Zurückhaltend bei Bekannten, Offen bei Fremden

sporadischer Gast 15 BaWü W, 21

Ich stecke in einem mir fast unerklärlichen Phänomen.

Auf Menschen, die ich bereits kenne, oder welche ich von klein auf kenne, wirke ich eher ruhig bis sehr zurückhaltend. Sie kennen mich nicht anders und ich komme dort als die Ruhige, Liebe und Nette rüber.
Dort wird auch kaum ein Scherz mit mir gemacht. Vor allem unsichere Menschen denken dann, ich könne dies zu ernst nehmen.

Durch aktive Persönlichkeitsentwicklung konnte ich meine Schüchternheit fast komplett ablegen. Ich kann total offen auf unbekannte Leute zugehen. Ich scheue mich nicht, Menschen auf der Straße oder im Club anzusprechen, wenn ich dies will, dann tu ich es einfach.
Das faszinierende ist, ich kann bei fremden Menschen viel Selbstbewusster und offener auftreten. Sie nehmen mich ganz anders wahr.

Situation 2:
In einem 2er Gespräch kann ich nahezu aufblühen. Ich lasse die Menschen gerne erzählen und höre ihnen zu. So konnte ich einiges an Menschenkenntnis gewinnen. Die Sichtweisen anderer interessieren mich brennend.
In einem 3er Gespräch geht es grade noch so, aber wenn es mehr wie 4 Personen sind, verfalle ich wieder in die passive, schweigende Rolle. Eine große Gruppe unterhalten? Kann ich nicht. Ich will nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen. Oft werden die Gespräche dann auch oberflächlicher. Ich mag eher gehaltvolle, tiefergehende Gespräche. Deswegen kann ich mich unter 4 Augen auch so gut unterhalten. Betreffende Leute merken dies auch und wissen meine Aufmerksamkeit zu schätzen.

Nun bin ich in einigen größeren Gruppen, in denen ich von Grundauf als schüchtern gelte (früher Schule, Musikverein). Das Problem ist, sie kennen mich von früher und haben meine Entwicklung zur offenen, selbstbewussten Frau nicht mitbekommen. Bei ihnen gelte ich immer noch als das kleine schüchterne Mädchen. Ich werde immer wieder in diese Rolle gedrückt, was mich veranlasst mich auch so zu verhalten. Schwieriger Prozess.

Es gibt Situationen in denen kann ich voll in meinem neuen Ich aufgehen. Am Wochenende in der Disco tanze ich und mir ist egal was die anderen von mir denken. Ich hab das so sehr verinnerlicht dass ich es auch nach außen ausstrahle. Menschen, die mich hier kennen lernen, sagen ich sei selbstbewusst, eine Powerfrau (tanze den ganzen Abend durch, auch allein), manche sagen auch: hyperaktiv.
Wenn ich diesen Menschen erzähle, dass ich normal eher ruhig und zurückhaltend bin, glauben sie es nicht !!

Mein akutes Ziel ist die Vereinbarung meiner 2 Seiten. Ich möchte mein neues Ich leben können. Der einzigste Ausweg erscheint mir in einem Umzug, ein Neuanfang. Ich lerne Leute kennen die unvoreingenommen von mir sind. So kann ich auftreten wie ich jetzt bin. Sie sehen nicht, wie ich einmal war.
Andererseits wäre dies ein davonrennen von der aktuellen Situation. Ich sehe aber anders keinen Ausweg, da Menschen Veränderungen nur schwer akzeptieren. Konnte von meinem mittlerweile alten Freundeskreis schon hören dass ich mich ja soo verändert hätte. Tja, ich sage jetzt meine Meinung und lass mich eben nicht mehr so leicht führen.

Habt ihr eine Idee wie ich das anstellen könnte. Denke manchmal ich habe zwei Persönlichkeiten...

neu an Bord! 1 Bayern M, 27

Hi Soulcat,

Also mir gehts genauso...

In manchen Kreisen hält man sich besser züruck und mit anderen Leute kann man halt offener umgehen... aber ich seh nicht das Problem oder sollte ich?

Wir leben in einer farbigen Welt, Du musst Dich nicht zwischen Schwarz oder Weiß entscheiden.

Wegziehen und ein bisserl herumkommen ist sicher nicht verkehrt in Deinem Alter, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Die Angst, dass dies eine Flucht wäre hatte ich nie, weil man vor seiner Vergangenheit so oder so nicht flüchten kann...aber einfach nur neue Leute kennenlernen ist Grund genug, wenn man Spaß daran hat...

