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kleineMaus
Helferlein
132
Österreich W, 25
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Thu, 26.Jul.07, 7:56 Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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ich denke schon länger über etwas nach und würde gerne eure meinungen hören.
es ist ein bisschen angelehnt an den unteren thread zum thema hassen, aber ich überlege doch in eine etwas andere richtung, daher starte ich einen neuen thread, hoffe das ist ok.
allgemein habe ich beobachtet, dass mitmenschen weniger problematisch mit etwas umgehen, wenn der betroffene selbst auch kein offensichtliches problem zeigt.
blödes beispiel: ich bin hässlich, habe schiefe zähne oder bin entsetzlich fett - wenn ich selbst deutlich zeige dass ich kein problem damit habe und offensichtlich dazu stehe, haben andere menschen keine angriffsfläche und können nicht mehr hänseln oder sich lustig machen.
das thema ist somit vom tisch.
wie ist das nun mit traumatischen erlebnissen? wenn ich jahrelang mit zerknirschtem gesicht rumlaufe und sich jeder denkt: 'der/die hat doch ganz offensichtlich ein problem!' dann ist es für den betroffenen doch eigentlich erst richtig da, das problem.
wenn ich aber frohen mutes und voller selbstvertrauen durchs leben gehe und jemandem quasi beiläufig erzähle, ja ich wurde mal vergewaltigt usw... da frage ich mich dann.. macht es das einfacher? reagieren mitmenschen dann einfacher?
einfach meine ich in dem sinn, als es für die betroffenen ja oft sehr schwierig wird, wenn angehörige wütend oder traurig werden, sehr emotional werden und offensichtlich mitleiden. das ist für mich meistens der grund nichts zu sagen: ich möchte niemanden belasten und hab auch keine lust, mich zu rechtfertigen warum ich denn nicht schon längst vor lauter hass einen mord begangen habe.
wenn ich dann beteuere: ich habe keinen hass, da ist keine wut und ich möchte eigentlich auch nicht amok laufen, sehe ich schon das wachsende unverständnis.
das ist, gelinge gesagt, ein problem.
wird von opfern erwartet dass sie leiden? wird es einem opfer nicht gegönnt, leichtfertig durchs leben zu gehen so wie alle anderen auch?
kann man diesen erwartungsdruck vermeiden, wenn man selbst allen signalisiert: ja! ich stehe dazu! und ich liebe mein leben trotzdem! und ihr könnt mich alle mal ***
das klingt zwar jetzt leichter gesagt als es tatsächlich ist, aber ... ist es nicht so?
sollte man gerade aus diesem grund daran arbeiten, den eigenen schmerz eher wegzupacken und energische fröhlichkeit ausstrahlen, nur damit man etwas angenehmer angenommen wird von angehörigen?
ich hoffe, ihr versteht in etwa, was ich sagen will
wie seht ihr das?
grüße
maus
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PrincessCherry
sporadischer Gast
11
Hessen W, 18
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Thu, 26.Jul.07, 8:43 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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Halllo!
Also bei mir ist es so wie du sagst.
Jedenfalls wird mir oft gesagt das ich doch sehr gut damit umgehen könne.
naja... schlecht gehts mir trotzdem.
Allerdings reagierten der Grossteil meiner Freunde doch mit Distanzierung als ich Ihnen davon erzählte.
Aber im Grunde hast du recht!
Weiter so: Lass dich nicht Runterkriegen...
(das passier mir doch manchmal mal, da bist du auf dem besseren weg )
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Dornröschen_Dorn
Forums-InsiderIn
421
Deutschland W, 18
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Thu, 26.Jul.07, 9:22 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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hi!
ich schließe mich auch an.so ist es wahrscheinlich leider.
bei mir ist es auch so.
und ich finde es echt schlimm,dieses unverständnis.
ich bin auch ein opfer.mobbingopfer.ich versuche es auch zu verstecken u.sage:mir ist doch egal was ihr sagt.doch wenn ich zuhause bin,ist bei mir das große heulen angesagt.
und ich würde mir gern verständins von anderen holen wollen.doch da ist keiner.die meisten sagen:lass dich davon nicht runterziehen.leichter gesagt als getan.
