Freundin - Suizid Geschwister

neu an Bord! 4 Wien W, 30

Hallo!
Ich suche in meiner Verzweiflung Hilfe.
Vor 2 Wochen hat sich der Bruder (32) meiner besten Freundin (34) erhängt. (Er war depressiv und in medizinischer Behandlung - Medikamente, Therapie) "Leider" sind nicht nur sie und ihre Eltern bzw Familie involviert, sondern natürlich alle gemeinsamen Freunde.
Da wir beide aber auch im sozialen - medizinischen Bereitch freiwillig tätig sind ist es nicht gerade leichter.
Kann mir jemand sagen wie ich ihr helfen kann, mein Latein ist am Ende. Sie soll es nicht verdrängen sondern verarbeiten. Zur Zeit ist es aber sehr schwierig. Das Begräbnis war schlimmer als der schlimmste Alptraum, sie wäre mit hinuntergegangen wenn wir sie nicht festgehalten hätten. Das Problem aber ist dass sie einen kleinen Sohn (1) hat.
Ich weiss nicht mehr weiter. Sie fragt mich Dinge, ... ich versuche Antworten zu finden, sage ihr aber dass das meine Meinung ist und sie ihren Weg finden müsste das Geschehene zu verarbeiten.
Häufige Fragen:
1) Warum hat er das gemacht? Warum gerade jetzt? Warum hat er uns nicht mitgenommen?
2) Wie lange dauert es bis nichts mehr von ihm da ist? (im Grab)
3) Ist er ganz weg? Oder kann ich ihn "nur" nicht mehr angreifen.
Ich versuche Antworten zu finden. Ich denke mit den Antworten kann sie die Fragen abhaken und versuchen zu verarbeiten.
Sie weiss dass sie sich jederzeit melden kann, ob es um den Sohn geht, sie reden möchte, nicht allein sein will, abwechslung/ablenkung braucht bzw raus muss. Zum Glück nimmt sie das Angebot auch wahr.
Dennoch, kann mir bitte jemand helfen!? Ich weiss es gibt kein Rezept!
LG
Mina

Helferlein 93 N. W, 24

Nachdem ich das selbst erlebt habe - kann ich nur sagen: ich wünsche Dir und der Freundin viel Kraft. Das durchzustehen ist alles andere als leicht und es gibt kein Rezept dafür. Manche kommen mit soetwas nie zurecht...einer weint monatelang, ein anderer versucht es zu verdrängen...

alles Gute Sad

[nicht mehr wegzudenken] 1312 Dtld W, 29

Hallo mina,

es ist ein besonders trauriger Anlass, der dich in dieses Forum führte. Sei dennoch oder erst recht sehr lieb willkommen!

Ich weiß nicht, was deiner Freundin hilft. Verarbeitungsprozesse sind höchst individuell. Doch ich denke, nach 2 Wochen kann man noch längst nicht verarbeiten. Als sich mein bester Freund suizidierte, war zumindest ich wochenlang im Schock.

Was mir damals half, waren die Menschen im Hintergrund, die bereit waren, mir zuzuhören, mich dazu jedoch nicht aufforderten. Sie bildeten ein Netz, waren ein (oft unsichtbarer) Halt in einer Welt, die für mich zerbrochen war.

Frage doch deine Freundin, wie du sie am besten begleiten kannst und was ihr helfen könnte. So sehr ich manche verzweifelten Hilfsversuche anderer verstehen konnte - sie machten mich krank. Jeder Trauernde hat sein eigenes Tempo, seine eigene Art, mit der Trauer umzugehen. Und als jemand, der einem Trauernden nahe steht, ist man zu leicht versucht, Dinge zu tun, um diese Prozesse zu beschleunigen. Es ist ja auch schwer, liebe Menschen leiden zu sehen.

Hab ein bisschen Vertrauen, dass deine Freundin spürt, was sie wann braucht und kann.

Vielleicht ist es jetzt noch zu früh, aber in einigen Wochen wäre folgendes Buch evtl. eine schöne Geste:
Ich will dich nicht vergessen

Viele der Fragen von deiner Freundin wird sie mit der Zeit für sich selbst beantworten können, andere nicht. Manche Fragen verlieren eines Tages ihre Bedeutung, manch andere offen bleibende Fragen werden erträglich.
Aber es braucht Zeit. Viel Zeit.

Ich wünsche dir viel Kraft, es zu ertragen, letzten Endes so hilflos zu sein!

Alles Gute,
Toughy

[nicht mehr wegzudenken] 1896 unwesentlich W, 30

Hallo mina911,

Das tut mir leid... und es ist sehr lieb, dass du dich so kümmerst.

