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Ruthie
neu an Bord!
2
Lyon, Frankreich W, 39
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Thu, 01.Nov.07, 18:10 Vermüllung |
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Hallo, an alle,
ich habe mich hier registriert in der Hoffnung, dass vielleicht der eine oder andere eine Idee hat, wie mein Problem lösbar wäre. Mir und allen anderen Beteiligten fällt nämlich nicht besonders viel dazu ein...
Meine (allein lebende) Mutter leidet unter dem Vermüllungs-Syndrom. Dass ihr Haus bei Salzburg extrem chaotisch ist, weiß man seit langem, aber in den letzten Jahren wurde es sukzessive schlimmer. Ich selbst sehe sie nur selten und bekam das Ganze daher eher am Rande mit. In den neunziger Jahren versuchte ich wieder und wieder und wieder, mit ihr zu reden. Es war völlig sinnlos. Sie nimmt entweder sofort an, dass ich ihr ihr kostbares Haus wegnehmen will, oder sie hält mich für überkandidelt, zu heikel, zu empfindlich... und wenn man womöglich das Thema Psychotherapie ansprechen will, dreht sie ganz durch; sie würde einen Psychologen keine 20 Meter an sich herankommen lassen.
Also gab es in der Familie so etwas wie eine Übereinkunft. (Zur Erläurterung: Ich bin die einzige Tochter und lebe in Frankreich, mein Vater lebt seit Jahrzehnten nicht bei meiner Mutter sondern in Deutschland und hat selbst gesundheitliche Probleme. Eine Cousine in Salzburg hat ab und an etwas mit meiner Mutter unternommen. Das ist also die sog. "Familie") - Die Übereinkunft lautete: Lassen wir sie in Ruhe, wenn sie es denn so haben will, dann soll sie es so haben.
Nun ist sie aber gestürzt und hat sich den Oberschenkelhalsknochen gebrochen. Und nun wird die ganze Sache heikel. Denn ins Haus zurück kann sie nicht mehr. Die Cousine war dort und musste nach zwei Minuten hinaus um sich zu übergeben. Die Toilette ist komplett verstopft, das Bad unbenutzbar, schmutziges Wasser in der Wanne. Überall stapeln sich längst verdorbene Lebensmittel, in der Küche steht das wasser auf dem Boden, im Wohnzimmer tropft es durch ein Loch im Dach von der Decke und der Gestank im Haus ist gewaltig. Mit anderen Worten: Es ist eine (zugemüllte und definitv gesundheitsgefährdende) Ruine und kann nur mehr abgerissen werden.
Sie selbst wil natürlich nach der OP zurück. Aber das ist unmöglich. Sie bräuchte Pflege - und keine Pflegerin würde einen Fuß in dieses Haus setzen. Also werden wir erst mal versuchen, sie so lang wie möglich im Spital bzw. wenn möglich in einer Reha unterzubringen. Aber dann???
Es ist ihr eigenes Haus auf ihrem eigenen Grund. Beschwerden von Nachbarn gibt es erstaunlicherweise (noch?) nicht. Ich selbst will die Behörden nur sehr ungern informieren - denn es geht immerhin um meine Mutter. Und die würde alle ihre Befürchtungen von wegen "ich wolle ihr nur das Haus wegnehmen" bestätigt sehen. Mit ihr zu reden ist sinnlos, da kann ich alles auch einer Wand erzählen. Sie würde sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, weggebracht zu werden. Sie will dort bleiben. So wie es ist. Aber das ist absolut unmöglich.
Und ich habe nicht die blasseste Ahnung, was ich tun soll...
Hat irgend jemand hier vielleicht eine konstruktive Idee? - oder einen juristischen Rat? - oder irgend etwas Ähnliches?
Ich bin dankbar für alle Anregungen!
Herzlichst
Ruthie
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Aspipitt
Forums-InsiderIn
210
NRW M, 48
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Thu, 01.Nov.07, 19:50 Re: Vermüllung - Notfall |
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Puh. Ein echtes Problem.
Und meine Ratschläge sind sicher auch von Hilflosigkeit geprägt.