ich weiss jetzt garnicht,ob das zu deinem thema passt *rotwerd*?!
liebe grüße-Dorn
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_________________ Nichts ist so wirklich schlimm. Das Denken macht es erst dazu. |
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tanzendes_irrlicht
Moderatorin
2129
NRW W, 30
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Thu, 26.Jul.07, 10:28 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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Hallo kleine Maus,
Quote: | wenn ich dann beteuere: ich habe keinen hass, da ist keine wut und ich möchte eigentlich auch nicht amok laufen, sehe ich schon das wachsende unverständnis.
das ist, gelinge gesagt, ein problem.
wird von opfern erwartet dass sie leiden? wird es einem opfer nicht gegönnt, leichtfertig durchs leben zu gehen so wie alle anderen auch? |
Ich denke, Du triffst es sehr gut.
Erinnerst Du Dich an manche Medienreaktion nach dem doch sehr gefassten, "normalen" Auftreten von Natascha Kampusch?
Diese hat ein massives Trauma erlitten - und schien gar nicht so sehr zu leiden, wie "man" sich das so vorstellt. Sie sah weder mißhandelt aus, noch abgemagert, eigentlich sogar ziemlich hübsch. Sie konnte ruhig über ihre Jahre der Gefangenschaft reden, musste weder in verzweifelte Tränen ausbrechen noch beschrieb sie ihren Entführer als das böseste Monster aller Zeiten. "Man" zweifelte gar an der Schrecklichkeit ihres Traumas, denn immerhin ist sie jahrelang ohne Fluchtversuch geblieben und hat sich der Situation gefügt.
Wie es in der jungen Frau aussah und aussieht, steht auf einem ganz anderen Blatt als das, was sich als Massenmedium täglich verkauft und was viele Menschen einfach mal so meinen...
Es wurde erwartet, dass sie äußerlich sichtbar leidet.
Weil sies nicht bzw wenig wahrnehmbar tat, wurde sie von manchen verurteilt,- dann kanns so schlimm ja nicht gewesen sein...
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Aber auch nahe Verwandte verurteilen, weil sie Erwartungen des sichtbaren Leids haben: Ich hab im letzten Jahr eine FG gehabt. Mich und meinen Mann nahm das sehr mit, ich hab viel geweint und denke auch jetzt, wo meine Tochter gesund und quietschfidel auf der Welt ist, an dieses nicht geborene Leben. Dennoch konnte ich das Geschehene schon bald gefasst erzählen, musste nicht im Beisein der Familie weinen und habe auch nicht meine Lebensfreude, mein Lachen, verloren.
Meine Schwägerin sagte dann zu mir, sie sei überrascht, dass mir das nichts ausmacht. DAS tat weh. So viel Unverständnis bzw Fehlinterpretation meines "öffentlichen" Verhaltens hab ich nicht erwartet gehabt.
Was lehrt mich das?
Ich werde weiterhin mit meinen Gefühlen und Erlebnissen so umgehen, wie bisher: ich nehme mich intensiv wahr, lasse jede Emotion zu und teile sie, wenn ich das möchte.
Per se werde ich aber niemandem, auch nicht Verwandten, Erlebnisse (schon gar nicht ein Traumata) "beiläufig" erzählen. Entweder ich vertraue der Person so sehr, dass ich weiss, dass mein Erlebtes und mein Umgang damit in verständnisvollen Händen ist oder die Person geht das nichts an und Punkt.
Wobei ich einen Unterschied mache zwischen (Selbstwert)problem und (traumatischer) Erfahrung:
Quote: |
(zur Hässlichkeit/Behinderung/Schwäche...)offensichtlich dazu stehe, haben andere menschen keine angriffsfläche und können nicht mehr hänseln |
DAS finde ich den richtigen Umgang mit Makeln und co an einem selbst.
Ein Trauma/schlimmes Erlebnis bietet aber keine potentiell zu hänselnde Angriffsfläche und daher finde ich, ist damit auch nicht zu hausieren. Erst durch das Erzählen nämlich entsteht die Angriffsfläche (s.o.).