Mir hat damals folgendes Büchlein geholfen, was mir eine Freundin schenkte... denn ich hab' mich darin wiederfinden können... und es hat mir Mut gemacht:
Laß deiner Trauer Flügel wachsen (bitte klicken)

Quote:

Kann mir jemand sagen wie ich ihr helfen kann, mein Latein ist am Ende.

Ja, auf diese Frage gibt es keine Patentantwort... mir hat damals seeehr geholfen, dass ich wusste, es sind Menschen da, die mir zuhören, wenn ich darüber reden will. Ich konnte es nicht/kaum Confused

(also darüber reden). Ähnlich wie Toughy schrieb: Ein Netz - im Hintergrund war immer jemand da... nicht nur die Anfangszeit, sondern auch später... wobei mir das teilweise schon zuuu viele Bemühungen waren, denn ich brauchte schon auch Zeit nur für mich... oder diese oder jene "Ablenkung" war mir zu viel, weil ich mich nicht in entsprechender Stimmung fühlte... oder es einfach verdrängen wolllte. Ja, es war das "Gefühl", dass ich verstanden werde... und ich nicht alleine bin, wenn ich es nicht sein will, das mir sehr geholfen hat.

Quote:

Sie soll es nicht verdrängen sondern verarbeiten.

Jeder trauert unterschiedlich... da gibt es kein richtig und falsch. Anfangs realisierte ich auch nicht was passierte... das ist ähnlich wie ein Schockzustand/Nicht-Wahr-Haben-Wollen/Nicht-Begreifen... seitdem hab' ich ungefähr eine Vorstellung, woher die Redewenung "neben sich stehen" stammt.

Quote:

Sie fragt mich Dinge, ... ich versuche Antworten zu finden

Antworten gibt es nicht, weil es eben unbegreiflich ist... und ja,

Quote:

1) Warum hat er das gemacht? Warum gerade jetzt? Warum hat er uns nicht mitgenommen?

Die Frage nach dem warum stellte ich mir auch sehr intensiv... mir hat das Bild einer Freundin sehr geholfen, dass er nun auf mich aufpasst von "oben"... und auch dass es ein Geschenk war, ihn kennenlernen zu dürfen.

Quote:

3) Ist er ganz weg?

Ja, das begriff ich anfangs auch nicht - und nachträglich wurde mir klar, dass ich es damals noch nicht realisieren konnte.

Quote:

Ich versuche Antworten zu finden. Ich denke mit den Antworten kann sie die Fragen abhaken und versuchen zu verarbeiten.

Ich denke, ihr hilft sehr, dass du da bist... aber "forcieren" kann man da nichts... denn es hat Gründe, weswegen die Psyche das nicht mit voller Wucht realisiert, was passiert ist... sondern sich davor schützt. Ich konnte das nur stückchenweise an mich heranlassen... und wenn ich mit jemanden sprach, waren meine Gefühle wie ausgeblendet. Ich hab' auch Fragen gestellt... aber die Antworten, die man sich selbst gibt oder die man erhält, die erklären es auch nicht.. denn es ist eben unbegreiflich... und es dauert seine Zeit, bis man das begreift und verarbeitet... eine Zeit, die bei jedem unterschiedlich ist... und jeder trauert anders... das kann einem niemand abnehmen. Sie wird sehr schätzen, dass du da bist. Mehr kannst du nicht tun. Sad

Ich wünsche Euch viel Kraft!

neu an Bord! 4 Wien W, 30

Ich möchte mich ganz herzlich für die raschen Antworten bedanken!

Momentan praktizieren wir es so dass sie weiss dass sie sich jederzeit melden kann. Wenn ihr Mann in der Arbeit ist und ich zu Hause bin, schlage ich ihr meist vor mit unseren Kindern auf den Spielplatz zu gehen, sie kann dann entscheiden ob sie an dem Tag lieber einen öffentlichen oder einen im Garten mit kaum anderen besuchen möchte.

Ich merke nur langsam dass auch ihr Mann kaum mehr Kraft hat, denn als damals am So um halb 5 in der Früh die Polizei mit einem KIT Team ankam waren ihre (und seine) Eltern im Urlaub, dh er musste es ihnen am Telefon sagen und sie zurückholen.
Vorallem ist ihr Sohn noch sehr klein und spürt natürlich was los ist auch wenn er es noch nicht versteht. Sie neigt allerdings dazu ihn jetzt oft wegzudenken was aber keinem der Beteiligtem hilft.

Wir haben uns heute darauf geeinigt, dass ihr Bruder meinte jetzt gehen zu können, weil er wusste das sie es mit ihrer Familie jetzt schaffen wird und ihre Hilfe nun nicht mehr braucht. Sodass er jetzt auf anderer Ebene auf sie aufpassen kann. Für heute hat sie es akzeptiert und vorübergehend verstanden.
Ich hoffe nur dass sie weiss dass jederzeit jemand für sie da ist!

