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Phoenix23
sporadischer Gast
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Post Sun, 03.Jun.07, 12:07      Die Parabel vom kleinen Jungen Reply with quoteBack to top

Nahezu alle Gesichter am Tisch waren kalt, seltsam leblos und deprimiert. Dessen ungeachtet war eine lebhafte Diskussion im Gange. Der offensichtliche Gegensatz zwischen der toten Mimik der Anwesenden und ihrer lebhaften Diskussion wirkte reichlich deplaziert und war kaum vernünftig zu erklären. Man hatte den Eindruck, der Eifer einiger Teilnehmer lag darin begründet, dass ihnen das Streitthema weitaus wichtiger erschien, als ihr eigenes Leben. Wie das Gesicht einer Frau während ihrer rhetorisch einwandfreien Apologie schwarz-pinker Ringelsöckchen langsam zerfiel, war nicht sehr schön anzusehen. Ihren Ehemann schien das aber wenig zu beunruhigen. Er zerstörte Argument um Argument und hörte auch nicht auf, als das Gesicht seiner Frau kraftlos nach vorne sackte. Er beachtete sie gar nicht mehr, nur war er etwas enttäuscht, als er keine Argumente mehr zu widerlegen hatte- Außerdem wollte er sich etwas von seinen Schmerzen ablenken, die seine sich selbst auflösende Lunge ihm bereitete. Da war ihm die Diskussion über Weltpolitik gerade recht, die ein junger Mann anfing, als er sah, wie ein kleiner Junge vor der Haustür ein Fahradunfall hatte und hilflos zu verbluten begann. Die ausländische Fahrradfirma lud wirklich dazu ein, um zünftig über Chanchen und Risiken wirtschaftlicher Globalisierung zu disputieren.

Nur ein Mädchen schien sich für den kleinen Jungen zu interessieren. Sie stand auf und sagte in bestimmtem, starkem Ton: "Es hält mich nichts mehr hier. Ich werde jetzt gehen. Ich würde euch Gute Besserung wünschen, wenn ich glauben würde, dass sie möglich wäre.", und lief mit ihrem Handy einen Notarzt rufend hinaus in die warme Frühlingswärme.
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Polarsternin
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Post Mon, 04.Jun.07, 8:12      Re: Die Parabel vom kleinen Jungen Reply with quoteBack to top

hallo phoenix,
ich glaube, dass wir in einer ich-süchtigen gesellschaft leben. jeder sieht nur noch sich, seine probleme und sein leben. es geht immer nur um sein / ihr leben, selbst da, wo die menschen keine probleme haben, wie z.B. auf partys. und wenn man mal alleine dorthin geht, hat man echt geloost. sie sitzen in grüppchen. und diese grüppchen bestehen aus kontakten, die sie sowieso schon kennen. sie gehen gemeinsam auf die party oder treffen sich dort, so dass überhaupt kein anreiz da ist, mal andere leute und andere lebens- und denkweisen kennen zu lernen. und es werden ständig die selben themen durchgekaut, die sie eh schon kennen. sie können schwer von sich loslassen... . das karussell dreht sich immer in die selbe richtung und es darf sonst auch niemand auf dieses karussell drauf, selbst wenn es auf einem platz gestellt ist, wo noch andere menschen sich aufhalten.
ich hätte dazu auch einen passenden text, muß ich aber erst mal suchen.


lg, polarsternin

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