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Caypuh
Helferlein
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Spree / Ruhr M, 28
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Wed, 19.Sep.07, 12:59 Glaube nicht mehr an die Multiplizität meiner Mutter |
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Meine Mutter bezeichnet sich seit einigen Monaten als multipel - und ich glaube es einfach nicht.
Ich lehne die Diagnose an sich nicht ab, ich kenne mehrere multiple Systeme und bin mit einem sogar sehr gut befreundet. Ich bin auch ohne Zweifel, dass meine Mutter mit starken psychischen Problemen zu leben hat. Die Vergewaltigung in der Kindheit, über die wir vor einigen Jahren erstmalig gesprochen haben, und ein Leben lag immer wieder psychiatrische Aufenthalte, die familiär als Kur getarnt wurden, Arbeitsunfähigkeit kriegt man auch nicht von nichts bescheinigt.
Meine Familie ist von beiden Seiten auf dem psychologischen Ohr ziemlich taub (auch wenn oder vielleicht gerade weil es eine Menge zu erzählen gäbe), deswegen war ich eigentlich ganz froh als wir zwei begonnen uns über Themen auf diesem Gebiet auszutauschen, als ich selber in Therapie ging. Als das Thema Multiplizität auf den Tisch kam, war ich eigentlich nicht sonderlich überrascht und schaute eher neugierig auf die Dinge die da kommen mögen.
Inzwischen glaube ich, dass sich meine Mutter da in eine Richtung verrannt hat, die so nicht hinkommt.
In einem kleineren Selbsthilfeforum hat sie sich mit angemeldet und hat dort inzwischen auch mehrere Accounts für verschiedene Innenpersonen - den Forenregeln nach alles in Ordnung. Meiner Meinung nach unterscheidet sich der Schreibstil der verschiedenen Benutzerkonten allerdings nicht wirklich, und als ich ihr ein paar Sachen am PC gezeigt habe hat sie sich auch mal bei einem Service unter einem anderen Inninamen angemeldet, als ihr Nick nicht mehr frei war. *augenbraue hochzieh*
Im RL bin ich auch nie mit einer Innenperson zusammengetroffen, die sich als nicht meine Mutter zu erkennen gegeben hat, obwohl sie mehrfach geschrieben hat, dass sich bei weitem nicht alle Innis in dieser Rolle sehen.
In der Familiengemeinschaft das Thema anzusprechen ist wie gesagt eher unpassend, als wir zu zweit im Auto irgendwo hinfuhren habe ich sie auch mal ein bisschen ausgefragt und auch den Vergleich mit dem befreundeten System angeführt, und sie meinte, dass sie "nicht so wie [...]" multipel sei.
Wenn mich jemand der Multis aus dem Forum gefragt hat - "sach mal, is deine Mutter wirklich multipel" -hab ich bisher einfach virtuell mit den Schultern gezuckt und darauf verwiesen, dass das ihre Sache ist und ich mich nicht einmische. Aber es bleibt ja nicht virtuell - schon jetzt krieg ich Kopfschmerzen bei dem Gedanken an das nächste Forentreffen bei dem sie auch kommen will. Eigentlich habe ich mich auf diese Treffen immer sehr gefreut, mehr Zeichen, dass ich das nicht einfach so abtun kann, braucht man ja wohl nicht.
Ich meine, es gibt ein Füllhorn an dissoziativen Störungen - warum unbedingt DIS/MPS? Ich bin verunsichert, und werde das Gefühl der Dissonanz nicht los. Ich möchte ihr aber auch nicht vor den Kopf stossen mit meiner Meinung. Vielleicht ist mein Bild von DIS/MPS auch einfach zu eng durch meine Erfahrungen im Freundeskreis. Vielleicht erfahre ich auch nichts, weil sie immer nach Kräften diese Störung verborgen hat und einfach so weitermacht.
Ein Rat?
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Yakuza
neu an Bord!
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Hakata W, 26
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Wed, 19.Sep.07, 21:03 Re: Glaube nicht mehr an die Multiplizität meiner Mutte |
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Es gibt wenige Menschen, die sich ab einem gewissen Alter mit neuen Dingen auseinandersetzen können. Besonders was Dinge betrifft, die vorher niemals in ihrem Weltbild drin waren. Konfrontiere einen alten Menschen mit Stephen Hawkings Erklärung des Universums, und du wirst zur Antwort Unverständnis ernten, da der Betroffene weder Einsicht, noch Muße zum Nachdenken findet.