DANKE & LG

neu an Bord! 4 Wien W, 30

@sternenmeer

Ich musste gerade dein Bild unten im Beitrag ansehen
... soviel zum Thema "Zufall oder Schicksal" sie ist ganz vernarrt in jede Form von Schafen!

Das "von oben" haben wir auch schon erörtert.
Sie hat vor der Geburt des Sohnes ein Kind verloren, was auch eine Katastrophe war.
Ihr Bruder passt jetzt auf das Ungeborene auf.

Und zum Thema realisieren - das hat sie ... Du kannst dir nicht vorstellen was bei der Absenkung des Sarges los war ... (sie hat zwar Beruhigungsmittel bekommen, allerdings nicht soviel dass sie nichts mehr mitkriegt, das ist ja meist die Arzttherapie. Nur soviel dass sie nicht ganz zusammenbricht, und dennoch - viel hat nicht gefehlt.) Das Begräbnis war erst vergangenen Freitag - wenn ich mich abends ins Bett lege wünschte ich mich für mich jetzt nur dass nicht nicht dortgewesen wäre.

Trotzdem ganz herzlichen Dank

[nicht mehr wegzudenken] 1896 unwesentlich W, 30

Quote:

sie ist ganz vernarrt in jede Form von Schafen!

Da haben wir was gemeinsam anonym

...und ich freue mich immer wieder (und das unübersehbar), wenn ich mit einem neuen Schäfchen bedacht werde anonym

. Vielleicht würde sich sich auch über ein Schäfchen freuen (Kuscheltier)... gut, klingt vielleicht etwas kitschig... aber mir hat es schon geholfen, wenn ich nachts einfach was in der Hand/im Arm halten konnte... (denn nachts war es mit am heftigsten, weil ich meine Gedanken mangels Ablenkung nicht mehr so gut wie am Tage abschalten konnte).

Quote:

Das "von oben" haben wir auch schon erörtert.

Mir hat es geholfen... und ich hab' auch öfters zum Himmel gesehen und mir vorgestellt, dass er auf irgendeinem Stern da oben nun ist... und glücklich ist... ja, insbes. die Vorstellung, ihm geht es gut, war sehr hilfreich für mich. Und auch, dass er immer in meinem Herzen bleibt... und mir die Erinnerung niemand nehmen kann.

Quote:

Und zum Thema realisieren - das hat sie ...

Du kennst sie besser als ich... es kann sein... bei mir war es so, dass ich das nur so halbbewusst wahrnahm... es gab aber schon viele Momente, z.B. wenn das Tel. klingelte, wo ich dachte, das ist er... mein Gefühl sagt mir daher, sie steht noch unter Schock... aber gut, ich kann nicht von mir auf andere schließen.

Quote:

Nur soviel dass sie nicht ganz zusammenbricht

Ja, da fehlte bei mir auch nicht viel (nahm allerdings keine Medis)... das erlebt man teilweise wie in Trance... Sad

... wobei ich das aber auch so erlebte: Wenn es darauf ankommt, hat man manchmal mehr Kraft als man denk... es braucht seine Zeit... wirklich vergessen kann man das nie... aber Zeit heilt Wunden. Neutral

neu an Bord! 4 Wien W, 30

Das Schäfchen hat sie schon bekommen, kurz nach dem Begräbnis, ich dachte eben einfach zum Anhalten.

Wir haben jetzt auch eine Kerze aufgestellt und wenn sie ihm etwas sagen möchte schreibt sie es auf und verbrennt das Blatt in dieser Kerze. Ich hab es ihr vorgeschlagen weil bei mir Schreiben am Besten hilft.

Mit dem Realisieren bin ich mir doch ziemlich sicher. Eigentlich sind wir beide Lehrer, aber im notärztlichen Rettungsdienst freiwillig tätig. Und da bleiben uns Todesfälle leider selten fern, im Gegenteil.

Deshalb meinte ich auch, ich habe schon einiges gesehen, aber das war selbst mir etwas mehr als zuviel.
Sie hatte diese Kraft am Grab leider nicht. - Nachdem wir aber soetwas befürchtet hatten war der Sohn vorsichtshalber zu Hause bei einer Freundin.

Wir haben ihr auch versucht einzuimpfen: "Er ist nicht weg, solange er in deiner Erinnerung und deinem Herzen ist, ist er dir vielleicht sogar näher als zuvor."

Sie sagt momentan sie will für Ihren Sohn eine Erinnerungskiste anlegen, aber ich denke es soll ihr helfen. Und das ist meines Erachtens auch gut so.

Herzlichen Dank dass Du Dir Zeit nimmst!!!

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