Lg,
Irrlicht
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_________________ Toleranz ist, wenn sich die Menschheit in die Menschlichkeit verliebt. C.M. |
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kleineMaus
Helferlein
132
Österreich W, 25
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Thu, 26.Jul.07, 15:21 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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hallo tanzendes irrlicht!
der fall kampusch ist wirklich ein sehr gutes beispiel! das trifft genau das was ich sagen möchte. du hast recht, jeder hat eine zerstörte, gequälte und zermarterte seele erwartet und statt dessen wurde eine fröhliche, aufgeweckte und hübsche junge frau gezeigt.
und ich erinnere mich noch an die reaktionen von meinen mitmenschen.. 'na soo schlimm kanns aber nicht gewesen sein' oder 'die schaut ja überhaupt nicht so aus wie man erwartet.' oder 'die spricht ja so freundlich über ihn, über dieses monster! WIE KANN SIE NUR????'
da musste ich auch kopfschütteln und dachte mir, könnt ihr denn dieser armen frau nicht ihr leben gönnen? ihr die würde lassen? oder muss sie wirklich heulend und zerstört herumkriechen damit ihr ihr glaubt??
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Dornröschen_Dorn
Forums-InsiderIn
421
Deutschland W, 18
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Fri, 27.Jul.07, 13:38 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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Ich schließe mich wieder der letzten u.auch allen anderen meinungen über die kampusch an!
meine mutter sagte auch: Wie sie sich ausdrücken kann!ohne fehler.das ist erstaunlich.und dabei wurde sie so gequält.
es stimmt wirklich,immer wird erwartet das man heulend u.verzweifelt ein interwiew geben muss u.wahrscheinl.es sogar noch abbrechen muss,weil es ja als opfer so üblich ist.
echt traurig
schöne grüße an alle!
-Dorn
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_________________ Nichts ist so wirklich schlimm. Das Denken macht es erst dazu. |
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vita
Forums-InsiderIn
339
Hessen W, 50
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Fri, 27.Jul.07, 22:38 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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Hallo an alle,
ein interessantes Thema und eine seltsame Frage, die unsere Zeit gut wiederspiegelt, denn wir sind ja alle sooo cool und heulen uns hinter verschlossenen Türen die Augen aus.
Natürlich sind hier die Medien zu verachten, die sich nach jedem bisschen Leid geradezu reissen.
Nur, wenn ich persönlich so tue, als würde mir mein Leid nichts ausmachen, reagieren meine Mitmenschen entsprechend. Meine Frage dazu ist: Werden wir dann eine Gesellschaft von Rambos so nach dem Motto: "Der hat man zwar gerade sämtliche Gräten gebrochen, sieht aber noch ganz nett aus und lächelt sogar..." ??? Genauer gesagt, endet das damit, dass wir das Leid belächeln?
lg
vita
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kleineMaus
Helferlein
132
Österreich W, 25
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Sat, 28.Jul.07, 9:20 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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interessante fragen, vita!
es kann natürlich schon eine konsequenz sein, dass leid somit belächelt und nicht mehr ernst genommen wird. aber....
ich denke da besonders an familienangehörige, die mit dieser information überfordert sind. das opfer bedeutet ihnen ja etwas, sie können nicht damit umgehen, versuchen einerseits alles richtig zu machen, könnten andererseits aber das opfer in eine extrem dumme situation bringen: sie leiden mit. oder sie werden wütend und machen vorwürfe. und das bringt dem opfer ja nun wirklich gar nichts, das macht es noch schlimmer.
aus meiner perspektive wäre es so am besten: ein moment der anteilnahme, aber das leben muss weitergehen. wie soll ein mensch denn mit einem problem fertigwerden, wenn alle anderen in gewissen situationen denken 'autsch, das muss jetzt aber wehtun, das muss ihn/sie jetzt sicher ganz besonders treffen' und das auch signalisieren. somit hat das opfer keine chance, jemals wieder ungezwungen und gelassen mit dem thema umzugehen.
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Eve12
Forums-Gruftie
677
eine Stadt in D W, 53
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Sat, 28.Jul.07, 10:42 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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Hallo zusammen!