Cheers!

sporadischer Gast 15 BaWü W, 21

Vielleicht hast du Recht und es ist gar kein wirkliches Problem, sondern nur eine Phase.

Generell fühle ich mich erst unwohl, weil mich Leute drauf ansprechen oder in eine Schublade stecken wenn ich mich mal von meiner ruhigen Seite zeige.
Dann heißt es: "Warum so still?" "Sag doch auch mal was" oder, unter Bekannten: "Die Soulcat, die ist so still.."

Erst diese Reaktionen auf mich, lassen mich in diesen Situationen unwohl fühlen. Natürlich zieht mich das nicht bis auf den Kellerboden runter, weil ich weiß: "Ich kann auch anders."

Früher wollte ich mit aller Kraft beweisen, dass ich auch anders kann. À la "denen zeig ich's noch". Heute denke ich: So what, ich muss mir am wenigsten beweisen.

Wiedermal ein Anstoß für mich, dass ich mich noch zu sehr von der sozialen Gruppendynamik abhängig mache.

Aber was könnte ich antworten auf ein "warum bist du so ruhig?" Mich nervt das langsam.

Helferlein 100 Österreich M, 26

Also deswegen wegziehen ist ein wenig extrem. Natürlich nicht falsch, aber wenn es dir dort gefällt wo du bist, warum wegziehen?

Wenn die anderen Leute deine Entwicklung nicht mitbekommen haben, dann würde ich sie nicht als Bekannte bezeichnen, da sie dich ja nicht wirklich kennen. Von daher steht ja im Prinzip nichts dagegen ihnen dein neues ich vorzustellen. Wenn es wirklich deine freunde sind werden sie dich akzeptieren.

Auf die Frage „Warum bist du so ruhig“ gibt es eigentlich viele Antworten. Wenn du die Leute verwirren willst, probier es mit einer nichts sagenden antwort. „Ich warte auf den passenden Augenblick“ viele erwiederungen können als beleidigend aufgefasst werden also Vorsicht mit „Es gibt hier nichts sinnvolles für mich zu sagen“ oder „Es gibt nichts für mcih zu sagen, das ihr nicht schon hundert mal gesagt habt.“

Natürlich sind das nicht die besten Antworten, aber wenn du die Leute kennst, die die Frage stellen kannst du dir bestimmt eine paar passende, schlagfertige Antworten zurecht legen.

sporadischer Gast 5 Hessen M, 19

hey soulcat
will nur sagen mir gehts genau wie dir nur das ich ein junge bin
früher war ich das schüchterne opfer dann neuen freundeskreis war alles cool und jetzt häng ich wieder bei den alten leuten und kann mir nicht erklären warum ich wieder so bin!! ich weiss garnichtmehr so recht wie ich wirklich bin ist echt komisch aber helfen kann ich dir leider auch net

sporadischer Gast 15 BaWü W, 21

Ich kann's dir sagen. Die alten Leute drängen dich in dein altes Verhaltensmuster zurück. Du wirst so behandelt wie sie dich kennen. Als schüchterne Person.
Es ist verdammt schwer sein neues Ich zu zeigen. Das müsste schon eine größere Aktion werden, bei der ich beweise dass ich alles andere als schüchtern bin. Aber ist es mir das wert? Will ich soviel Energie darin vergeuden nur weil ich jemand was beweisen will?
Ich selbst weiß ja, dass ich auch anders kann.

Einmal ist mir dies geglückt. War mit meinen Arbeitskollegen, die mich als Ruhige, brave Kollegin kennen auf Betriebsausflug in den Bergen. Abends auf der Àpres-Ski-Hütte hab ich vollgas gegeben. Ich hab mit den Jungs an der Stange getanzt, was sich kein Mädel getraut hat. Ich hab fremde Leute angesprochen und zum tanzen animiert. Ich hatte einen rießen Spaß. Bekam etliche Reaktionen á la "so kennt man dich ja gar nicht".
Und ich bekam mehr Respekt von den anderen an diesem Abend.
Das hat sich allerdings über die Wochen hinweg wieder gelegt und ich war zurück im alten Arbeitstrott mit denselben Reaktionen auf mich, als schüchternes, braves Mädchen.
Das sollte mir eigentlich gelehrt haben, dass es mir egal sein sollte, was die anderen von mir denken...

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