Ich würde mich zunächst mal vertrauensvoll an den Arzt wenden, wo Deine Mutter liegt. Diesem müsste das Problem vertraut sein, dass alte Patienten, die noch allein lebten, sich nach einem Unfall nicht mehr allein versorgen können. Oftmals sind Wohnungen nicht wegen Vermüllung nunmehr ungeeignet, sondern einfach wegen Lage in hohen Stockwerken etc.
Ev. muss dann eine Heimunterbringung erfolgen. In großen Krankenhäusern gibt es auch einen Sozialdienst, der stets mit ähnlichen Problemen konfrontiert ist. Sofern dein Mutter nach dem Heilungsprozess wieder richtig fit wird, und weiter in ihren vermüllten Ruine hausen will, müsstest Du vielleicht selbst eine Inaugenscheinnahme des Palastes erwägen. Vielleicht läßt sich ja mit Hilfe eines Entrümpelungsunternehmens und provisorischen Baumaßnahmen zumindest ein Wohnraum, Schlafraum, Küche, und Bad in einen Zustand versetzen, der bewohnbar ist.
Ich kann Dir wünschen, dass hier noch weitere Ratschläge folgen...
Alles Gute
Aspipitt
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Iris12
Helferlein
81
Österreich W, 36
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Thu, 01.Nov.07, 20:08 Re: Vermüllung - Notfall |
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Ich vermute, dass es auch Psychologen gibt, die mit Vermüllung Erfahrung haben. Vielleicht fragst du da einmal nach...
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sm
[nicht mehr wegzudenken]
1896
unwesentlich W, 30
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Thu, 01.Nov.07, 20:09 Re: Vermüllung - Notfall |
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Puh, da bin ich mit meinem Latein am Ende.
Ob dir das weiter hilft, weiß ich nicht... Herr Fellner hat jedoch einen Link zu diesem Sydrom auf seiner HP (mit weiterführenden Links unten) =>
http://www.psychotherapiepraxis.at/artikel/messies/messies.phtml
Gefühlsmäßig würde ich jedoch sagen:
Quote: | Mit ihr zu reden ist sinnlos |
Das wird sich vermutlich kaum vermeiden lassen - außer ihr startet eine Nacht- und Nebelaktion, die das Vertrauensverhältnis vermutlich recht nachhaltig zerrütten würde.
Vorweg: Ich weiß es nicht... kann mir aber durchaus vorstellen, dass bei hinreichender Eigen- oder Fremdgefährung Zwangsmaßnahmen möglich wären... aber "besser" ist halt immer der freiwillige Weg (siehe oben). Und insofern finde ich die Idee von Aspitt, sich an den Arzt zu wenden recht gut. Vielleicht kann dieser einen guten Zugang zu ihr aufbauen, was dieses Thema und die Notwendigkeit von Hilfe betrifft. Oder ihr nehmt wie ebenfalls bereits vorgeschlagen Kontakt zu einem Psychotherapeuten auf.
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Seestern
Helferlein
30
Deutschland W, 45
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Thu, 01.Nov.07, 20:13 Re: Vermüllung - Notfall |
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Hallo Ruthie,
ich kann Dir gut nachempfinden. Ich hatte selbst vor einem Jahr die Gelegenheit, in eine derartige Wohnhölle eines älteren Mannes hineinzugeraten. Er zeigt auch die gleichen Verhaltensweisen wie Deine Mutter, war völlig uneinsichtigt. Mich hat es geekelt in dieser Wohnung, der Zustand war definitiv gesundheitsgefährdend.
Dein Problem hat wirklich viele Aspekte und kann von unterschiedlichen Seiten "beleuchtet" werden. Aspipitt hat schon einige Vorschläge gemacht.
Ich finde aber auch interessant, dass Du Deine eigene Rolle als Tochter mal überdenkst, Du gibst interessante Hinweise, z.B.
