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Sehnflucht
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Post Sat, 20.Sep.03, 2:40      Wolf im Schafspelz Reply with quoteBack to top

Mir kommen in diesem Forum soviele geschilderte Situationen, Probleme und Gefühle bekannt, verständlich, ja sogar "familiär" vor. Sei es übertriebene Eifersucht, Besitzdenken in Beziehungen, endloses Misstrauen, Wut und Aggression gegen andere und gegen sich selber usw.
Im Gegensatz dazu kenn ich aber auch die warme, freiheitlassende Liebe zu jemanden, dass absolute Vertrauen, allgemeine Herzlichkeit gegenüber anderen Menschen.

Ich hab einfach ständig das Gefühl, in einer paradoxen Welt zu leben, in der ich zwangsläufig auch selber paradox sein muss, da ich ja Bestandteil dieser Welt bin.

Ich strebe es immerzu an, ein guter Mensch zu sein, verständnisvoll, aufmerksam, herzlich, liebevoll...usw., die ganzen positiven Eigenschaften halt. Aber es kommen immer wieder Gedanken auf, die dann all diese sehr positiven Eigenschaften in sehr negative Eigenschaften umwandeln lassen.
Beispiel: Wenn ich jemanden absolut vertraue, ohne irgendwelche Zweifel daran und ich mir sicher bin, dass ich diesem Menschen auch in dieser Form vertrauen kann und dann enttäuscht werde, bedeutet das doch automatisch, dass diese Art von Vertrauen in absolutes Misstrauen, mit allen erdenklichen Zweifel mutiert.

Jedenfalls empfinde ich das so und es passiert mir auch immer so.

Meine These: Strebt man den definitv absoluten "guten" Menschen an, geht dem gleichzeitig einher, dass man auch ein definitv absoluter "böser" oder "schlechter" Mensch wird.

weitere Beispiele:
Liebe --> Enttäuschung --> Hass, Eifersucht
Gutmütigkeit --> Enttäuschung --> Böshaftigkeit, Wut
usw.
Ich denke, das Prinzip ist klar.

So, nun weiss ich auch, dass meinerseits ein Denkfehler in diesem Prinzip steckt, denn es ist ja immer die Enttäuschung, die zu dem Wandel führt. Enttäuschung steht hier wohl für Bestätigung durch die anderen Menschen.
Wenn ich zu jemanden nett bin oder jemanden vertraue oder liebe, dann soll das auch zurückkommen, bzw. ich bin "gut" zu anderen Menschen, damit ich meine Vorteile daraus ziehe.
Also bin ich gar nicht "gut", sondern egoistisch?
Komm ich deswegen immer in Konflikt mit mir selber, weiss ich deswegen nicht mehr, was richtig oder falsch ist, ist deswegen alles so paradox in mir?
Weil ich ein absolut guter Mensch sein will, aber es nicht bin, weil ich damit eigene Zwecke verfolge?

Klingt mir gerade sehr einleuchtend, warum sich alles in mir so widerspricht. Ich will aber kein "schlechter" Mensch sein, andererseits wenn ich meine "eigenen Zwecke" nicht verfolge, ist das dann der Richtige Weg? Also wenn ich zum Beispiel mit jemanden einer Beziehung wünsche, mich dann von meiner besten Seite zeige, um diesen eigenen Zweck zu erreichen, das ist doch nicht falsch?

Ein Widerspruch jagt den nächsten, selbst die Widersprüche widersprechen sich. Ich komm keinen Schritt voran, kaum ich hab das Gefühl, eine Lösung gefunden haben, kommt nächsten Moment wieder ein Gedankengang, der es zunichte macht.
Wie kann ich diesen Kreislauf unterbrechen?

Vielleicht sollte ich nicht so in Extremen denken wie gut und schlecht, aber wenn ich dies nicht tue, was liegt denn dazwischen? Ich empfinde dann einfach nur Nichts, oder Leere. Es gibt da keine Balance, entweder ist das eine da oder das andere.