Zum seltsamen Umgang mit Leid trägt das Medium Fernsehen als Meinungsbildner und Zeitgeist-Abbild absolut seinen Teil bei, wenn es sich am Kummer der Menschen (zum Beispiel in Berichten, in denen Tränen und Verzweiflung besonders gern in Großaufnahme vorgeführt werden) förmlich aufgeilt und (vorwiegend in amerikanischen Filmen und deutschen Soaps etc.) das - gespielte - Leid auswalzt bis zum Geht-nicht-mehr.
Andererseits wird uns eine lässige, unbeteiligte Haltung zu allem, was passiert, ebenso nahegebracht und als erstrebenswert hingestellt. Gilt eben als "cool", möglichst alles von sich abperlen zu lassen und zu lächeln... wenn einem längst zum Heulen ist.
Zwischen diesem Spagat "sollen" wir dann unser eigenes Erleben ansiedeln... .
Ich denke, ebenso wie wir uns von der Sensationslust gleichermaßen abgestoßen fühlen und doch auch nicht ganz freimachen können, sind wir in dieser Frage der Darstellung des Leides nach außen hin selbst durchaus zwiegespalten. Deshalb lautet die Frage vielleicht eher, was erwarte ich von mir selbst, und wie gehe ich DAMIT um?
Irrlicht hat es schon treffend beschrieben: Ich selbst entscheide, WEM ich mich ehrlich und offen zeige und auch einen tiefen Blick in meine Seele gestatte. Wenn ich in gewissen Momenten lieber lachend darüber hinweggehen möchte, entscheide ICH es - und dann ist es auch gut!
Kann ich mir schon im voraus denken, dass Offenheit direkt oder hinter meinem Rücken gegen mich verwendet wird, lasse ich es lieber. Wenn ich hingegen meinem Gegenüber vertraue und annehmen kann, dass es mit meiner Selbstoffenbarung einfühlsam umgeht, hilft es mir sehr, die Dinge auszusprechen, die in meinem Inneren sonst schwelen und Unheil anrichten könnten, indem sie als schwere Last auf meiner Seele liegen bleiben und vielleicht sogar meine Weiterentwicklung verhindern.
Mt dem Darüberreden verarbeite ich also die Geschehnisse ein Stück; allein deshalb halte ich es nicht für gut, ein für allemal zu beschließen, ich stell mich in Zukunft nach außen hin nur noch dar als jemand, dem das alles nichts ausmacht. Damit würde ich mir eher schaden, meine ich.
Auf der anderen Seite finde ich es aber auch ganz in Ordnung, dann in diese Rolle zu schlüpfen, wenn ich das bewusst beschließe. Denn es ist schon was dran, dass sich das "Opfer" durch eine tapfere Darstellung seiner selbst auch wirklich so fühlen kann - und dementsprechend leichter durchs Leben geht.
Das habe ich selbst so erlebt als Lernprozess - früher viel gejammert und geklagt, dann irgendwann beschlossen, auch mal "tapfer sein" regelrecht zu spielen, und - bestimmt auch dadurch mit - tatsächlich gelernt, immer tapferer zu werden .
Gruß, Eve
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vita
Forums-InsiderIn
339
Hessen W, 50
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Sun, 29.Jul.07, 0:01 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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Hallo,
Eve schrieb:
Quote: | Mt dem Darüberreden verarbeite ich also die Geschehnisse ein Stück; allein deshalb halte ich es nicht für gut, ein für allemal zu beschließen, ich stell mich in Zukunft nach außen hin nur noch dar als jemand, dem das alles nichts ausmacht. Damit würde ich mir eher schaden, meine ich. |
Dem stimme ich zu. Jedoch ist mein Wunsch, über mein Leid mit einem verständnisvollen Menschen zu sprechen gleichzeitig mit dem Wunsch verknüpft, dieses Leid zu überwinden und neue Wege zum Glück zu finden. Hierbei wünsche ich mir ebenfalls die Hilfestellung verständnisvoller Menschen, die oftmals den zu beschreitenden Weg klarer sehen können, als ich, der da leidet.