Ruthie wrote: |
Ich selbst will die Behörden nur sehr ungern informieren - denn es geht immerhin um meine Mutter. Und die würde alle ihre Befürchtungen von wegen "ich wolle ihr nur das Haus wegnehmen" bestätigt sehen. |
Wäre es anders, wenn Du wüsstest, ein älterer Mensch in Deiner Nachbarschaft würde unter derartigen Umständen in seiner Wohnung leben. Hättest Du die gleichen Bedenken, eine Behörde einzuschalten?
Willst Du den "guten Ruf" der Familie bewahren ? Dann musst Du selbst handeln und das bringt Dich wiederum in die Bredouille, dass sich die Befürchtungen Deiner Mutter bestätigen: Du wirst ihr das Haus abnehmen.
Ja und, was ist schlimm daran ? Sie hat das Haus schon längst nicht mehr im Griff !!!
Möchtest Du für immer die "gute Tochter" Deiner Mutter bleiben, die ihrem Willen nicht zuwiderhandelt ? Ich meine da ein Abgrenzungsproblem zu entdecken das bisher mit "wir lassen sie in Ruhe und dann haben wir/ich unsere Ruhe auch" kaschiert wurde.
Ruthie wrote: |
Mit ihr zu reden ist sinnlos, da kann ich alles auch einer Wand erzählen. Sie würde sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, weggebracht zu werden. Sie will dort bleiben. So wie es ist. Aber das ist absolut unmöglich.
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Eben. Es ist unmöglich dass sie dort bleibt. Deshalb muss etwas unternommen werden. Vielleicht ist es für Dich sinnvoll, Dich mit dem Rest der Familie kurzzuschließen. Du musst die Verantwortung für Deine Mutter nicht alleine auf Deine Schultern nehmen. Macht ein Brainstorming innerhalb des Familienverbandes. So wie Du hier nach verschiedenen Meinungen anfragst könnt ihr auch verschiedene Meinungen in der Familie zusammenführen und gemeinsam eine Lösung suchen.
Eines ist ausgeschlossen: zurück in diese Wohnhölle und dort weitermachen wie sie aufgehört hat.
Liebe Grüße
Seestern
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münchnerkindl
[nicht mehr wegzudenken]
1030
münchen W, 35
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Thu, 01.Nov.07, 21:14 Re: Vermüllung |
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Hallo Ruthie,
sieh es doch mal so:
Als kleine Kinder sind wir hilflos und nicht in der Lage für uns zu entscheiden was gut für uns ist. Das tun für uns da die Eltern. Weil sie sich um uns sorgen.
Und alte Leute kommen im Leben oft an einen Punkt wo sie durch ihren Abbau nicht mehr in der Lage sind Entscheidungen zu treffen was ihr Wohl betrifft. Und in dem Fall ist dann die Familie da um das für die alte Person zu übernehmen.
Und so wie ein Kind sich evtl nur von Schokolade ernähren und fernsehen möchte, die Eltern das aber verständlicherweise nicht tolerieren können, kann man auch bei alten Leuten einfach nicht immer alles den Trott laufen lassen den sie gerne hätten, wenn zB die Gesundheit bedroht ist oder sich jemand nicht mehr selbst versorgen kann.
Vieleicht hast Du ja ein Problem, daß Deine früher starke, entscheidungsfähige Mutter jetzt so unzurechnungsfähig ist. Aber das ist etwas das kann uns allen passieren. Und wenn Du heute entscheiden könntest was mit Dir eines Tages zu passieren hat falls es einmal so weit kommt wie bei Deiner Mutter heute, würdest Du für Dich wollen daß Du in so einem Dreckloch sitzengelassen wirst?
Verständige die entsprechenden Behörden. Du würdest es für eine fremde Person tun, also tu das selbe für Deine Mutter.
Liebe Grüsse,
Petra
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AnnaD
Helferlein
55
Hamburg W, 46
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Thu, 01.Nov.07, 21:46 Re: Vermüllung |
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Hallo Ruthie,
leider verläuft eine Vermüllung häufig so wie bei Deiner Mutter: jahrelang geht es einigermaßen, dann tritt ein Ereignis - meist sind es Verletzungen - ein und es geht gar nichts mehr. Deine Mutter wird evtl. regelrecht Panik haben, dass ihr etwas weggenommen werden kann, andererseits ist sie vielleicht nicht mehr in der Lage, ihre Situation überhaupt realistisch einzuschätzen, geschweige denn ausreichend für sich zu sorgen.