Ich hoffe, jemand versteht meine Gedanken und mein Problem und kann mir irgendwelche Tips geben, oder auch einfach nur meine Gedanken fortführen, vielleicht komme ich so zu einem Ergebnis.
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tanzendes_irrlicht
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Post Sat, 20.Sep.03, 9:30      Re: Wolf im Schafspelz Reply with quoteBack to top

Hallo Sehnflucht,

mit dem Thema hab ich mich auch schon nächtelang rumgeschlagen... Smile

Quote:
Wenn ich zu jemanden nett bin oder jemanden vertraue oder liebe, dann soll das auch zurückkommen, bzw. ich bin "gut" zu anderen Menschen, damit ich meine Vorteile daraus ziehe.
Also bin ich gar nicht "gut", sondern egoistisch?


Ich unterscheide für mich zwischen egoistisch und egoistisch.
Manche Menschen handeln egoistisch im Sinne von Berechnung und Strategien, einen Vorteil aus anderen Menschen zu ziehen, und auch Schaden anderer dabei in Kauf nehmend.
Andere handeln in dem Sinne egoistisch, als sie versuchen, sich selbst gut zu fühlen ohne anderen zu schaden.
An den reinen Altruismus, handeln ganz ohne irgendeine Intention aus sich heraus, glaube ich nicht.
Ich für mich habe also beschlossen, ein ´ egoistisch guter Mensch zu sein´ und anderen Gutes zu tun, mit dem Nutzen, dass es mir dabei gut geht.
Du schreibst weiter sinngemäß, dass Du die Existenz des rein Guten aufgrund des Bösen anzweifelst.
Ich denke, ich kann mich nur dann entscheiden, ´gut zu sein´, wenn ich es vom ´Bösen´ abgrenzen kann. Es muss beides geben.
Ich verbiete mir keine schlechten Gedanken, ich habe ein Recht auf Enttäuschung, Wut, Eifersucht, Neid... der Punkt ist, wie ich das auslebe. Ich nehme mir das Recht, meine Grenzen zu setzen, wenn mein Gegenüber ´nicht gut´ist - doch kann ich für mich entscheiden, inwiefern ich als Reaktion darauf ebenfalls ´nicht gut bin´.
So weit, dass ´ich auch die andere Wange hinhalte´ bin ich lange nicht - und bin mir auch nicht sicher, ob ich das könnte - aber das Prinzip dahinter erachte ich für richtig (ich meine damit nicht Selbstaufgabe! sondern ein gelassenes Umgehen mit meiner Umwelt!)

Quote:
Also wenn ich zum Beispiel mit jemanden einer Beziehung wünsche, mich dann von meiner besten Seite zeige, um diesen eigenen Zweck zu erreichen, das ist doch nicht falsch?

Wenn man dem anderen nicht ein völlig falsches Bild von sich vorspielt halte ich es keineswegs für falsch, ´sein Bestes´zu zeigen. Die Wirklichkeit holt die Paare nach der ersten Verliebtheit eh ein: und sich lieben lernen bedeutet ja auch gerade, die neagtiven Seiten des anderen zu erkennen und diese zu akzeptieren.

Quote:
Vielleicht sollte ich nicht so in Extremen denken wie gut und schlecht, aber wenn ich dies nicht tue, was liegt denn dazwischen? Ich empfinde dann einfach nur Nichts, oder Leere. Es gibt da keine Balance, entweder ist das eine da oder das andere.

Ich stelle mir gut und böse als die beiden Pole einer großen Bandbreite vor, die nicht nur individuell von mir sondern auch gerade gesellschaftlich definiert ist. Es ist mein (lebens-)Weg für mich herauszufinden, was für mich gut oder böse bedeutet.
Ich sehe sehr viel zwischen diesen beiden Polen. Kein Mensch handelt nur gut oder böse. Wir tanzen alle irgendwo auf dieser Bandbreite rum und manchmal sind wir ein wenig mehr gut und ein wenig mehr böse.
Fast jedes böse Handeln hat auch positive Akzente.
Das fast jedes gute Handeln auch böse hat, ist der Punkt, an dem Du gerade knackst.

Vielleicht hab ich Dir ja einen neuen Denkansatz gegeben,

Lieben Gruß,

Tanzendes_Irrlicht
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Post Mon, 22.Sep.03, 14:12      Re: Wolf im Schafspelz Reply with quoteBack to top

Sehnflucht wrote:

Vielleicht sollte ich nicht so in Extremen denken wie gut und schlecht, aber wenn ich dies nicht tue, was liegt denn dazwischen?


dazwischen liegt das mensch-sein.

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