Ich denke mir, allein über sein Leid zu reden, ist bereits tapfer - denn dann ist man bereits auf dem Weg, etwas zu ändern.
lg
vita
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Niniwech
sporadischer Gast
21
Baden-Württemberg W, 20
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Wed, 01.Aug.07, 10:53 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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Ich habe auch den Eindruck, wenn jemand vergewaltigt oder missbraucht wurde, erwarten die Leute, das "Leben müsse zerstört" sein deswegen.
So ist es ja aber nicht.
Es kann (und wird vermutlich) zu Problemen führen, die man aber wieder überwinden kann, und natürlich kann es passieren, dass man sich phasenweise sehr schlecht fühlt, aber auch das heilt weg.
Viele haben da entweder das Bild des total zerstörten, abgemagerten, misstrauischen, kaputten Wesens vor sich; oder aber das der eines sehr toughen Menschen, der eiskalt weiter macht im Leben, aber in einsamen Stunden von schlechten Erinnerugen eingeholt wird. Beides ist irgendwie falsch.
Ich finds auch schlimm, dass man als 'Opfer' noch bangen muss, die anderen könnten denken, man will sich nur interessant machen und aufspielen, oder würde Unbefangenheit bei manchen Dingen nur heucheln (klar, wie sollte ein Mensch, der mal missbraucht wurde auch unbefangen beim Thema Sex sein, kann ja nur vorgespielt sein!...), oder oder.
Vielleicht liegt der Grund darin begraben, dass die meisten Menschen schlechte Erfahrungen als Kinder gemacht haben. Die Anzahl der Kinder, die missbraucht wurden ist sicherlich noch viel viel höher als man so denkt, und die Leute erinnern sich an ihre Kindheit, denken sich "naja, ich hab ja auch das und das erlebt, aber das ist ja ganz normal und sicher kein Missbrauch." Wer seine eigenen Probleme nicht ernst nimmt, kann auch die von anderen nicht ernst nehmen. Bzw. denkt, wenn der andere so ein Problem "benennt" müsste es ja noch 100 mal schlimmer gewesen sein, als was er selbst erlebt hat, und deswegen müsse der Mensch auch 100verletzter sein.
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vita
Forums-InsiderIn
339
Hessen W, 50
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Wed, 01.Aug.07, 18:15 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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Hallo Niniwech,
Quote: | Wer seine eigenen Probleme nicht ernst nimmt, kann auch die von anderen nicht ernst nehmen. |
Da stimme ich dir abso zu. Sehr schön geschrieben.
lg
vita
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Mausie
Helferlein
40
M-V W, 20
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Wed, 01.Aug.07, 22:21 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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Ich selber hatte ja auch schon etwas ähnliches zu der Thematik in diesem Thread geschrieben:
http://www.psychotherapiepraxis.at/forum/viewtopic.php?t=35584
Mir selber fiel es damals sehr schwer, meinem Freund davon zu erzählen. Ein gemeinsamer Kumpel hatte uns beiden mal von einer Bekannten erzählt, welche jahrelang missbraucht und vergewaltigt wurde. Mein Freund meinte später zu mir, dass er mit so einer Frau nie zusammen sein könnte, da man mit ihr nie richtig Sex haben kann. Man könnte nicht so viel Spass haben wie wir z.B. zusammen. Das hatte mich dann erst recht total gehemmt. Irgendwann erzählte ich es ihm dann doch. Er redet nicht gerne darüber, schiebt das Thema lieber weg. Er verdrängt es und kommt damit nicht wirklich klar. Ihn macht es fertig, dass ich eine Therapie machen möchte. Mich schockiert sein Verhalten. Aber er ist immer noch mit mir zusammen, obwohl er von meiner Vergangenheit weiss.
Ich selber habe immer das Gefühl des Makels und werde es wohl nie ganz verlieren. Aber es heißt nicht für mich, dass mein Leben nun keinen Sinn mehr macht. Wenn ich sage, dass es schlimmeres als das gibt, was mir zugestossen ist, sind Leute von meiner Einstellung schockiert. Ich möchte die Tat nicht schön reden, aber mein Leben von ihr auch nicht kapputt machen lassen.