Oftmals ist es für solche Leute schwer, sich mit Neuem zu arrangieren. Tun sie es dennoch, wird das Neue oft fehlinterpretiert oder sich so zurechtgelegt, dass es den eigenen Horizont nicht überschreitet. Grade Menschen, die sich in einer Krise befinden und krampfhaft nach Ursachen ihres seelischen Zustands suchen, legen sich Theorien zurecht, um selbst zu verstehen, was bei ihnen schiefläuft. Auch, wenn diese Theorien nicht stimmen.
Die Diagnose MPS ist (obwohl im ICD aufgeführt) immer noch sehr umstritten. Ich wage zu behaupten, dass es selbst für offene Menschen immer ein enormer Kraftakt des Verstandes ist, die Umstände, Vorraussetzungen, Äusserungen, Symptome und das Ausmaß zu begreifen und zu verinnerlichen. Man kann sich das Wissen zwar anlesen und hinterher auch irgendwie verstehen, aber das volle Ausmaß erkennt man nur, wenn man mit Multiplen zusammen ist! Es fehlt sozusagen die "Praxiserfahrung".
Hat man die nicht, versucht man natürlich dem vorgegebenen Abbild der Störung zu entsprechen. Wird man darauf angesprochen, warum dies und jenes nicht so ist, heisst es dann: "Bei mir ist das eben anders!"
Wenn ein Mensch vom Thema MPS so fasziniert ist, und gleichermaßen auf der Suche nach einem Grund für bestimmte psychische Dinge ist, dann ist es ein Leichtes, sich mit den Symptomen zu identifizieren. Immerhin hat keine andere dissoziative Störung eine so enorme Bandbreite an Symptomen, wie MPS. Will heissen: In irgendeinem Symptom findet man sich IMMER wieder!
Deine Mutter hat wohl anscheinend so gedacht:
//Ich bin vergewaltigt worden, habe ab und an den Wunsch, mit Puppen zu spielen und auf Bäume zu klettern und habe Angst aus unersichtlichen Gründen vor diesem und jenem
INPUT %antwort
IF [antwort=ja]
THEN
{
PRINT "Oh, ich habe MPS, denn diese drei Symptome sind unter anderem auch bei diesem Störungsbild aufgelistet"
GOTO ende
}
ELSE
{
PRINT "Egal, das Krankheitsbild ist mir von allen am sympathischsten!"
GOTO ende
}
//ende
Ob und wie es nun tatsächlich ist, weiss ich natürlich auch nicht. Allerdings ist die Anzahl von Fakern gerade in dem Krankheitsbild enorm hoch und nicht wenige Menschen haben einfach zu viel Langeweile. Da passt es ihnen schonmal in den Krempel, so eine Störung anderen oder sich selbst vorzugaukeln. Intention dafür? - Keine Ahnung!
Was ich auch beobachten konnte: Menschen, die sich verstärkt mit Esoterik beschäftigen und einem dementsprechenden Glauben hinterhertingeln, halten gerade MPS für eine höhere Bewusstseinsebene und gemäß irrer Glaubensrichtungen ist es also gut, jenes solches zu haben.
Hoffe, ich konnte helfen....
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münchnerkindl
[nicht mehr wegzudenken]
1030
münchen W, 35
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Thu, 20.Sep.07, 8:11 Re: Glaube nicht mehr an die Multiplizität meiner Mutte |
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Es könnte doch sein daß sie die Aufmerksamkeit geniesst die sie als "multiple" bekommt.
Sie "gehört damit wo dazu".
Vieleicht ist es das was sie braucht und sie holt es sich auf diese Weise..
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Caypuh
Helferlein
98
Spree / Ruhr M, 28
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Thu, 20.Sep.07, 8:52 Re: Glaube nicht mehr an die Multiplizität meiner Mutte |
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Kann sein, dass sie das als die Eintrittskarte sieht - nur wirds so umso schmerzhafter wenn sie irgendwann dort rausfliegt, weil sie keiner für voll nimmt.
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