Ich kann jetzt nur für Deutschland sprechen. Wenn jemand nicht mehr fähig ist, die eigenen Angelegenheiten zu regeln, d.h. infolge einer Erkrankung geschäftsunfähig ist, kann eine gesetzliche Betreuung über das Amtsgericht eingerichtet werden. Wichtig hierfür ist, wie Aspipitt schon geschrieben hat, das Gespräch mit dem Arzt bzw. der Ärztin zu suchen. Nur so kann festgestellt werden, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung gegeben sind. Eine gesetzliche Betreuung kann über den Krankenhaussozialdienst angeregt werden, die kennen sich meist gut aus. Hier kannst Du auch weitere Informationen erhalten z.B. zu anderen Wohnformen - wie betreutes Wohnen, Wohnen mit Service etc. Sie sind auch recht gut informiert über Spezialreinigungsfirmen.
Allerdings ist eine Vermüllung nicht gleichzusetzen mit Geschäftsunfähigkeit. Sollten die Voraussetzungen für die Betreuung nicht vorliegen, wäre zu überlegen, das Gesundheitsamt zu informieren.
Wichtig finde ich jedoch, vorab offen mit Deiner Mutter zu sprechen und ihr zu erklären, dass Du - oder auch jemand anderes aus der Familie - durch das Wissen auch eine gewisse Verantwortung hast. Am besten wäre es natürlich, die Gespräche mit dem Arzt und dem Sozialdienst gemeinsam mit Deiner Mutter zu führen.
Gruß
Anna
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Ruthie
neu an Bord!
2
Lyon, Frankreich W, 39
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Wed, 07.Nov.07, 11:21 Re: Vermüllung |
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Hi an alle,
habe mich länger nicht gemeldet, da bei mir auch an anderen Ecken und Enden gerade die Welt zusammenstürzt... Aber zurück zum Mutter-Problem:
Die Idee mit dem Familienverband wäre großartig, wenn es einen solchen gäbe. Meine Eltern leben seit Jahrzehnten getrennt. Geschwister habe ich nicht. Die einzige existierende Cousine will sich weitgehend heraushalten. Da ist außer mir schlicht gar niemand. Was es nicht gerade einfacher macht.
Mit den Ärzten bin ich soweit möglich in Kontakt. Mutter wird nochmals operiert, was mir wenigstens ein bißchen mehr Zeit gibt. Auch habe ich den Sozialdienst des Krankenhauses informiert, der wiederum die Psychosomatik auf das Ganze ansetzte. Morgen fahre ich dann persönlich nach Salzburg und hoffe, das alles irgendwie in die Bahnen lenken zu können.
Ein Gespräch mit der Mutter wird es natürlich geben. Geben müssen. Ich weiß nur jetzt schon, wie sie reagiert: Sie wird schlicht mich beschuldigen, ihr alles wegzunehmen. Denn das, was wir alle als "Dreckloch" sehen, ist für sie ihr Leben. Sie will ja nicht raus und sie wird alles andere als dankbar sein, wenn man sie dazu zwingt. Natürlich müsste ich im äußersten Fall des Falles tatsächlich die Behörden informieren, aber ich käme mir gleichzeitig wie eine Verräterin vor. Als würde ich meine eigene Mutter verraten; als würde ich ihr Innenleben, das sich ja im Zustand ihres Hauses spiegelt, herauszerren und in aller Öffentlichkeit breittreten. Aber ich habe mal mit der Gemeinde gesprochen; die zuständige Mitarbeiterin ist praktischwerseise eine Nachbarin meiner Mutter und kann die Situation vermutlich doch halbwegs richtig einschätzen. Und sie würde mit mir das Gespräch mit der Mutter führen.
Trotzdem ist das alles sehr, sehr wackelig und sehr sehr ungewiss...
Vielen Dank jedenfalls für Eure Ratschläge
liebe Grüße
R.
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