Ich hatte damals mir während meiner Kindheit nicht wirklich etwas anmerken lassen. In der Pupertät kamen aber dann die Probleme. Als es mir die Leute ansahen, verhielten sie sich auch dementsprechend negativ mir gegenüber. Nun versuche ich wieder fröhlicher im Leben durchzustarten. Vieles ist nur Fassade, aber es ist leichter so im Leben. Nur bestimmte Leute erhalten einen Einblick, wie es wirklich aussieht. Wenn mich aber jmd. fragt, ob es mir gut geht, antworte ich meistens dem schon ehrlicher gegenüber. Ich sage, es geht mir schlecht. Wenn ich dabei lächele, wird es aber eher akzeptiert, seltsam.
Mfg Mausie
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_________________ Solange Menschen denken, dass Tiere nicht fühlen, solange müssen Tiere fühlen, dass Menschen nicht denken. |
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vita
Forums-InsiderIn
339
Hessen W, 50
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Thu, 02.Aug.07, 6:55 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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Hallo Mausie,
ich finde es traurig, dass dein Freund so reagiert, besonders, dass er deinen Wunsch, eine Therapie zu machen, nicht würdigt.
Ich möchte deinen Wunsch hinsichtlich einer Therapie würdigen und dir sagen, dass es dich auf jeden Fall weiter bringen wird. Ich freue mich für dich, dass du so eine Entscheidung getroffen hast.
Nun, so lange Menschen so reagieren, wie dein Freund - ist es nicht verwunderlich, dass du das Gefühl des Makels hast. Dieses Gefühl wird durch manche Mitmenschen ja auch tatsächlich unterstützt, bzw. hervorgerufen. Es sagt aber auch sehr viel über solche Menschen aus, die offensichtlich schreckliche Angst zu haben scheinen.
Meine Erfahrung ist, dass die Leute, die mir relativ abweisend gegenüberstanden, oder nichts mehr mit mir zu tun haben wollten - in ihrer Vergangenheit selber entsprechend schwerwiegende Dinge erlebt haben und diese vor sich selber versteckt hielten.
Ich wünsche dir alles Gute auf deinem Weg.
lg
vita
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namla
Helferlein
30
Österreich W, 30
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Thu, 02.Aug.07, 8:36 Re: Wird 'erwartet' dass man als opfer leidet? |
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Hallo kleineMaus!
Quote: | ich denke da besonders an familienangehörige, die mit dieser information überfordert sind. das opfer bedeutet ihnen ja etwas, sie können nicht damit umgehen, versuchen einerseits alles richtig zu machen, könnten andererseits aber das opfer in eine extrem dumme situation bringen: sie leiden mit. oder sie werden wütend und machen vorwürfe. und das bringt dem opfer ja nun wirklich gar nichts, das macht es noch schlimmer. |
Eine solche Situation habe ich seit einigen Jahren mit meiner beiden Töchter. Sie können, wollen sich nicht auseinandersetzen damit, sie leiden zwar unter dieser Situation so wie ich was mir wahnsinnige Schmerzen bereitet und trotzdem schieben sie mich mit ihrem Verhalten in die Ecke. Ist es ein NICHT-VERSTEHEN-WOLLEN?. NICHT heißt ja NEIN, im VERSTEHEN steckt auch das NICHT-VERSTEHEN und das WOLLEN ist für viele Menschen eine Hürde.
Hallo Vita!
Quote: | Ich denke mir, allein über sein Leid zu reden, ist bereits tapfer - denn dann ist man bereits auf dem Weg, etwas zu ändern. |
Man/n/Frau kann noch so tapfer sein wenn Man/n/Frau nicht die Gelegenheit bekommt mit Die/Denjenigen die es doch auch betrifft darüber zu reden. Vielleicht fällt es mir und meinen Kinder deshalb so schwer es endlich nach fast 8 Jahren aufzuarbeiten. Das Verstehen und Nicht-Verstehen liegt auf beiden Seiten.
Wünsche euch einen seelenerfrischenden Tag.
Elisabeth
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