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Kieser
sporadischer Gast
7
M
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Sun, 24.Aug.03, 9:41 Psychische Krankheiten |
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Was meint Ihr, liegt der Ursprung aller psychischen Krankheiten in der Kindheit begründet ?
Könntet Ihr bitte auch Beispiele bzw. Gegenbeispiele anführen ?
Oder ist das hier vielleicht der falsche Platz für meine Frage ?
Gruß
Kieser
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Evamarie
Guest
W
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Das glaub ich kommt immer auf die Therapierichtung an, welche Theorie die Therapeuten drüber haben.
Ich persönlich denke schon, dass viele psychischen Krankheiten in der Kindheit begründet sind.
Eva
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philipp
Helferlein
98
M, 36
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Sun, 24.Aug.03, 12:29 Ursprung von psychische Krankheiten |
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@ Kieser
Früher ging man von monokausalen Erklärungen aus, also eine Störung hat eine bestimmte Ursache oder eine bestimmte Klasse von Ursachen. Das läßt sich natürlich nicht halten, da das System Mensch sehr komplex ist und Ursache und Wirkung nur in wenigen Fällen linear sind.
Heutzutage sind multikausale, komplexe Modelle als Erklärung in Gebrauch.
Das heißt es sind unterscheidliche Faktoren in verschiedenen Zeiträumen am Zustandekommen einer psychischen Störung beteiligt.
Es gibt beispielsweise die genetische Veranlagung, die Persönlichkeitsstruktur und stabile Persönlichkeitsmerkmale, die Kindheit und das soziale und emotionale Umfeld, Ereignisse im Leben des Menschen (z.B ein traumatisches Erlebnis). Dann spricht man von disponierenden, auslösenden und stabilisierenden Bedingungen.
Im sogenannten Stressmodell betrachtet man die Stressfaktoren und das Vorhandensein von Verletzlichkeit, die genetisch bedingt oder erworben sein kann.
All diese Faktoren können, müssen aber nicht zu einer psychischen Störung führen. Ein Mensch ist seiner Umwelt nicht passiv ausgeliefert. Er kann den Erfahrungen durch Deutungen einen Sinn geben und handelt dann auf Basis dieser Interpretation. Dies kann nun Störungen fördern oder hemmen.
Was ist der Hintergrund für deine Frage? Was möchtest du eigentlich über oder für dich selbst herausfinden?
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Kieser
sporadischer Gast
7
M
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Quote: | von philipp
Was ist der Hintergrund für deine Frage? |
Vielen Dank für Deine Antwort. Du hast mir damit als Anregung sehr weiter geholfen. Ich bin auch Deiner Ansicht.
Der Hintergrund meiner Frage war, daß mich in einer privaten Diskussion manche Diskutanten mit der Behauptung: "Die meisten psychischen Krankheiten liegen sowieso in der Kindheit begründet" an die Wand drängen wollten. Sie selber favorisierten die klassische Analyse nach Freud.
Gruß
Kieser
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philipp
Helferlein
98
M, 36
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Sun, 24.Aug.03, 13:00 Freud |
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Kieser wrote: | "Die meisten psychischen Krankheiten liegen sowieso in der Kindheit begründet" |
Nach meiner Erfahrung würde ich Freud folgendermaßen interpretieren. Alle unsere Handlungen, Verhaltendmuster, Affekte, Gedanken, Phantasien etc., die wir jetzt haben, haben natürlich einen Ursprung in der Kindheit. Sie sind jedoch nicht unveränderlich. Aber die Kindheit ist ein großer, schwergewichtiger Faktor, nur eben nicht der einzige Faktor.
Wenn jemand eine psychische Störung hat, findet man sicherlich immer auch aber nicht ausschließlich in der Kindheit gewisse Einflußfaktoren, Ereignisse und Grundlagen dafür.
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solitär
neu an Bord!
1
M
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@philipp
Psychische Leidensprofile brauchen entsprechende Therapien. Die kommen ohne Kindheitsanalyse nicht aus.
Die Gegenwartserlebnisse und das Gegenwartsleiden sind natürlich auch ein zu beobachtender Aspekt. Aber der Hebel muss an der Kindheit angesetzt werden.
solitär
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r.l.fellner
Psychotherapeut
1589
Wien M
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Der verallgemeinernden Aussage "der Hebel muß an der Kindheit angesetzt werden" kann ich mich nicht anschließen. Dies mag für bestimmte psychotherapeutische, vor allem analytische Richtungen gelten, diverse Verfahren - vor allem kurzzeittherapeutische Ansätze in der Systemischen Therapie, der Verhaltenstherapie etc. - konzentrieren sich dagegen stark auf Gegenwart und Zukunft. Als "Patentrezept" halte ich (selbst systemischer Therapeut) dies aber für ebensowenig brauchbar - es gibt auch diverse Problemstellungen und Leiden, wo man um eine Aufarbeitung der Vergangenheit nicht herumkommt und diese geradezu essentiell für einen dauerhaften Therapieerfolg ist.
Was die ursprüngliche Frage Kieser's betrifft, würde ich mit "weitgehend ja" antworten. Nicht immer aber muß der Klient selbst "in der Vergangenheit wühlen", um weiterzukommen - wichtig ist aus meiner Sicht eine eingehende Anamnese (Einholung der Krankheitsgeschichte) durch den Therapeuten, dessen daraus abgeleitetes therapeutisches Konzept kann dann u.U. ermöglichen, daß sich die Therapie rein auf die Erreichung der Lösung konzentriert, den Weg dorthin begleitet der Psychotherapeut auf Basis dessen, was er über die Entstehung des Problems erfahren hat.
Freundliche Grüße
Richard L. Fellner
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