegungen entschied ich mich für ein Glas. Ein Glas hat die Eigenschaft, durchsichtig zu sein. Eine Tasse verhindert jeglichen Einblick. Da ich jedoch wusste, das man dem Feind mutig in die Augen schauen muss, was ich bei einer Motte nicht wörtlich zu nehmen gedachte, entschied ich mich für das genannte Glas. Ich würde alles unter Kontrolle bekommen. Mit Glas und Brettchen, welches zur endgültigen Gefangennahme genügen sollte, betrat ich also wieder den Ort des Schreckens.
Sie war weg.
Das konnte nicht sein. Panik durchfloss mich. Wo war dieses bedrohliche Ding?
Erleichtert stellte ich schließlich fest, dass das Ungetier nicht unauffindbar verschwunden war, sondern einfach eine mottengerechtere Nische in meinem Heim eingenommen hatte. Sie saß in 3,50 Meter Höhe an meiner Altbaudecke. Direkt über meinem Bett.
Das war zufiel.
Ich rief die Polizei. Der zuständige Beamte für Fragen des Hausfriedensbruches versprach mir sofortige Unterstützung der Berufsfeuerwehr. Er riet mir, Ruhe zu bewahren, sofort die Wohnung zu verlassen und auf Hilfe zu warten. Überstürzt verließ ich natürlich direkt den Ort der Gefahr und wartete nun mehr leicht bekleidet im strömenden Regen auf die Helden in der Not. Dann fuhren sie vor, mit lautem Getöse. Drei Löschwagen, ein Polizeiwagen und auch wie bedacht ein Krankenwagen. Ich verlangte Valium und bekam dies auch.
Und was soll ich sagen? Nach mehreren Stunden Einsatz auf Leben und Tod mussten mir die diensthabenden Beamten mitteilen, dass sie sich nicht in der Lage sähen, das besprochene Monster aus meiner Wohnung zu entfernen.
Also kündigte ich und zog um.
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_________________ Toleranz ist, wenn sich die Menschheit in die Menschlichkeit verliebt. C.M. |
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lea-ann
Helferlein
60
Dresden M, 20
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Tue, 28.Oct.03, 20:47 Re: Von einem Ungeheuer (Kurzgeschichte) |
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So kann man froh sein das du nicht den sprung durch das fenster gewagt hast (auch wenn es nur eine geschichte ist). Es ist schön wenn die kleine Kämpferin sich bewiesen hat, In dem mut alles nötige zu tuhen um herr der lage zu sein. So ist sie eine kleine Kämpferin und doch ein großer mensch.
danke für so eine herliche schreib weisse man kann sich es sich sehr bildlich vor stellen
EM
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_________________ Es ist egal wann oder wo
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Irgendjemand
sporadischer Gast
22
M, 20
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Tue, 28.Oct.03, 21:07 Re: Von einem Ungeheuer (Kurzgeschichte) |
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Schöne Geschichte. Respekt.
Gruss
Dirk
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